Leben, Leben, immer wieder, immer neu …

Ostern - Der Tod besiegt das Leben nicht ...

Predigttext: Matthäus 28,1-10
Kirche / Ort: St. Andreas - Gemeinde / Hildesheim
Datum: 16.04.2017
Kirchenjahr: Ostersonntag
Autor/in: Pastorin Dr. Martina Janßen

Predigttext: Matthäus 28,1-10 (Übersetzung nach Martin Luther)

Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. Aber der Engel sprach zu den Frauen:Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach:Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen:Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

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I. Was gehört für euch zu Ostern? So frage ich jedes Jahr die Kinder im Spielkreis. „Osterhasen, Ostereier!“ Viele kleine Stimmchen rufen durcheinander. Recht haben sie: Zu Ostern gehören Osterhasen, Ostereier, Osterlämmer, Ostersparziergang … Aber, so frage ich mich, fehlt da nicht was? Recht hat sie, die Pastorin, mit ihrer Frage, klar, fehlt da noch was … Osterfeuer. Auch das stimmt. Aber natürlich fehlt da immer noch was, und zwar das Wichtigste: Jesus und seine Auferstehung. Das ist ja der Sinn der Ostergeschichte und der Grund all unserer liebgewonnenen Ostergeschichten rund um Osterhasen, Ostereier, Osterlämmer, Ostersparziergang, Osterfeuer. Und die Moral von der Geschicht‘? Der Tod besiegt das Leben nicht!

Im Grund geht es in der biblischen Ostergeschichte und unseren persönlichen und traditionellen Ostergeschichten nur um das Eine: Das Leben, immer wieder, immer neu: Leben! Nicht zufällig stehen Eier für Leben und Fruchtbarkeit. Osterfeuer vertreiben den Winter und böse Geister, die das Leben bedrohen. Auch die Hasen sind Symbol für das Leben, weil sie besonders fleißig sind, wenn es darum geht, neue Häschen und neues Leben hervorzubringen. Und erst der Ostersparziergang! “Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick. Im Tale grünet Hoffnungsglück …” So hat es Goethe unvergesslich in seinem Faust in Worte gefasst.

All das Frühlingserwachen predigt uns doch nichts anderes als das Leben, wenn aus Kaltem, Vertrocknetem und Erstarrtem neue Farben, neue Düfte, neue Kräfte aufkeimen und man selbst Teil davon ist, durch die Natur spaziert, den Kopf frei bekommt und sich wie neugeboren fühlt, weil Frühlingsgefühle die Wintermüdigkeit vertreiben, die Gestern noch schwer und träge auf den Gliedern lag. “Aus dem hohlen finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heut so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden: aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks-und Gewerbebanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind alle ans Licht gebracht.” (Goethe)

II. „Das ist das Ende, aber nein, es kann genauso gut der Anfang sein.“ Mit diesen Worten hat einmal jemand die Osterbotschaft auf den Punkt gebracht. Ostern ist die Gewissheit: Immer wieder bricht sich das Leben seine Bahn, immer wieder werden wir ans Licht gebracht aus unseren kleinen und großen Dunkelheiten – auch wenn niemand mehr damit rechnet, auch wenn es völlig anders erscheint. Wie das aussehen kann, erzählt die Geschichte der Frauen, die zum Grab Jesu gehen. Als Jesus am Kreuz gestorben war, haben sie gedacht: Das ist das Ende. Der, den sie liebten, dem sie nachfolgten, auf den sie ihre Hoffnung setzten, war tot. Das ist nun das Ende eines einzigartigen Lebens, einer großen Liebe und einer großen Hoffnung.

Und so gingen sie, den Toten zu ehren, ihn zu salben … Vielleicht ganz still nebeneinander, jede allein neben der anderen. Was mögen sie gefühlt haben? Trauer, Schmerz? Vielleicht war auch alles nur kalt und leer in ihnen. Vielleicht haben sie mit Jesus auch ein Stück von sich selbst begraben … Das ist das Ende, nicht nur für ihn, auch für die Träume jener Frauen, die einst vor Hoffnung brannten für eine neue Welt, ein neues Leben. Doch nun: Aus und vorbei. Das Ende. So sah es aus an jenem Tag, an dem die Frauen zum Grab gingen.

