Predigt

Kirche und Israel - „Das Heil kommt von den Juden“

Der Wahrheit auf der Spur bleiben

PredigttextJohannes 4, (4-18)19-26
Kirche / Ort:Pauluskirche / 76275 Ettlingen / Ev. Landeskirche in Baden
Datum:04.08.2013
Kirchenjahr:10. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Predigttext: Johannes 4, (1)(4-18)19-26 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Als nun Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen war, dass er mehr zu Jüngern machte und taufte als Johannes 2 -obwohl Jesus nicht selber taufte, sondern seine Jünger -, 3 verließ er Judäa und ging wieder nach Galiläa. 4 Er musste aber durch Samarien reisen. Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. 7 Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! 8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. 9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. - 10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser. 11 Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? 12 Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. 13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; 14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. 15 Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! 16 Jesus spricht zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her! 17 Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann. 18 Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt. 19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. 20 Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. 21 Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. 23 Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. 24 a Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. 25 Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. 26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.

Homiletische und exegetische Überlegungen

Im Liturgischen Kalender der Badischen Gesangbücher (EG Baden, Elsaß und Lothringen 891) ist die bearbeitete Perikope nicht aufgeführt. Die Texte dort sehen implizit vor allem den Bezug zum 9. Av – dem Gedenktag der Tempelzerstörung – als Gestaltung des Israelsonntags vor, was dann entsprechend bearbeitet werden muss, nämlich in solidarischer Trauer und Hoffnung. Johannes 4 hat sich aber über die verschiedenen schon bisher erfolgten Revisionen durchgesetzt als ein Text, an dem sich das Verhältnis von Kirche und Israel („Israel“ in seinem umfassendsten Sinne) in einem Spitzensatz zusammengefasst ist: Das Heil, die Erlösung, die Freiheit kommt von den Juden! Die homiletische Situation (Sommerloch, kleine Gottesdienstgemeinde, da und dort Konfirmandinnen und Konfirmanden, die nicht unbedingt gottesdienstgewohnt sind) bringt eine große Spannung mit sich, die auch einen persönlichen und kritischen Umgang mit der vorliegenden Predigt nötig macht und je nach örtlicher Situation zu Kürzungen, lokalen Bezügen, eben eigenem Umgang führen wird.

Hinter dem biblischen Abschnitt stehen unterschiedlichen Erfahrungen. Erfahrungen der johanneischen Gemeinde in der Auseinandersetzung mit dem Judentum, die Differenz erlebt und betont und zugleich an Verbindendem festhält; Erfahrungen mit jüdisch-samaritanischen Ver- und Begegnungen; mit Auseinandersetzungen und politischer Verzweckung socher Auseinandersetzung, Erfahrungen mit der Schrift und mit der Verkündigung des Auferstandenen, am Ende existentielle Glaubenserfahrung. Dass bei aller Distanz und Fremdheit durchaus Begegnungen von jüdischen und samaritanischen Menschen im 1. Jahrhundert zu denken ist, zeigt auch das Gleichnis vom „Barmherzigen Samariter“. Das Gleichnis in seinem hohen Bekanntheitsgrad und die Institution „Arbeiter-Samariter-Bund“ haben dazu geführt, dass für viele Menschen „Samariter“ eine Art Synonym für einen hilfreichen Menschen ist. Wenigen ist präsent, dass es bis heute die kleine Gruppe der Samaritaner in Israel und den palästinensichen Gebieten gibt, die ihre Religion und Ethnizität bewahrt hat.

Der Evangelist mag für seine Gemeinde in der Begegnung Jesu mit der Samariterin die Not von Nähe und Distanz tröstlich und prototypisch für die Gemeinde durchgespielt haben. Ebenso die reale Erlösungsbedürftigkeit, insbesondere wenn man die „Männer“ der Frau auf der Spur von Friedrich-Wilhelm Marquardt versteht als Personifikation der Siedlungspolitik der Assyrer, die den jüdischen Charakter der Bevölkerung im alten Nordstaat Israel auflösen (S. 8) bzw. nach Matthias Loerbroks als allegorischen Verweis auf den prophetischen Vorwurf der Treulosigkeit Israels (S.19). Zugleich kann man die ganze Geschichte als eine Variante der Ich-Bin-Worte des Johannesevangeliums lesen. Jesus selbst ist der Messias, er ist auch das Heil, also die Befreiung und die Erlösung, welche aus Israel kommt und jenseits von Israel die Menschen bekannt machen mit dem ihnen unbekannten Gott und Vater.

Die Zustimmung dazu, dass aus den Juden in Jesus uns Heil, also Befreiung, Erlösung, Freiheit zukommt, wird zugleich für die liturgische Gestaltung von Dank-, Buß- und Fürbittgebet Anleitung geben. Anleitung für das Eingeständnis, worin wir gefangen sind, unerlöst, was uns ohne solche Befreiung drohen könnte, wenn wir uns nicht auf der Spur der langen Erfahrung Israels mit Freiheits- und Befreiungsgeschichte bewegen. Die Geschichte, auch die Kirchengeschichte stellt dafür genügend Material zur Verfügung.

Literatur: Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (Hg.): Israelsonntag 2013. In Geist und Wahrheit beten. Evangelium nach Johannes 4,24. Predigthilfe und Materialien für die Gemeinden.

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