Kirchenbilder – Geistliche Physiotherapie
Gemeinde - Wachsen auf Christus hin - Wachstumsschmerzen wahrnehmen
Predigttext: Epheser 4,11-15(16) (Übersetzung nach Martin Luther)
11 Und er selbst gab den Heiligen die einen als Apostel, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,
12 damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden,
13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi,
14 damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch das trügerische Würfeln der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.
15 Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus.
16 Von ihm aus gestaltet der ganze Leib sein Wachstum, sodass er sich selbst aufbaut in der Liebe – der Leib, der zusammengefügt und gefestigt ist durch jede Verbindung, die mit der Kraft nährt, die jedem Glied zugemessen ist.
Gedanken beim Lesen des Predigttextes
So stellt man sich die Urkirche vor: Jeder hat eine Begabung. „Dadurch soll der Leib Christi
erbaut werden“. Der Vergleich mit den Organen, die in einem lebenden Organismus
zusammenwirken, leuchtet ein. Doch es schiebt sich noch ein weiteres Bild mit hinein: All es dient der Er-Bauung der Gemeinde. Damit ist ein Gebäude gezeigt, das errichtet wird. Und dieses Gebäude hat - und hier mischt sich wieder das Bild - ein „Haupt“, auf das es hin gebaut wird. Dieser Bau ist auch eine große Wanderung „zur Einheit des Glaubens“.
Wieder ein anderes Bild sieht die junge Gemeinde „erwachsen“ werden, ja, wie ein Gefäß, das schließlich die „Fülle Christi“ fasst. Schillerndes, interessante, ermutigende Bilder der christlichen Gemeinde, wie sie gemeint ist.
Der Epheserbrief schreibt wie im Rausch. Was schon besteht, kann noch weiter ausgebaut
wer den. Was jetzt schon erreicht ist, kann noch weiter wachsen. Gedanken an die
heutige Situation der Gemeinde 2000 Jahre später drängen sich auf. Wie können wir uns von dem biblischen Text anstecken, entzünden, entflammen lassen, „dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe“?
Anmerkungen zum Text
Der Verfasser ist nicht Paulus und hat auch keine Beziehung zu Ephesus. Der „Brief“, der
eigentlich eine theologische Abhandlung darstellt, ist zwischen 80 und 100 nach Chr. verfasst -
möglicherweise in Kleinasien. Eine Nähe zu Paulus liegt vor in der Vorstellung der Kirche als Leib Christi. Allerdings stellt Paulus nicht die Gemeinde Christus als dem Haupt gegenüber. Vielleicht sind mit „jedem Wind der Lehre“ gnostische Erlösungsspekulationen gemeint. Auch die agnitionis filii Dei (13aß) könnte ein Hinweis auf die „Erkenntnis“ der Gnosis sein.
Lieder
"Ich weiß, woran ich glaube" (EG 357)
"Strahlen brechen viele" (268)
Was für ein schönes Fest ist Pfingsten! Da kommt Luft in die Räume und Bewegung in starre
Knochen! Vielleicht haben wir noch das Evangelium in den Ohren? Petrus – begeistert von Jesus -n ennt ihn den Christus, also den Gesalbten, mithin den Messias, auf den wir alle gewartet haben. Und Jesus unterstützt diese Begeisterung, indem er sagt, dass Petrus sein „Wissen“ nicht aus sich hat sondern von seinem „Vater im Himmel“. Also vom Geist. Und wer so etwas sagt, der hat ein gutes Fundament für sein Leben. Wer einmal diesem Christus begegnet ist, der schwankt nicht mehr hin und her, der lässt sich nicht mehr von irgendwelchen Theorien erschüttern, der kann singen: „Ich weiß, woran ich glaube“! Aber wer kann das heute von sich sagen? Wer ist so gefestigt, dass ihm nichts mehr anhaben kann?
Mit dieser Frage hat sich der Autor des Epheserbriefes befasst.Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Wie werde ich geistlich erwachsen? Wie kann ich zu einer Zuflucht für suchende Menschen werden? Ich lese nun einen Abschnitt aus dem Epheserbrief vor, der nicht leicht zu verstehen ist.
(Lesung des Predigttextes)
Wir werden zuerst in die noch junge Gemeinde geführt. Da muss ich mich gleich unterbrechen:
Um das Jahr 100 n. Chr. gab es viele Gemeinden mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen.