Doch da kam auf einmal Leben in die Totenstille, Licht in die Grabeskälte, da gerieten auf einmal die Mauern aus Tränen und Trauer ins Wanken. Plötzlich war da ein Beben, ein Engel wie ein Blitz und ein Gewand weiß wie Schnee, der Stein vom Grab weggewälzt. Das wirbelte alles durcheinander, so dass kein Stein auf dem anderen blieb. Auf einmal war alles ganz neu. „Fürchtet euch nicht! Er ist nicht hier, er ist auferstanden!“ Da war die Stimme des Engels. Langsam begriffen die Frauen: Das ist nicht das Ende, es ist der Anfang von etwas Neuem. “Im Tale grünet Hoffnungsglück …” Da rennen sie weg vom Grab, vom Ort des Todes, direkt ins Leben, Jesus direkt in die Arme. „Seid gegrüßt! Fürchtet euch nicht!“ Da war auf einmal neues Leben für alle. Mit Jesus sind auch die Frauen auferstanden zu neuem Leben, sind auch sie aus dem Dunkel wieder ans Licht gebracht. Das ist Ostern. Damals und immer wieder. Und die Moral von der Geschicht‘? Der Tod besiegt das Leben nicht!

III. Manchmal geht es mir auch wie diesen Frauen an Jesu Grab. Da ist etwas in meinem Leben gestorben. Eine Freundschaft vielleicht, ein Traum, eine Illusion. Da ist dann Trauer, vielleicht auch Wut. Da droht etwas in mir kalt und tot zu werden. Da mauere ich mich ein mit Steinen aus Furcht und Trauer und erwarte nichts mehr. „Das ist das Ende!“ Doch dann kann es sein, dass auch mich von irgendwoher ein Engel anrührt. „Fürchte dich nicht!“ Das wirbelt dann alles durcheinander, kein Stein bleibt auf dem anderen und ich purzle neu ins Leben, unbeholfen vielleicht, etwas ungläubig noch, doch unaufhaltsam ändere ich die Richtung, weg vom Tod hin zum Leben, da bin ich neu ans Licht gebracht. Das Leben kommt mir entgegen, unaufhaltsam, hell mit Furcht und Zittern, mit fast unerträglicher Leichtigkeit … Furchtbar schön und kaum zu ertragen und ist doch genau das, was mich trägt. Dann bin ich wie neu geboren, gehalten von jenem Zauber, der jedem Anfang innewohnt …

Sei gegrüßt! Fürchte dich nicht! “Im Tale grünet Hoffnungsglück …” Wie sehr wünsche ich mir Ostern – in meinem Leben und in unserer Gesellschaft, gerade wenn ich auf Europa sehe. Das sind so viele Mauern und Tode. Die populistische Abgrenzung innen und der Terrorismus von außen. Da denke ich schon manchmal: Das ist das Ende einer großen Idee. Doch vielleicht ist es auch ein Anfang. Vielleicht wachsen wir neu zusammen, wenn wir sehen, wie gefährdet das ist, was uns wichtig ist. Denn da sind auch andere Töne als Hass. Da besinnt man sich neu, wenn so viele Menschen für die europäische Idee auf die Straße gehen: „Pulse of Europe.“ Vielleicht sind wir mitten drin in einer europäischen Ostergeschichte und wissen es nicht. Und das End von der Geschicht? Ausgrenzung und Morden besiegen unsere Freiheit nicht. Fürchte dich nicht! “Im Tale grünet Hoffnungsglück …”

IV. Es müssen aber nicht immer die großen Siege über die großen Tode sein. Auch die kleinen Siege erzählen die Moral von der Geschicht: Der Tod besiegt das Leben nicht. Ich erinnere mich an einen Novembertag. Fast zehn Jahre ist das her. Der Umzugswagen mit all unseren Sachen war längst abgefahren und mein Mann und ich fuhren mit der Bahn hinterher zu unserem neuen Wohnort. Ein notwendiger beruflicher Neuanfang, aber auch das Ende eines vertrauten Lebensabschnitts. Nach fast zwanzig Jahre musste ich die Stadt verlassen, in der ich glücklich war, in der so viel Entscheidendes in meinem Leben passiert war.

