Hoffnung für das Neue Jahr
Auch in schwierigen Lebensphasensphasen „das Bessere“ sehen
Predigttext: Jesaja 51,4-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
4 Merke auf mich, mein Volk, hört mich, meine Leute! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen. 5 Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor, und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm. 6 Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich, und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.
Hinführung zum Predigttext
Wie Jesaja 51,4-6 zum Predigttext für den Altjahresabend werden konnte, bleibt mir ein Rätsel. Wenn Gott im 21. Jahrhundert so unverständlich bleibt, dann darf man sich über leere Kirchen nicht wundern. Texte, die beim Vorlesen von den Hörern nicht verstanden werden, sollten heutzutage keinem Gottesdienstbesucher zugemutet werden. Es ist nicht die Aufgabe eines Predigers/einer Predigerin, dem Hörer zu erklären, was der Text in seinem ursprünglichen situativen Kontext zu sagen hatte. Das interessiert heutige Hörer/innen auch nicht. Denn ihre Lebenswelt und Problemlage ist eine gänzlich andere. Und die gilt es ernstzunehmen. Ich habe mich trotzdem bemüht, Jesaja 51,4-6 aufzunehmen und in meiner Predigt in das Hier und Heute zu transformieren. Denn das ist meine Aufgabe: Gott ins Heute hinein zum Hören zu bringen an der Schwelle zu einem neuen Jahr.
Liturgie
Begrüßung
Am Ende dieses Jahres schauen wir zurück: Was wurde mir in diesem Jahr geschenkt? Wo war das Glück auf meiner Seite Welche Hoffnungen haben sich erfüllt? Wo hat sich mein Vertrauen bewährt? Wofür kann ich dankbar und zufrieden sein Was hat mir Halt und Kraft gegeben? Wo bin ich Gott begegnet? Heute Abend wollen wir uns das bewusst machen und diesen Gottesdienst feiern
im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.
- Der Herr sei mit Euch!
Eingangsspruch
Erforsche mich, Gott, und erkunde mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich es meine. Und siehe, ob ich auf falschem Wege bin, und leite mich auf einen beständigen Weg. (Psalm 139,23f)
oder/und Psalm 121 (EG 749)
Sündenbekenntnis
Wir stehen wieder einmal am Ende eines Jahres. Und natürlich fragen wir: War es ein gutes Jahr, war es ein schwieriges Jahr? Dabei sehen wir eher das, was schwierig war, anstatt das, was gut und schön gewesen ist.
Wir reden eher davon, was misslungen ist und sich nicht erfüllt hat, als von dem, was uns geschenkt worden ist. Wir behalten leichter, wenn wir enttäuscht wurden, als das, wo wir positiv überrascht worden sind.
Herr, lass uns auf das schauen, was uns im zu Ende gehenden Jahr erfreut und beglückt hat. Herr, erbarme dich!
Gnadenzuspruch
Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Römer 8,38f)
Gebet
Herr, lass uns das Alte loslassen und bleibe bei uns, wenn wir in ein neues Jahr gehen. Gehe mit uns in die Ungewissheit dessen, was auf uns zukommt. Gib uns die Kraft, all das zu tragen, was wir alleine nicht schultern können. Schenke uns den Mut, unser Leben in die Hand zu nehmen. Verleihe uns Zuversicht und lass uns darauf vertrauen, dass deine Hand uns hält. - Amen.
Schriftlesung
Matthäus 13,24-30
Glaubensbekenntnis
Fürbitten
Herr, wir gehen in ein neues Jahr und bitten dich: gehe mit uns! Das, was uns noch bedrängt und uns ängstigt, nimm von uns. Befreie uns aus dem, was uns über dieses Jahr hinaus gefangen halten will. Lass sein, was war - und lass es uns annehmen können, wie es gewesen ist. Nimm alle Verbitterung hinweg. Und schenke uns Frieden mit diesem alten Jahr.
"Der du die Zeit in Händen hast, Herr, nimm auch dieses Jahres Last und wandle sie in Segen."