Genauso wie heute! Hier haben wir nun den Entwurf von einem christlichen Autor. Er erzählt, dass in einer guten Gemeinde verschiedene Begabungen wirken dürfen und wirken sollen. Und dies tun sie nicht hierarchisch geordnet, sondern auf Augenhöhe. Und er nennt Hirten, also Pastoren, dann Lehrende, aber auch Propheten – vielleicht Menschen, die (noch!) den Geist Gottes in sich spüren und manches Mal unangemessen auftreten, reden, rufen oder tanzen! Und er nennt Apostel – also solche Menschen, die von Christus angesprochen sind und die mit ihrem Leib Christus tragen. Sicherlich hätte „Epheser“ noch weitere „Ämter“ genannt, aber in diesem Brief hält er sich kurz. Zu wichtig ist, was er sagen will. Und er will es schnell und deutlich mitteilen. Deshalb überschlägt sich manchmal seine Sprache. (Wir haben es vorhin bei der Lesung gemerkt.)
Was will der “Epheser” uns sagen? Wenn ich diesen Briefabschnitt lese, dann fällt mir auf, das eine Präposition siebenmal vorkommt: das Wörtchen „zu“. Darin ist ein Drängen zu spüren, ein „hin zu“, auf ein Ziel. Wir kennen oft ein „weg von“, etwas, das wir vermeiden wollen, was wir auf keinen Fall mehr haben wollen. Der Epheserbrief aber will uns in eine Bewegung bringen, in einen Strudel, einen Sog. Dies wird im griechischen Text dadurch deutlich, dass es kaum richtige Verben gibt, kaum abgeschlossene Sätze oder Satzteile. Die Verse 11 bis 16 sind
e i n einziger Satz. Atemlos. Erfüllt. Begeistert. Der Predigttext schließt mit en agapä, in Liebe. Danach ein Innehalten, ein Luftholen, ein Raum geben. Doch was will uns der Verfasser mit seinem e i n e n Satz sagen? Ich gehe dem Text entlang und versuche, seinen Gedanken zu folgen.
Epheser beginnt damit, dass Er selbst, Gott, in seiner Gemeinde gehandelt habe. Er habe ihr
Apostel gegeben, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer. Und wahrscheinlich könnten wir noch hinzufügen: Musiker, Dichter, Künstler, Maler. Oder auch Dich und mich! Und wozu?
Hier steht nun im Urtext ein Wort, das aus dem orthopädischen Bereich kommt und „Einrenken“ bedeutet. Also: alle diese Begabungen dienen dem „Einrenken“ der Heiligen. Als ob eine Gemeinde ein Patient sei, der sich verhoben habe oder überanstrengt oder schlicht eine falsche Bewegung gemacht habe. Ein geistlicher Hexenschuss. Und die „Heiligen“ sind eben die normalen Gemeindemitglieder. In diesem Wort ist ja schon ein wenig Krankengymnastik angelegt. Der Verfasser sieht also die Gemeinde auf der Liege, wo sie von geistlichen Krankengymnasten behandelt wird. Und vielleicht gibt es auch Übungen, die sie selbst zuhause weitermachen können. Geistlich und körperlich. Denn der geistliche Körper der Gemeinde soll fit werden. Und jetzt kommen die ersten wichtigen Präpositionen zu Wort:
– Die diakonischen Aufgaben sollen nicht zu kurz kommen. Jugendliche, Kinder, Alte, Flüchtlinge wollen begleitet und ins Leben geführt werden; das nennt man praktisches Christentum!
– Die Stabilität des „Leibes Christi“ lässt gelegentlich zu wünschen übrig. Hier sind Gespräche
gefragt, Auseinandersetzungen, Streit um den (jetzt) richtigen Weg der Gemeinde! Wie lange soll die Behandlung dauern? Epheser lässt nicht locker:
– Die Gemeinde soll eine „Einheit des Glaubens“ sowie der „Erkenntnis des Sohnes Gottes“
darstellen,
– sie soll, einfach gesagt, erwachsen werden. Vielleicht kann man hier neben einer geistlichen
Physiotherapie auch an eine geistliche Seelsorge denken,
– und sie soll ein „Altersmaß der Fülle des Christus“ erreichen – also nicht nur eine kleine
Weinprobe von Jesus Christus!
