…in Seelen sehr erfahren

Ach, was waren das noch Zeiten... - Eine Reimpredigt

Predigttext: Markus 8 31-38
Kirche / Ort: Fahrnau und Häuser i. W.
Datum: 27.02.2022
Kirchenjahr: Estomihi
Autor/in: Pfarrerin Ulrike Krumm

Predigttext: Markus 8.31-38 (0bersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

31 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben behalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's behalten.
36 Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?
37 Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
38 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.

Exegetische und homiletische Einführung

In dieser verkehrten Welt entstand meine Predigt, als Russland in die Ukraine einmarschierte. Die einen feiern Fastnacht, die anderen werden von Bomben getroffen. Ich halte eine Fastnachtspredigt, aber in der Liturgie bitte ich um Frieden.

Im Predigttext steht V. 36 für mich im Zentrum. An seiner Seele Schaden nehmen bedeutet wörtlich ganz ökonomisch gedacht, an seiner Seele einen Verlust zu erleiden. Man kann nicht das eine (die Welt) gewinnen, ohne am anderen (der Seele) zu verlieren. Man kann nicht meinen, beides besitzen zu können – das will Jesus sagen. Wenn aber die Seele einmal Schaden genommen hat, haben wir uns selbst schon alle Möglichkeiten genommen, diesen Schaden zu heilen.
„Dirk“ ist der Vorname unseres Bürgermeisters, „Häs“ die alemannische Fastnachtstracht.

 

 

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(Lesung des Predigttextes)

Liebe Närinnen und Narren, liebe Gemeinde,

ach, was waren das noch Zeiten – als man hier in unsren Breiten

die beliebte und gewohnte – Fastnacht richtig feiern konnte.

Ohne Sorge vor den Viren – sah man in den Stadtquartieren

einen Narren nach dem andern – munter durch die Straßen wandern.

Ob die Großen, ob die Kleinen – alle Welt war auf den Beinen.

Hier erklang ein frohes Singen – dort hörte man Glöckchen klingen

und dazwischen wunderschöne – lautstarke Fanfarentöne.

Keiner sagte mehr Hallo – alles rief: Narri Narro.

Doch die wunderschönen Tage – wichen der Corona-Plage

Schon zwei Jahre ist es so! – Keiner wird mehr richtig froh,

überall wird es beklagt – Fastnacht? Wieder abgesagt.

Und es rollt so manche Träne – in der Fastnachts-Quarantäne.

Unser guter König Dirk – in dem Rathaus-Sperrbezirk

muss deswegen sehr viel leiden – ja, er ist nicht zu beneiden.

Doch er ruft mit ganzer Kraft – hört, mein Volk! Bald ist’s geschafft!

Haltet noch ein wenig aus – feiert Fastnacht brav zuhaus’.

Nehmt noch Rücksicht auf die andern – dass die Viren ja nicht wandern,

achtet die Corona-Schranken – denkt vor allem an die Kranken

dann wird schon im nächsten Jahr – alles so, wie es mal war.

Wir, als treue Untertanen – konnten es ja auch schon ahnen,

und wir bleiben, einerlei – unsrer Fastnacht trotzdem treu.

Manche wollten zwar verwegen – Fastnacht in den Sommer legen,

doch vor solchen schlechten Witzen – sollten wir uns lieber schützen.

Denn die Alemannen-Tracht – passt nicht, wenn die Sonne lacht.

In dem Häs wird es schnell heiß – das passt mehr zu Schnee und Eis.

Gut. So sei’s. Trotz alledem – ist es nicht sehr angenehm

Auf geliebte Fastnachts-Pflichten – deshalb gänzlich zu verzichten.

Gar nichts tun ist auch nicht schön – das wird jeder leicht versteh’n.

Und auf einmal über Nacht – ist die Fastnacht doch erwacht.

Fähnchen wurden höchst galant – in den Straßen ausgespannt,

denn die vielen bunten Farben – heilen die Corona-Narben.

Jeder lächelt, wenn er’s sieht – und bemerkt den Unterschied.

Mitglieder aus den Vereinen – sind schon länger auf den Beinen

Auf dem Markt und überall – rufen sie mit frohem Schall:

Helft die Fastnacht noch zu retten – und besorgt euch die Plaketten!

Auch das Häs bleibt nicht im Schrank – außer man ist richtig krank.

Muss man noch die Nähe meiden – macht’s doch Spaß, sich zu verkleiden!

Trotz Corona gilt auch heute – Fastnachtskleider machen Leute!

