Predigt

Himmelsbrot

Haben wir denn Hunger?

PredigttextJohannes 6,30-35 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Worms
Datum:03.08.2025
Kirchenjahr:7. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrerin Dorothea Zager

Predigttext: Johannes 6,30-35 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

30 Sie sagten zu ihm: „Was für ein (Legitimations-)Zeichen tust du nun, so dass wir es sehen und dir glauben (können)? Was wirkst du? 31 Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie geschrieben steht: ‚Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.‘“ 32 Da sagte Jesus zu ihnen: „Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn das Brot Gottes ist der, der vom Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt.“ 34 Da sagten sie zu ihm: „Herr, (für) immer gib uns dieses Brot!“ 35 Jesus sagte zu ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird gewiss nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird gewiss niemals Durst haben.“

Exegese und homiletische Überlegungen

Kann man einmal Brot essen, und dann für immer satt sein? – Schön wär’s!

Dass das nicht so ist, darüber entspinnt sich im Johannesevangelium ein hochinteressantes Gespräch zwischen Jesus und einer Menschenmenge, später zwischen Jesus und „den Juden“. In fünf verschiedenen Gesprächsgängen entfaltet der Johannesevangelist ein grundlegendes Thema: das Brot, das vom Menschen kommt, und das Brot, das vom Himmel kommt.

In der Mitte dieser fünf Gesprächsgänge rund um das Brot steht eines der sieben „Ich-bin“-Worte Jesu: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“. Die drei ersten Gesprächsgänge zwischen Jesus und der Menschenmenge bereiten das Ich-bin-Wort Jesu vor. Die beiden letzten – das sind dann Gespräche zwischen Jesus und „den Juden“ – interpretieren es und entfalten es in dreierlei Weise.

Dass für den „Brot-Sonntag“ nur ein kleiner Teil (6,30-35) dieses langen Gespräches (6,22-59) als Perikope ausgewählt wurde, mag bedauerlich sein, aber vielleicht liegt gerade in der Konzentration auf dieses eine Gespräch eine Chance.

Wer einmal Brot isst, wird wieder hungrig

Schon immer und zu allen Zeiten wollen Menschen einen Beweis für die Wirkmächtigkeit eines Menschen. So auch hier: Sie fordern ein Wunder, etwas Außergewöhnliches, das ihnen glaubhaft vermittelt: Dieser Jesus ist der Mensch, der uns aus allem Elend herausreißen kann.

Ein Zeichen, so richtig mit Überzeugungskraft, muss es aber sein. Dass Tausende satt wurden, obwohl kaum etwas da war – was sind schon fünf Brote und zwei Fische! –, das galt offensichtlich schon nicht mehr. Denn wer einmal Brot isst, wird ja wieder hungrig.

Die Wortführer der Menschenmenge erinnerten sich an Geschichten früherer Zeiten. Da gab es schon einmal Brot vom Himmel. Tag für Tag regnete das Manna vom Himmel in der Wüste, als das Volk Israel auf seinem Weg in das gelobte Land am Verhungern war. Mose hatte es ihnen gegeben.

Jesus lässt sich aber auf diese alte Geschichte nicht festlegen. Er korrigiert vielmehr ihre Sichtweise: Nicht Mose hat euch Brot vom Himmel gegeben, sondern Gott selbst gibt euch das rechte Brot vom Himmel. Und da wechselt er mitten im Satz das Tempus. Damals gab Gott das Brot – heute gibt er es Euch. Er holt die Zuhörenden damit aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Gott gab damals Manna. Heute gibt er noch viel mehr: das rechte Brot vom Himmel, das für immer satt macht.

Brot, das für immer satt macht?

Wer will das nicht haben? Ein Brot, das für immer satt macht? Kein Wunder, dass die Gesprächspartner Jesus bitten: Gib uns solches Brot – und nicht nur das, was du vorhin bei Tiberias geteilt hast. Das wäre es doch! Ein Brot, das der Welt Leben gibt. Jesus selbst stellt sich in die Mitte und sagt: Ich bin das Brot. Ich bin alles, was du zum Leben brauchst. Es liegt auf der Hand: Das „Brot“ wird zum Zeichen, und das „Sattwerden“ zum Symbol. Gemeint ist der johanneische Jesus, der vom Himmel gekommen ist (göttlicher Ursprung Jesu; vgl. Joh 1,1f.; 3,13) und der das Leben schenkt (heilsbringende Funktion Jesu; vgl. Joh 1,12-14.16-18; 5,21).

Wonach hungern wir?

So wie der Evangelist Johannes durch den Tempuswechsel in V. 32 sehr geschickt zwischen der Erinnerung an das Himmelsbrot in der Wüste und dem lebenspendenden Jesus im Hier und Jetzt eine Brücke geschlagen hat, so können es auch die Predigenden am „Brot-Sonntag“ wagen: Wir leben in einer Zeit, in der wir uns allein in Deutschland an über 700 verschiedenen Brotsorten satt essen können. Gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der ein unstillbarer Lebenshunger viele Menschen in Rastlosigkeit und Hyperaktivität treibt.

Was fehlt uns? Die Gewissheit, dass Gott unseren Lebenshunger stillen will, heute genauso wie damals. Und die Verheißung, dass Christi Liebe uns so erfüllen kann, dass auch ein Mangel oder Verzicht ohne Weiteres zu ertragen ist. Denn nicht das grenzenlose Verbrauchen, Genießen, Vergnügen und Sich-etwas-Gönnen machen satt, sondern das Wissen, geliebt zu sein, und die Kunst, den anderen zu lieben.

Lieder:

EG 579 „Das Weizenkorn muss sterben“ EG 226 „Seht, das Brot, das wir hier teilen“

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Eine Würdigung von Professor Dr. Werner H. Schmidt zu dessen 90. Geburtstag, in: Dt Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt 6/2025, S. 318-322 (auch im Internet: deutsches-pfarrerblatt.de)

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