Der weitere Briefabschnitt führt aus, dass wir als Gemeinde dann keine kleinen dummen
Gören mehr sind, die sich von allen möglichen Twitternachrichten irritieren oder von jeder
n e u e n Lehre verführen lassen. Was tischen uns die Illustrierten nicht alles für Heilsversprechen – geistlich wie körperlich – auf, Methoden, die das Beste darstellen, was er jemals gegeben habe. Mit dem Kopf wissen wir, dass viele dieser Methoden nur auf unser Geld aus sind – aber wer von uns wäre nicht schon einmal auf solche Angebot hereingefallen! Nein! Wir, die Gemeinde Jesu Christi, soll wachsen, groß werden, erwachsen werden in allen ihren
Bereichen. Und das Zauberwort dieses Wachstums: Wir sind wahrhaftig – in Liebe. Und so
wachsen wir – und jetzt schießt wieder ein Bild hinein! – so wachsen wir auf Ihn hin, der das
Haupt ist, Christus!
Der Gedankengang mag uns bis jetzt den Atem nehmen. Vielleicht wollen wir Zeit haben, über die Worte des Epheserbriefs nachzudenken. Wollen vielleicht nachspüren, wo wir unser geistliches Wachstum spüren, vielleicht Wachstumsschmerzen wahrnehmen, vielleicht Irritationen. Die Bilder sind sehr groß. Was ist bislang bei mir hängengeblieben? Was ist mir wichtig geworden? Der Leser blickt von der Lektüre des Briefes auf, hält inne …D och der Schreiber fährt fort, ohne Punkt und Komma. Als ob jetzt erst das Wichtigste zu sagen
wäre. Dabei sind wir doch schon voller Gedanken und können kaum mehr fassen, was jetzt noch folgt …
Das letzte Wort, das wir in dem Briefabschnitt gelesen haben, war: CHRISTUS. Er ist die
Grundlage für die nächsten Worte:
– Christus sorgt dafür, dass der ganze geistliche Leib der Gemeinde „harmonisiert“ wird (so heißt es im Urtext)
– Er ist es, der dafür sorgt, dass die geistlichen Gelenke und Gefäße richtig funktionieren und die wichtigen Kreisläufe ineinandergreifen. (Der Urtext ist an dieser Stelle äußerst schwer zu
übersetzen. Die Wörter überschlagen sich …)
– Christus selbst macht es, dass wir als Gemeinde auf ihn hin wachsen, ER selbst werden,
„in Liebe“. Mit diesen beiden Wörtchen schließt unser Briefabschnitt – und damit ein langer
Satz, aus 6 Versen.
Vielleicht sind wir noch in all diesen Bildern gefangen. Vielleicht haben wir uns ein Wörtchen
herausgegriffen. Vielleicht ist Christus für uns neu geworden. Vielleicht hat uns diese geistliche
Physiotherapie einen neuen Geist verliehen. Vielleicht spüren wir einen leichten geistlichen
Muskelkater des Wachstums. Vielleicht fühlen wir uns lebendiger. An diesem Pfingsttag! Gott ist es, der in uns wirkt das Wollen und das Vollbringen. Christus lebt in uns mit seinem
Geist. Wir wachsen, werden erwachsen, stehen in der Wahrheit, sind ein Haus Gottes
i n L i e b e.
Nichts brauchen die Kirchen heute mehr als mehr Heiligen Geist, Begeisterung und Missionsdrang. Pastor Kühne stellt dazu stimmig fest , daß der Epheserbrief schreibt “wie im Rausch. Das Bestehende soll ausgebaut werden.” Der Pastor beginnt seine Predigt schwungvoll mit einem Jubelruf und der Begeisterung des Petrus und der Jünger zu Pfingsten. Wie kann ich geistlich wachsen ? Dazu befragt er den Predigttext. Der Brief nennt verschiedene Ämter und Begabungen, die in der Gemeinde zum Aufbau zusammen wirken.Im Brief ist ein Drängen zu spüren uns in eine Bewegung bringen, uns einzurenken und eine geistliche Gymnastik, Physio-Therapie zu schenken. Gott hat dazu die passenden Ämter gegeben: Prediger und Evangelisten. Überschwänglich ergänzt der Pastor dazu: Musiker, Dichter, Maler. Die Diakonie gehört dazu. Die Gemeinde soll stabil aufgebaut der Leib Christi sein. Die Erkenntnis Christ und die Fülle des Christus gehört zur Kirche. Zum Schluß spricht der Text und der Pastor vom Wachsen der Liebe auf Christus hin und fragt die Hörer, ob der Text einen neuen Geist gibt ? Besonders begeistert fühlt man sich am Ende der Predigt “in einem Haus voll Gottes Liebe.”