Nun wird jeder von euch wissen – dabei darf man nichts vermissen!

Ob die Schuhe, Taschen, Röcke – Schminke auch an jeder Ecke

jede kleinste Kleinigkeit – ist von hoher Wichtigkeit.

Kein Detail wird ausgelassen – alles muss zusammenpassen.

Sitzt das Häs nicht ganz korrekt – bist du ganz schnell angeeckt.

Ja, in unserer Region – pflegt man noch die Tradition.

Vor ihr woll’n wir uns verneigen – und sie auf den Straßen zeigen,

denn damit ihr’s auch versteht: – das nennt man Identität.

Diese sollte uns nicht fehlen – denn sonst leiden unsre Seelen.

Für die Seele recht zu sorgen – nicht nur heute, auch noch morgen,

um ihr Heil sich gut zu kümmern – ihre Not nicht zu verschlimmern

ihre Schönheit zu erhalten – ihren Reichtum zu entfalten:

Einen gibt’s, der das gut kann – Jesus Christus heißt der Mann!

Der, obwohl noch jung an Jahren – war in Seelen sehr erfahren,

kannte alle ihre Tücken – konnt’ in ihre Tiefen blicken

sah die Angst, die sie beschleicht – wenn die eigne Kraft nicht reicht

sah die Wünsche, sah den Schmerz – all das rührte sehr sein Herz.

Denn sein Herz war voller Milde – Böses führt’ er nie im Schilde

und vor allem wusste er – Menschsein, das ist ganz schön schwer!

Zwar war er aus Gottes Hand – aus dem Himmelreich entsandt

Doch hier unten auf der Erden – wollte er ein Mensch nur werden

wollte nicht den Helden spielen – sondern teilen, was wir fühlen.

Doch war dies, das ahnt ihr schon – nicht das Ende der Mission.

Gott wollte durch ihn noch mehr – und genau das war sehr schwer:

Jesus sollte es gelingen – uns zum Frieden hin zu bringen,

einen Frieden ohne Waffen – ja, den sollte Jesus schaffen.

Gelten sollte der genau – jedem Mann und jeder Frau.

Nun war schon zu Jesu Zeit – Friede eine Seltenheit.

Voller Stolz auf ihre Taten – patrouillierten die Soldaten,

die in riesengroßen Scharen – einst aus Rom gekommen waren

fast an jedem Haus entlang – und den Menschen war sehr bang.

Keiner sah mehr richtig klar – wem denn noch zu trauen war,

Jeder ließ den andern spüren: – ich will nicht noch mehr verlieren!

Ich muss nach dem Meinen trachten – und kann dich nicht mehr beachten,

denn das Ziel, nach dem ich strebe – ist, dass ich hier überlebe.

Ja, die eigne Sicherheit – war von höchster Wichtigkeit

und die meisten aller Seelen – ließen es an Liebe fehlen.

Jesus hatte sich beim Gehen – dieses alles angesehen.

Erst blieb er noch unerkannt – fern im Galiläer-Land

Aber dann hat er entschieden – aufzubrechen Richtung Süden

auch wenn dort, das sah er klar – alles voller Römer war

denn selbst wenn all sein Erbarmen – galt den Kleinen und den Armen,

sollte auch die Macht der Reichen – seinem Himmelsfrieden weichen.

Jesus wusste dabei gut – was er brauchte, das war Mut,

war doch seine Art von Frieden – so, dass ihn die Reichen mieden,

denn er störte ihre Kreise – auf ganz ungeheure Weise.

So sprach er zu den Gefährten – die ihn wirklich sehr verehrten

wie er schon im Voraus wisse – dass er bald sehr leiden müsse.

Sterben muss ich, sprach er leise – dann am Ende meiner Reise.

Halt, rief Petrus, sehr ergrimmt – halt, ich will nicht, dass das stimmt!

Ich will weiter mit dir gehen – weiter deine Wunder sehen.

Nein, ich will nicht, dass du stirbst – und in Feindeshand verdirbst.

Jesus, lass, ich bitte dich – deine Freunde nicht im Stich!

Dies traf Jesus wirklich schwer – denn tief innen spürte er,

dass, was Petrus da bewegte – sich auch in ihm selber regte,

denn er liebte ja das Leben – das sein Vater ihm gegeben,

nur sah er genauso klar – dass sein Opfer nötig war.

Und er fühlte sich bedroht – von sehr großer Seelen-Not.

Petrus, rief er, merkst du nicht – dass in dir der Satan spricht?

