Epiphanias ist das Fest der “Erscheinung”, der Offenbarung der Herrlichkeit des Herrn. Ein Fest des Aufbruchs. Wenn die Herrlichkeit des Herrn kommt, bleibt nichts, wie es ist. Dann machen sich Menschen auf den Weg: Maria zog zu Elisabeth, Joseph zog mit Maria nach Bethlehem, die Hirten zogen zur Krippe, “Weise aus dem Morgenland” brechen auf. Aber nicht immer geht alles reibungsfrei, frei von Verunsicherung und Ängsten. Die Weisen fanden den neugeborenen König nicht dort, wo sie ihn vermuteten, Josephs Weg nach Ägypten war eine Flucht, und er begab sich von dort auf den Weg nach Nazareth und nicht nach Bethlehem, weil er den Despoten dort fürchtete.
Wenn die Herrlichkeit des Herrn kommt, bleibt nichts, wie es ist. Bewegung setzt ein. Die Verhältnisse kehren sich um. Könige fallen nieder, und ein neugeborenes Kind im unbedeutenden Bethlehem trägt die Verheißung, der wahre Fürst zu sein. Maria singt: “Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen…” Mit der Herrlichkeit des Herrn kommt Gottes Gnade in die Welt. Gott greift in unsere Welt ein, lässt Erste Letzte und Letzte Erste sein. Gottes Gnade stellt die Verhältnisse auf den Kopf oder eigentlich: sie stellt die Verhältnisse vom Kopf zurück auf die Füße. Denn die Sünde hat die Verhältnisse verdreht. Auch diese Umkehr der Verhältnisse ist angefochten. Denn noch ist das Böse in der Welt, noch geht der Widersacher umher und sucht Schaden anzurichten. Damit sind wir mitten im Predigttext.
(Lesung des Predigttextes, Hebräer 12,12-25a)
Die Empfänger des Hebräerbriefes sind Nachfolger Jesu, Menschen, die die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn zum Aufbruch bewegt hatte. Ihre Hände wurden aber müde, ihre Knie erlahmten und ihr Schritt wankte. Der Prozess der Umkehr und Erneuerung geriet ins Stocken und drohte, ganz stecken zu bleiben. Deshalb lenkt der Briefabschnitt den Blick der Gemeinde erneut auf die erschienene Herrlichkeit des Herrn, auf den Ursprung ihrer Hoffnung, auf die Quelle ihrer Kraft, auf die “Stadt des lebendigen Gottes, das himmlische Jerusalem”.
Jesus, der “Mittler des neuen Bundes”, gewährt und ermöglich den Zugang zu Gott. Bei ihm gewinnen auch unsere müden Hände Kraft und werden unsere Füße wieder sicher, wenn uns der geistliche Elan verloren geht auf dem Weg zum Ziel, dem Reich Gottes. Dazu gehört, dem Frieden nachzujagen, ein wichtiges “Etappenziel”. Friede meint zu allererst: Friede mit Gott, und diesen Frieden haben wir durch unseren Herrn Jesus Christus, “Er ist unser Friede” (Epheser 2,14). Deshalb finden wir in der Heiligen Schrift immer wieder die Aufforderung: “Fürchtet euch nicht!” Gott nimmt unsere Feinde nicht weg, aber Gott steht in den Auseinandersetzungen mit den Feinden auf unserer Seite. Das kann uns gelassen machen und im zwischenmenschlichen Umgang friedfertig. Selbst wenn wir vordergründig in einem Konflikt den Kürzeren ziehen, Gott steht hinter uns und lenkt alles zu unserem Besten. Im allerschlimmsten Fall könnte uns ein Konflikt das Leben kosten, so wie es Jesus selbst am Ende das Leben kostete. Aber auch dann wüssten wir, dass wir bei Gott geborgen sind. Gott schenkt uns am Ende dieses Lebens ein viel größeres Leben, ein Auferstehungsleben .
Es lohnt sich, mit Eifer den Frieden mit Gott zu suchen. Der Verfasser des Hebräerbriefes fordert die Gemeinde auf: “Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird, und seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäumt; dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte…” Dem Frieden und der Heiligkeit nachjagen heißt: sich auf Jesus Christus ausrichten, bewusst die Verbindung mit ihm suchen und pflegen. Denn die Gefahr, Gottes Gnade, zu versäumen, ist groß. Wie schnell kann eine bittere Wurzel aufwachsen, sie lässt Unfriede und Unruhe sprossen, blockiert Gutes und führt zu Störungen der Gemeinschaft mit Gott und unseren Mitmenschen.
Epiphanias ist das Fest der “Erscheinung”, der Offenbarung der Herrlichkeit des Herrn. Ein Fest des Aufbruchs. Wenn die Herrlichkeit des Herrn kommt, bleibt nichts, wie es ist. Dann machen sich Menschen auf den Weg wie damals Maria, die Hirten und die “Weisen aus dem Morgenland” – und auch wir heute.
Der Apostel Paulus spricht seiner Gemeinde zu: “Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren” (Philipper 4,7, Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017).