Wir schauen vorwärts in das neue Jahr, das in wenigen Stunden beginnt. Was wird dieses Jahr bringen? Was wird auf uns zukommen? Was wird unsere Erfahrung werden? Noch ist alles offen und nicht festgelegt. Noch wissen, wir nicht, wie es ausgehen wird. Egal, was auch kommt, wir wissen nur dies eine:
"Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr."
Gehe mit uns auf unserem Weg. Begleite uns in den fröhlichen und in manch ungewissen Stunden. Tröste uns, wenn wir weinen und traurig sind. Ermutige uns, wenn uns selbst die Kraft fehlt. Beflügele uns, wenn wir allen Grund zur Freude haben.
"Hilf du uns durch die Zeiten und mache fest das Herz, geh selber uns zur Seiten und führ du uns vorwärts. Und ist es uns hienieden so öde, so allein, o lass in deinem Frieden uns hier schon selig sein."
Sei du bei den Kranken und Sterbenden, den Verfolgten und Gequälten, den Gefangenen und Verbitterten, den Eifersüchtigen und Ungeliebten, den Lieblosen und Egoisten, den Süchtigen und Suchenden, den Hoffnungslosen und Ausgegrenzten.
"Der du allein der Ew´ge heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unsrer Zeiten: bleib du uns treu und gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand,
damit wir sicher schreiten."
So stehen wir an der Schwelle in das Jahr 2019. Wir hoffen, dass es ein Jahr wird, das uns gutgesonnen ist. Wir wünschen uns, dass wir – was immer auch geschieht - fest im Glauben bleiben - und sagen können:
"Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit und am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."
Unser Erleben
Die Vergänglichkeit wird offenkundig, wenn wir auf das heute Abend zu Ende gehende Jahr zurückschauen. Der Eine wird sagen: „Was, schon wieder ein Jahr vorbei.“ Die Andere wird denken: „Ein Glück, dass dieses Jahr vorüber ist.“ Natürlich kommt es darauf an, was wir im heute Abend endenden Jahr erlebt haben. Dementsprechend werden wir 2018 als ein Jahr empfinden, dessen Tage schnell oder langsam vergangen sind.
Jeder von uns hat sein persönliches Jahr 2018 erlebt. Mit all seinen Erlebnissen, Begegnungen und besonderen Ereignissen, die wir erinnern. Es ist interessant zu überlegen, welche Bilder des zu Ende gehenden Jahres 2018 in unserem Gedächtnis haften geblieben sind! Natürlich werden wir nicht den ganzen Film des Jahres vor unserem geistigen Auge ablaufen sehen. Nur besondere Momente bleiben uns in Erinnerung.
In der Regel sind es Ereignisse, die besonders emotional für uns gewesen sind. Diese gravieren sich tief in unser Gedächtnis ein: Ein runder Geburtstag, den wir in der Familie gefeiert haben. Ein überraschendes Glück, das uns widerfahren ist. Ein Problem, das unsere Gedanken länger gefangen hielt. Eine Erkrankung, die uns erschüttert und mitgenommen hat. Ein Abschied. Eine ungeahnte Wendung in unserem Leben.
Bedrohliche Dinge, die vor uns liegen oder belastende Ereignisse, in denen wir mittendrin stecken, sehen wir übergroß. Daneben wird alles Positive ganz klein. Diese übergroße Aufmerksamkeit ist so eine Art Schutzfunktion. Liegen Bedrohung und Belastung aber hinter uns und rücken in weite Ferne, schrumpfen sie zunehmend. In unserer Erinnerung erscheinen sie dann schöngefärbt und harmloser als sie damals für uns waren.
So gibt es für das zu Ende gehende Jahr kein Pauschalurteil. Wer genauer hinschaut, wird am Ende nicht sagen: Es war gut, es war schlecht. Es mag beides gegeben haben. Das Erfreuliche und das Schwierige. Aber letzten Endes kommt es auf jeden selbst an, wie er die Ereignisse gewichtet. Unsere Bewertung ist das Entscheidende. Wer einen positiven Blick hat, wird auch den negativen Dingen etwas Gutes abgewinnen können.