Kaum sieht der, was uns bedrängt – hat er uns schon eingezwängt,

lässt die Selbsterhaltungstriebe – siegen über Nächstenliebe,

stört mit seiner Teufelskraft – das, was wahren Frieden schafft.

Petrus schwieg voll Angst und Trauer – Jesus sprach jetzt noch genauer

sprach zu allen, die ihn hörten – nicht mehr nur zu den Gefährten:

Hört! Ihr könnt euch jetzt entscheiden – wollt ihr mit mir gehen ins Leiden

oder ist euch das zu schwer? – hört, ich sage euch noch mehr:

Achtet gut auf eure Seele – von der ich euch jetzt erzähle.

Eure Seele ist sehr zart – denn sie ist von Gottes Art,

Wie ein leichter Flügelschlag – trägt sie euch durch jeden Tag.

Doch ist auch die Seele nur – ein Stück Erden-Kreatur

und ihr Platz in euch ist klein – kann auch gar nicht größer sein.

Wenn ihr nun zu jeder Zeit – seid bedacht auf Sicherheit

und beständig danach giert – dass ihr möglichst nichts verliert

wenn ihr euch umgebt mit Sachen – die euch froh und sorglos machen

wenn ihr alles toleriert – Unrecht nicht mehr kritisiert

wenn die Angst vor Niederlagen – euch dran hindert, nachzufragen,

ja, wenn ihr so seid gesinnt – dass ihr möglichst viel gewinnt,

dann wird bald, ihr merkt es kaum –  winzig klein der Seelen-Raum,

und auch wenn ihr es probiert – ihr die Seele nicht mehr spürt.

Jetzt wird euch auf einmal klar, dass das ziemlich töricht war.

Ihr habt zwar die Welt gewonnen – doch die Seele ist entkommen.

Sprecht ihr nun: Ich will schnell laufen – meine Seele wieder kaufen,

dann wird euch das nicht gelingen – denn im Gegensatz zu Dingen

kann man Seelen nicht erwerben – man kann sie nur von Gott erben.

Ja, auf dieser ganzen Welt – gibt es schlicht kein Seelen-Geld.

Nun fragt ihr euch sicher schon – was soll dieser harte Ton

heut am Fastnachtswochenende? – Ja, das sag ich euch behände:

Sprach ich doch am Anfang schon – von der Fastnachtstradition.

Da ist bei der Faschingstracht – höchste Sorgfalt angebracht.

Keine Kleinigkeit darf fehlen – ebenso ist es mit Seelen!

Jedes Ding braucht seinen Ort – sonst ist alle Schönheit fort.

Haben und vermissen müssen – Weiter gehn im Ungewissen,

Recht verlieren, Recht behalten – träumen und die Welt gestalten,

Stärke und auch Schwäche zeigen – sich dem Schicksal manchmal beugen,

andre Menschen tolerieren – aber sich nicht selbst verlieren,

fröhlich sein und weinen können – recht und schlecht beim Namen nennen

Alles das gehört zum Leben – so wie Gott es uns gegeben.

Wenn das eine dominiert – Ihr das andre schnell verliert.

Geht die Seele euch verloren – ist das Unheil schon geboren

denn mit all den teuren Sachen – könnt ihr keinen Frieden machen.

Jesu Worte darum wissen – dass sie manchmal stören müssen.

Seine göttlichen Gedanken – bringen Sicherheit ins Wanken,

denn sie fordern, zu vertrauen – ganz allein auf Gott zu bauen.

Doch sie brauchen Seelen-Raum – sonst sind sie nur ferner Traum.

Wer nur meidet Angst und Pein – mauert seine Seele ein.

Gegen zu viel Festigkeit – lasst der Seele Offenheit.

sie ist stark und zart zugleich – denn sie stammt aus Gottes Reich!

Sie hat Angst, sie weiß zu klagen – doch sie kann auch Schweres tragen

denn sie ist mit Gott verbunden – und kann darum schnell gesunden.

Ungewissheit und auch Leid – ist ein Teil vom Menschen-Kleid.

Trotzdem wird uns Gott behüten – mögen auch die Ängste wüten.

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Ein Kommentar zu “…in Seelen sehr erfahren

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Eine ungewöhnlich originelle Predigt in Reimen formuliert. Sicher freuen sich gerade routinierte Predigthörer über diese Formulierungen. Auch der nötige Tiefsinn fehlt nicht. Auch eine ethische Ermahnung zum Schluss fehlt nicht. Eine schöne Abwechslung im Predigtjahr !

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