Predigt

Himmelsmacht Liebe

Liebe - ein inflationäres Wort?

Predigttext1. Johannes 4.7-12 (mit Einführung)
Kirche / Ort:66989 Nünschweiler
Datum:03.09.2023
Kirchenjahr:13. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrerin Anke A. Rheinheimer

Predigttext: 1. Johannes 4,7-12 (Übersetzng nach Martin Luther, Revision 2017)

7 Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott. 8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe. 9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung[1] für unsre Sünden. 11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. 12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.

Exegetische und homiletische Anmerkungen

Ausgehend von einem Zitat von Khalil Ghibran über die Liebe als „ein Wort aus Licht“ geht die vorliegende Predigt den Weg von dem, was den PredigthörerInnen bei dem Thema Liebe nah, vertraut und verständlich ist, nämlich der menschlichen Liebe, zum Schwerpunkt des Predigttextes aus dem 1. Johannesbrief, der göttlichen Liebe.

Die Grenzen der irdischen Liebe und die Unbegrenztheit der Liebe Gottes zu uns Menschen, die er uns in Jesus Christus gezeigt hat, gesandt zu uns „zur Versöhnung unserer Sünden“ (V.10), werden dabei einander gegenübergestellt. Im Gegensatz zu uns Menschen hat Gott nicht nur Liebe, sondern er ist Liebe: „Gott ist die Liebe“ (V.8). D.h. Liebe ist nicht bloß eine beliebige Eigenschaft Gottes, sondern macht in einem umfassenden Sinn sein ganzes Wesen und Sein aus. Man kann den Satz aber nicht einfach umkehren und sagen: „Die Liebe ist Gott“, wie R. Bultmann in seinem Kommentar nachvollziehbar feststellt, „denn dann wäre eine „agape“ als allgemeine menschliche Möglichkeit vorausgesetzt, aus der ein Wissen um das Wesen Gottes abgeleitet würde“ (KEK, S. 71).

Die Denkfigur im johanneischen Schrifttum ist vielmehr umgekehrt: Wenn die Liebe Gottes, die sich uns als versöhnende Liebestat Gottes in Jesus Christus gezeigt hat, in uns Menschen Raum und Wohnung nimmt, fordert sie unsere menschliche Möglichkeit und Fähigkeit zu lieben heraus: „Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.“ (V.11).

„Bruderliebe als Antwort auf die Liebe Gottes“ überschreibt R. Bultmann daher treffend den entsprechenden Abschnitt zu 1 Joh 4,7-12 in seinem kritisch-exegetischen Kommentar. Die Liebe Gottes und die Nächstenliebe stehen hier in direkter Verbundenheit miteinander, wobei die Johannesbriefe die Nächstenliebe spezifisch als Bruderliebe identifizieren, als „philadelphia“, als geschwisterliche Liebe, in der Gottes Liebe bei uns als Christinnen und Christen sichtbar, greifbar und konkret wird.

An der praktizierten Bruderliebe innerhalb der christlichen Gemeinde ist für den 1. Johannesbrief im Gegensatz zu den Irrlehrern die Wahrheit des christlichen Bekenntnisses zu Jesus Christus ablesbar, denn „wer nicht liebt, der kennt Gott nicht“. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen Geschwisterliebe und Gotteserkenntnis und somit auch zwischen unserem Predigttext, dem Abschnitt 4,7-12 über die Gottes- und Nächstenliebe, und dem unmittelbar vorausgehenden Abschnitt 4,1-6 über die Irrlehre, mit der sich die johanneischen Gemeinden auseinandersetzen mussten und die Unruhe und Verwirrung in ihren eigenen Reihen stifteten (vgl. R. Bultmann, KEK, S.69f.)

Literatur

Bultmann, Die drei Johannesbriefe (Kritisch-Exegetischer Kommentar über das Neue Testament, 14. Abtlg., 7. Aufl.), Göttingen 1967. – R. D. Precht, Liebe. Ein unordentliches Gefühl, München 2009.

Lieder

"Liebe, die du mich zum Bilde“ (EG 401) „Gott liebt diese Welt“ (409) „Morgenglanz der Ewigkeit" (450)

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