Eine Nachricht hat mich 2018 aufhorchen lassen. Eine Britin ist auf einem Kreuzfahrtschiff über Bord gegangen. Zehn Stunden lang trieb sie im Wasser der Adria. Die 46-Jährige wurde 95 km vor der kroatischen Küste gefunden und gerettet. Wie war das möglich: Glück, ja. Psychische Stärke, unbedingt. Überlebenswille, auf jeden Fall. Gute Gedanken: unerlässlich. Hoffnung auf Rettung: mit Sicherheit. All dies wünschen wir uns für 2019.
Unser Vertrauen
Wer das gesellschaftliche und politische Leben in den letzten Monaten ein wenig verfolgt hat, wird vielleicht ein ungutes Gefühl gewonnen haben. Der nationale Egoismus ist in Europa gewachsen. Der Ton gegenüber anderen und Andersdenkenden ist rauer geworden. Ängste werden geschürt. Feindbilder aufgebaut. Flüchtlinge als Schuldige ausgemacht. Kooperation, die uns weiterbringen würde, wird verweigert.
Dabei wissen wir alle, dass Kooperation genau das ist, was wir brauchen, um voran zu kommen. Zusammenarbeit brauchen wir, um die drohende Klimakatastrophe abzuwenden. Gemeinsame Anstrengungen sind nötig, um das Plastikproblem in den Griff zu bekommen. Das Miteinander in Medizin und Technik ist wesentlich für unseren Fortbestand auf Erden. Flüchtlingsprobleme sind weltweit nur im friedlichen Zusammenspiel zu lösen.
Das alles gelingt uns nicht, wenn Angst geschürt wird. Angst raubt uns die Vernunft. Angst macht kopflos. Angst treibt in die Hände von Despoten und Tyrannen. Und Angst hetzt gegeneinander auf. Nicht vornehmlich Hass, wie man denken könnte, sondern vor allem Angst macht gegenüber anderen Menschen gewalt- und vernichtungsbereit. Darum ist Angst immer ein schlechter Ratgeber und taugt nicht, die Welt zu retten.
Wir brauchen einen klaren Kopf, um die Probleme, die wir auf dieser Welt zur Genüge haben, angehen zu können. Nur mit Verstand und Augenmaß, mit Ruhe und Weitsicht werden wir sinnvolle Kompromisse herbeiführen, tragfähige Lösungen ermöglichen, gangbare Wege eröffnen. Wir alle können dazu beitragen, indem wir besonnen bleiben. Indem wir einander mit Respekt begegnen. Indem wir uns tolerant verhalten.
Um miteinander auszukommen, um zusammenzuarbeiten, um gegenseitig voneinander zu lernen, ist Vertrauen notwendig. Das ist auf der Weltbühne wie im Privaten grundlegend. Einer Partnerschaft gelingt nur im gegenseitigen Vertrauen. Kinder brauchen das Vertrauen ihrer Eltern. Ein Patient muss seinem Arzt vertrauen können. Wo mir vertraut wird, kann ich über mich hinauswachsen. Vertrauen ermöglicht Miteinander.
Eines müssen wir immer wieder feststellen: Es bleibt nicht alles so, wie es ist oder war. Weil sich ständig irgendetwas verändert, müssen wir uns auf Veränderungen einlassen. Aber das fällt uns schwer. Viel lieber hängen wir am Alten, viel lieber wollen wir, dass die guten alten Zeiten bleiben. Doch die neuen Zeiten verlangen neue Handlungsmuster von uns. Die Brücke vom Alten zum Neuen, über alle Untiefen und Ängste hinweg, ist unser Vertrauen.
Unsere Hoffnung
Was gibt uns Hoffnung für das kommende Jahr? „Merke auf mich, mein Volk, hört mich, meine Leute! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen.“ Auf Gott vertrauen, ist ein gangbarer Weg. Es ist gewiss keine Versicherung. Denn auf Gott vertrauen, schließt das Risiko nicht aus. Aber mit diesem Vertrauen gewinne ich Mut und vertreibe die Angst.
Die meisten unter uns kennen das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten. Die Geschichte von Hahn und Katze, von Hund und Esel. Ich musste als Erstklässler einmal diese vier Tiere übereinander malen und bin fast daran verzweifelt. Die Vier sollen eigentlich von ihren Besitzern getötet werden, weil sie nutzlos geworden sind. Doch die Vier entkommen und machen sich auf den Weg nach Bremen, um dort als Stadtmusikanten aufzutreten.
