Predigt

Kein Zurück mehr?

Sich auf eigene Füße stellen, Verantwortung übernehmen

PredigttextEzechiel 18,1-4.21-24.30-32
Kirche / Ort:Dortmund
Datum:06.07.2014
Kirchenjahr:3. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrer Gerrit Funke

Predigttext: Ezechiel 18,1-4.21-24.30-32 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Und des HERRN Wort geschah zu mir: Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«? So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR:Dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben. Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht und lebt nach allen Gräueln, die der Gottlose tut, sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan hat, soll er sterben. Und doch sagt ihr:»Der Herr handelt nicht recht. « So höret nun, ihr vom Hause Israel:Handle denn ich unrecht? Ist's nicht vielmehr so, dass ihr unrecht handelt? Denn wenn der Gerechte sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht, so muss er sterben; um seines Unrechts willen, das er getan hat, muss er sterben. Wenn sich dagegen der Ungerechte abkehrt von seiner Ungerechtigkeit, die er getan hat, und übt nun Recht und Gerechtigkeit, der wird sein Leben erhalten. Denn weil er es gesehen und sich bekehrt hat von allen seinen Übertretungen, die er begangen hat, so soll er leben und nicht sterben. Und doch sprechen die vom Hause Israel:»Der Herr handelt nicht recht. « Sollte ich unrecht handeln, Haus Israel? Ist es nicht vielmehr so, dass ihr unrecht handelt? Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach seinem Weg, spricht Gott der HERR. Kehrt um und kehrt euch ab von allen euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt. Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel? Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben.

Übersetzung Elberfelder Bibel

Und das Wort des Herrn geschah zu mir so: Was habt ihr, dass ihr dieses Sprichwort im Land Israel gebraucht und sprecht: Die Väter essen unreife Trauben, und die Zähne der Söhne werden stumpf? So wahr ich lebe, spricht der Herr, Herr, wenn ihr diesen Spruch in Israel noch gebraucht! Siehe, alle Seelen gehören mir, wie die Seele des Vaters, so auch die Seele des Sohnes. Sie gehören mir. Die Seele, die sündigt, sie (allein) soll sterben… Wenn aber der Gottlose umkehrt von all seinen Sünden, die er getan hat, und alle meine Ordnungen bewahrt und Recht und Gerechtigkeit übt: leben soll er und nicht sterben. All seine Vergehen, die er begangen hat, sollen ihm nicht angerechnet werden; um seiner Gerechtigkeit willen, die er geübt hat, soll er leben. Sollte ich wirklich Gefallen haben am Tod des Gottlosen, spricht der Herr, Herr, nicht (vielmehr) daran, dass er von seinen Wegen umkehrt und lebt? Wenn aber ein Gerechter von seiner Gerechtigkeit umkehrt und Unrecht tut nach all den Gräueln, die der Gottlose verübt hat – tut er es, sollte er leben? -: An all seine gerechten Taten, die er getan hat, soll nicht gedacht werden. Wegen seiner Untreue, die er begangen, und wegen seiner Sünde, die er getan hat, ihretwegen soll er sterben… Darum werde ich euch richten, Haus Israel, jeden nach seinen Wegen, spricht der Herr. Kehrt um und wendet euch ab von allen euren Vergehen, dass es euch nicht ein Anstoß zur Schuld wird. Werft von euch alle eure Vergehen, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Ja, wozu wollt ihr sterben, Haus Israel? Denn ich habe kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss, spricht der Herr, Herr. So kehrt um, damit ihr lebt.

Exegetische Skizze

Der Predigttext ist ein Ausschnitt aus dem 18. Kapitel des Prophetenbuches. Man tut gut daran, den Kontext aufmerksam zu betrachten. Dann wird klarer, was der Prophet vor Augen hat, wenn er von „Gottlosen“ spricht und davon, wie sich der Tod gerne an die Fersen ihres Handelns heftet. Es geht um Verhältnisse „zwischen Mensch und Mensch“ (V. 8; hebr. „zwischen Mann und Mann“), die in Betrug, Unrecht und Ausnutzung der Schwäche Anderer bestehen. Sie tragen ein hohes Potenzial von Gewaltbereitschaft bis hin zu Blutvergießen in sich. Denn in ihnen bilden sich eigendynamische Strudel, aus denen es von einem bestimmten Punkt ab kein Zurück mehr gibt. So verstehe ich den Appell zur „Umkehr“, der den Text durchzieht: als Appell zu einem Zurück aus solchen Verhältnissen, bevor dessen fatale Strudel uns ganz erfasst haben.

Dazu passt, dass Ezechiel eine verhärmte Klage aufnimmt. Sie beklagt den Verlust der Möglichkeit, sein Leben eigenverantwortlich gestalten zu können. Ihr stellt der Prophet eine wechselseitige Verantwortung, die wir füreinander übernehmen als unsere gemeinsame Eigenverantwortung entgegen. In ihr bewährt sich die lebensschaffende Verheißung Gottes. Denn: dass Menschen, die wie am Boden zerstört darniederliegen, aufgerichtet werden und durch Gottes Geist – Gottes Lebensatem – auf eigenen Füßen zu stehen kommen, ist ein Thema, welches das prophetische Buch Ezechiels durchzieht (vgl. 2,1+2; 3, 24; 37,10). Getragen wird also der Appell zur Umkehr, wie er in Ez 18 laut wird, letztlich von der Verheißung, wie sie Ez 37 besonders anschaulich gemacht wird: Gottes lebensschaffender Atem, sein Geist, vermag auch dort Leben zu schaffen, wo das Feld bereits ganz vom Tod beherrscht war.

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Heinz Janssen
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