Es ist mir unendlich schwer gefallen, mein vertrautes Leben hinter mir lassen zu müssen, all die Orte, an denen ich Entdeckungen gemacht habe, in denen die Erinnerungen blühten. Als der Zug den Bahnhof verließ, war alles leer in mir und ich dachte: “Das ist das Ende!“ Eine Weile ging das so, mein Blick war nur auf den Verlust gerichtet. Grabesstimmung. Man mag es Selbstmitleid nennen, aber in dem Moment damals tat es ziemlich weh. Irgendwann kam der Schaffner. Er hatte ein freundliches Lachen und als er die Karte kontrollierte, sagte er. „Nach Buxtehude wollen Sie? Na, sowas … dass es die Stadt wirklich gibt. Die kenn ich nur aus Räuber Hotzenplotz.“ Und er zitierte den Zauberer Petrosilius Zwackelmann: „Hokuspokus – mattilla, mattallo, lirum, larum – hex und rude, auf nach Buxtehude”. Plötzlich musste ich lachen, irgendwie – ich weiß nicht wie – schmolz das Eis und ich nahm das Leben wieder wahr.

Vielleicht war jener Schaffner voller Vorfreude auf den Feierabend, vielleicht stand ihm etwas Schönes bevor oder er war frisch verliebt oder vielleicht einfach nur ein glücklicher, ausgeglichener Mensch, aber in diesem Moment war er der, der mir – ohne es zu wissen – das „Fürchte dich nicht!“ zusprach. Dieser kleine Moment, diese leicht dahingesprochenen Worte veränderten alles. Und als der Zug dann nach einiger Zeit in den Bahnhof der kleinen Hansestadt einfuhr, war sie keine unwirkliche Stadt aus einem Räubermärchen mehr, sondern der Ort für einen neuen Anfang. Sei gegrüßt! Fürchte dich nicht! “Im Tale grünet Hoffnungsglück …”

Vielleicht geht es Ihnen auch so wie mir und meiner Ostergeschichte im November. Vielleicht haben auch Sie Ihre kleinen und großen Ostergeschichten davon, wie aus einem Ende ein neuer Anfang wurde. All unsere kleinen und großen Ostergeschichten erzählen von jener Geschichte, die mit den Frauen am Grab ihren Anfang nahm. Seid gegrüßt! Fürchte dich nicht! “Im Tale grünet Hoffnungsglück …”, immer wieder im Leben und – Wunder über Wunder! – auch im Sterben!

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Ein Kommentar zu “Leben, Leben, immer wieder, immer neu …

  1. Pastor i.R.Heinz Rußmann

    Diese Osterpredigt muss jedem Zuhörer -wie auch mir- zuerst einfach gut gefallen. Der Einstieg ist sehr lebendig und erinnert an die Osterbotschaft: der Tod besiegt das Leben nicht. Es geht Ostern immer wieder um das Leben. Das predigt auch das Frühlingserwachen. Ostern ist die Gewissheit, dass das Leben sich immer wieder die Bahn bricht. Das erlebten auch die Frauen, die zu Jesu Grab gingen. Auch wir werdewn oft wie neugeboren. Auch scheint im Großen jetzt Europa zu sterben. Aber vielleicht sind wir auch dabei in einer Ostergeschichte von neuem Leben und wissen es nicht. Auch in unserem Leben haben wir solche Ostererfahrung vom Neuanfang selbst erlebt. “Immer wieder im Leben und- Wunder über Wunder !- auch im Sterben.” – Man ist als Christ aber dann total überrascht, über diesen vorzeitigen Schluss. Jetzt geht es nach der traditionellen Osterpredigt doch erst richtig los: Auferstehung Jesu und die Gewissheit des ewigen Lebens für uns ! Diese Teil des Glaubens ist heute schwer zu vermitteln. Das zeigte sich heute sogar im Exegese – Gespräch mit zehn Pastoren über den Text. Am meisten hat mir und meiner Gemeinde dabei seit langem die Glaubens-Vision von Teilhard de Chardin geholfen. Mankann sie lesen unter Google: Die Stufen der Evolution Teilhard de Chardin Peter Godzik Heinz Rußmann

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