Predigt

"Irgend jemand muss es doch machen"

Bereit sein, Verantwortung zu übernehmen

Predigttext1. Petrus 5,1-5
Kirche / Ort:Matthäusgemeinde / Offenburg
Datum:22.04.2012
Kirchenjahr:Miserikordias Domini (2. Sonntag nach Ostern)
Autor:Dekanin Jutta Wellhöner

Predigttext: 1. Petrus 5,1-5 (Uebersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbar werden soll: Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

Desgleichen, ihr Jüngeren, ordnet euch den Ältesten unter. Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.

Exegetisches zum Predigttext (I.) und homiletische Zugänge (II.)

I. Unter dem Pseudonym des Apostels Petrus wendet sich ein anonymer Presbyter an seine Mit-Ältesten und bittet sie, die Gemeinden vorbildlich zu leiten und ihr Pastorenamt nicht als Herrschaft, sondern als Dienst zu verstehen. Dies ist besonders wichtig, weil die jungen Christengemeinden sich in heidnischem Umfeld behaupten müssen und mancherlei Anfeindungen ausgesetzt sind.

V 1: Wer verbirgt sich hinter dem „Ich“ in V 1? Wenn die Fiktion der petrinischen Verfasserschaft aufrecht erhalten bleiben soll, dann ist für den Vf. der Apostel als Zeuge der Passion und Teilhaber der Herrlichkeit ein Mit-Ältester. In welchem Verhältnis haben für ihn das Apostel- und das Presbyter-Amt gestanden? Denkbar ist auch, dass der Vf. hier die literarische Fiktion aufgibt und als der schreibt, der er tatsächlich ist: ein Gemeindeleiter und Ältester. Was bedeutet es, Zeuge des Leidens Christi zu sein? Ist damit eine tatsächliche Augenzeugenschaft gemeint (in letzter Konsequenz gilt das ja für Petrus nicht, denn er war bei der Kreuzigung nicht dabei)? Oder geht es eher um eine Teilhabe an diesem Leiden Christi durch eigenes Leiden, z. B. in einer Verfolgungssituation (4,13)? Was ist dann mit der Teilhabe an der künftigen Herrlichkeit gemeint: Die Erscheinung des Auferstandenen (vgl. Act 1,21f: Erscheinung des Auferstanden ist Voraussetzung für das Apostelamt) oder die Taufe im Sinne von Röm 6,5 oder ein Hinweis auf die Teilhabe bei der Verklärung (Mt 17,6)?

V 2: Die Aufgabe der Ältesten ist es jedenfalls, die Gemeinden so zu leiten, wie Hirten ihre Herden weiden. Der Vf. nimmt hier ein in der Bibel und im ganzen Orient weitverbreitetes Idealbild von Leitungsverantwortung auf. Der Hirte muss vollen Einsatz für seine Herde bringen – der gute Hirte gibt sogar sein Leben für die Schafe (Joh 10,11). Die Anweisungen selbst sind in einer dreifachen Antithese formuliert. Die Presbyter sollen ihr Amt freiwillig und nicht gezwungen ausüben, nicht gewinnsüchtig, sondern eifrig – die Profitgier im kirchlichen Amt scheint ein Thema gewesen sein, kommt es doch immer wieder in frühchristlichen Kirchenordnungen vor, z. B. 1 Tim 3, 3.8, Tit 1,7.

V 3 Vor allem aber soll das Amt keine Herrschaft, sondern Dienst sein (Barmen IV!!). Die Vorgesetzten in einer Gemeinde (kleros/Erbteil) sind also keine Herrscher, sondern Diener, es gibt wohl eine Hierarchie, aber die ist im Wesentlichen diakonisch orientiert. Durch dieses Verhalten werden die Ältesten zu Vorbildern, und auch „Petrus“ erteilt seine pastorale Paränese nicht von oben herab, sondern vorbildlich-partizipativ.

V 4: Eine große Verheißung liegt auf so einem Führungsstil: In Gottes Ewigkeit wird dieser Einsatz vergolten. Oberster Maßstab bleibt auf jeden Fall Christus selbst, der „Oberhirte“!

V 5: „Petrus“ wendet sich abschließend auch an die, die den Ältesten anbefohlen sind und bittet die Jüngeren, sich den Ältesten unterzuordnen. Das erinnert an das Schema der Haustafeln, mit denen „Petrus“ zu einem friedlichen, respektvollen Miteinander ermutigen will.

II. Ich möchte mich dem Predigttext über das Thema „Verantwortung“ nähern. Dabei denke ich an die vielen Menschen, die Verantwortung haben oder sie übernehmen müssen – für Kinder und alte Eltern, im Beruf sowieso, auch für private und öffentliche Ämter werden sie immer wieder angefragt. Manch einer spürt dabei auch die Last der Verantwortung: Bin ich dieser Aufgabe überhaupt gewachsen, kann ich das, bin ich gut genug? Reichen Zeit und Kraft? Vielleicht scheut sich auch deswegen so mancher, Verantwortung zu übernehmen und klar zu sagen, wo es langgeht. „Hirten“ machen sich schließlich angreifbar und manchmal auch unbeliebt. Ich denke daran, wie „die da oben“ oftmals kritisch beäugt werden, denke an die weitverbreitete Politikverdrossenheit einerseits und andererseits an die vielen Rücktritte der vergangenen Monate. Es wird immer schwieriger, Menschen für Führungsaufgaben zu gewinnen, so habe ich in einem Wirtschaftsteil gelesen. Hirte sein, wenn die Herde bockig ist und sowieso macht, was sie will – wer will sich das schon antun?

Literatur: Norbert Brox, Der erste Petrusbrief, EKK XXI.

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