Auf ihrem Weg dorthin übernachten sie im Wald. Sie entdecken dort ein Räuberhaus, erschrecken die Räuber, vertreiben sie mit lautem „Gesang“ und übernehmen das Haus als Nachtlager. Ein Räuber, der später in der Nacht erkundet, ob das Haus wieder betreten werden kann, wird von den Tieren nochmals und damit endgültig verjagt. Den Bremer Stadtmusikanten gefällt das Haus so gut, dass sie dort bleiben wollen.
„Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, sprach der Esel zum Hahn. Plötzlich öffnen sich ganz neue Perspektiven. Mit dieser Einstellung können die Ängstlichen einen Aufbruch wagen. In diesem Gedanken können die Räuber, oder sagen wir, unsere inneren Dämonen, die uns die Lebensfreude rauben, vertrieben werden. Mit dieser Haltung erleben wir Befreiung aus unserer Lähmung und geraten wieder in Bewegung.
Noch einmal gesagt: Es kommt nicht auf die Ereignisse an, ob sie gut oder schwierig sind. Es kommt immer darauf an, wie wir sie bewerten. Wir haben die innere Freiheit, auch in schwierigen Lebensphasen „das Bessere“ zu sehen. Wir haben die innere Freiheit, unsere Ängste in Vertrauen zu wandeln. Wir haben die innere Freiheit, aufzubrechen aus Lähmung und etwas in uns und um uns herum zu bewegen.
„Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde!“ Bei aller Vergänglichkeit wird Gottes Heil und Gerechtigkeit ewig bleiben. Das ist unsere feste Hoffnung in aller Ungewissheit. Wir können gen Himmel schauen und das Wunderbare sehen. Wir können die Erde betrachten und das Mögliche tun. In dieser Hoffnung gehen wir im Vertrauen auf Gott Schritt für Schritt in das neue Jahr hinein.
Nach einer -meines Erachtens- zutreffenden kritischen Einführung zur Textauswahl und mit sehr intensiven Gebetsvorschlägen beginnt Pfarrer Klein seine Predigt zum Jahresschluss mit dem Thema Vergänglichkeit. Gemischte Gefühle erinnern uns an das gemischte Jahr 2018. Die Nachricht von der sehr tapferen Schiffbrüchigen leitet über zum Hauptthema Tapferkeit und Vertrauen. Das brauchen wir, weil gerade der natioonale Egoismus in Europa angewachsen ist. Wir brauchen vertauensvolle Zusammenarbeit bei der Klimakatastroiphe, dem Flüchtlingsproblem und der verheerenden Ausbreitung von unserem Plastikmüll. Wir brauchen viel Vertrauen beim Übergang ins neue Jahr. Das ist die Brücke zwiachen Altem und Neuen. Hoffnung gewinnen wir hauptsächtlich durch unser Gottvertrauen. Damit gewinnen wir Mut und vertreiben Angst. Das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten bekräftigt das und es erhält die Aufmerksamkeit derPredigthörer.
Mit der Bekräftigung des Vertrauens kann der Hörer hoffnungsfroh ins neue Jahr gehen. Auch ich bin dankbar für diese Predigt.
Lieber Bruder Klein,
danke für deine tolle Predigt.
Eine saubere, ausgezeichnet Predigt. Und ja, wie recht hat doch der Kollege Klein:
“Wenn Gott im 21. Jahrhundert so unverständlich bleibt, dann darf man sich über leere Kirchen nicht wundern.”
Und ich möchte ergänzen, welch Schildbürgerstreich ausgerechtnet im Reformationsjahr 2017 eine noch altertümelndere Übersetzung der Lutherbibel herauszugeben, als es die 84er Ausgabe war. Das ist das typische Beispiel, wie man die Asche aber nicht die Seele einer Tradition weitergibt, furchtbar!!! Leute die den Kontakt zu den Menschen von der Straße offensichtlich völlig verloren haben.
Sorry, das mußte mal sein.
Diese Predigt atmet Zuversicht, trifft die Seele und ich danke dafür!
Liebe Grüße Pfr. R. E. Bogdan, Schloß Holte-Stukenbrock