Wir wissen heute wenig über den Ersten Petrusbrief. Wer genau hat ihn geschrieben? Petrus war es sicher nicht, der war zu der Zeit, als der Brief geschrieben wurde, schon gestorben. Wahrscheinlich stammt er von einem Christen aus Ephesus, der von Paulus geprägt war. Adressiert ist der Brief „an die auserwählten Fremdlinge, die in der Zerstreuung leben, in Pontus, Galatien, Kappadozien, der Provinz Asia und Bithynien“ (1. Petrus 1,1). Eine Minderheit, der Briefeschreiber redet sie als „Auserwählte“ an.
Mutmacher für Ausgegrenzte
Ich stelle mir diese frühen Christen vor, wie sie in kleinen Gruppen an vielen Orten lebten, an denen andere Götter verehrt wurden. Außenseiter waren sie. Sie wurden ausgegrenzt und oft auch verfolgt und verhöhnt: „Diese komischen Christen mit ihrem Anführer Jesus, der am Kreuz gestorben und angeblich wieder auferstanden ist. So ein Unsinn!“ Demgegenüber ist der Erste Petrusbrief ein echter Mutmacher für die Christen in ihrer schwierigen Situation (1. Petrus 1,6): Sie sind Auserwählte: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk!“
Wozu heute noch in der Kirche sein?
Wir sind nicht mehr bei den frühen Christen in der Diaspora, sondern im Hier und Jetzt. Deutschland im Jahr 2025. Wir leben als Glieder einer Kirche, die zur Zeit auch einige Anfechtungen erdulden muss. Kleiner sind wir geworden, in manchen Gebieten eine Minderheit. Da erlebe ich es schon häufiger, belächelt zu werden: „Warum gehörst du noch zu dieser Kirche? Was, du arbeitest sogar als Pfarrer? Kirche, nein, da bin ich schon lange ausgetreten!“
Viele Jahrhunderte war es selbstverständlich, Christ zu sein und in die Kirche zu gehen. Heute entscheidet man sich: „Will ich dazugehören oder trete ich aus? Sagt mir der christliche Glaube noch etwas?“ Für viele junge Eltern ist es eine wichtige Frage, ob sie ihr Kind taufen lassen wollen. Manche entscheiden sich dagegen. Andere wollen, dass das Kind später einmal selbst entscheidet, ob es getauft werden will. Wir haben heute viel mehr Freiheiten als früher. Unser Mutmacher aus dem Petrusbrief ist zugleich ein Marketing-Experte. Er macht richtig Werbung für die Kirche. Was man da alles geboten bekommt! Nahrhafte Milch zum Beispiel.
„Die Milch macht’s!“ – so hieß lange ein Slogan der Milchbauern. Milch ist ein Grundnahrungsmittel. Säuglinge, ob nun Menschenbabys oder Jungtiere, brauchen nichts anderes als Milch. Sie werden davon satt, sie wachsen davon. Im Petrusbrief heißt es: „Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, auf dass ihr durch sie wachset zum Heil, da ihr schon geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist“. In der Kirche wird man also genährt. Kirche ist nicht nur Kopfsache, sondern hat auch etwas mit Schmecken zu tun. „Sehet und schmecket, wie freundlich der Herr ist!“ Mit diesen Worten laden wir zum Abendmahl ein.
Die vernünftige und lautere Milch ist die gute Botschaft von Gottes Liebe. Als Christinnen und Christen nehmen wir diese nahrhafte Milch immer wieder zu uns. Wir saugen sie in uns ein wie die neugeborenen Kindlein. Diese Milch macht satt. Gott schenkt sie uns wie eine liebende und stillende Mutter. Dadurch wachsen wir als Christen heran. In der Taufe, dem Anfang des christlichen Lebens, erfahren wir, wie freundlich der Herr ist. Doch wie bei der Muttermilch gilt auch hier: Einmal trinken reicht nicht, wir trinken immer wieder von dieser Milch der guten Botschaft, des Evangeliums.
Kirche – lebendig und wertvoll
Noch ein zweites Bild aus dem Petrusbrief: Die lebendigen, kostbaren Steine. Mich fasziniert an diesen Steinen: Nicht alle erkennen, dass sie so kostbar sind. Als ersten dieser Steine präsentiert der Briefautor Jesus: „Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar“. Jesus, den die Menschen verhöhnt und ausgepeitscht und ans Kreuz genagelt haben. Gott hat Jesus, den Verratenen, den Gequälten und in den Augen der Menschen Gescheiterten, auserwählt. Auch wir sehen Jesus mit Gottes Augen: „Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar. Für die aber, die nicht glauben, ist er »der Stein, den die Bauleute verworfen haben; der ist zum Eckstein geworden« (Psalm 118,22) und »ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Jesaja 8,14)“.
Unser Mutmacher im Petrusbrief baut die Christen auf. Er stellt sich vor, Jesus ist der erste Stein, der Eckstein, an dem sich das ganze Gebäude orientiert. Alle Christinnen und Christen werden ebenfalls zu solchen lebendigen, kostbaren Steinen. Aus diesen baut sich die Kirche auf. Eine solche Kirche ist lebendig. Sie lebt, sie baut sich immer wieder um, es kommen neue Steine hinzu, sie ist nicht fertig. Ich denke an den Kölner Dom. Dieses berühmte Wahrzeichen ist nie wirklich fertig. Erst hat es 600 Jahre gedauert, bis es überhaupt stand, und bis heute arbeiten viele Menschen jeden Tag an diesem Bau. Noch etwas hat unsere Kirche aus lebendigen und wertvollen Steinen mit dem Kölner Dom gemeinsam: Beide werden für einen bestimmten Zweck gebaut: Um darin Gott zu ehren, zu beten und als Gemeinde zu feiern. Im Petrusbrief werden wir dazu aufgefordert: „Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft!“
Auch wenn es viele heute nicht mehr sehen; auch wenn wir selbst es manchmal schwer erkennen können: Unsere Kirche ist eine lebendige Kirche, und sie ist kostbar! Aufgebaut aus vielen verschiedenen Steinen, aus vielen wunderbaren Menschen. Gott kennt sie alle. Gott blickt uns freundlich an. Schon in der Taufe sagt Gott uns zu, wie es im Wochenspruch heißt (Jesaja 43,1): „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“