Predigt

Lebens-Lauf

Das Ziel nicht aus den Augen verlieren

Predigttext1.Korinther 9,24-27
Kirche / Ort:Aachen
Datum:24.01.2016
Kirchenjahr:Septuagesimae (70 Tage vor Ostern)
Autor:Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: 1.Korinther 9,24-27 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Exegetisch-Homiletische Überlegungen

1. Kor. 9 ist eine Verteidigung des Paulus in eigener Sache. Ihm wird der Vorwurf gemacht, er verquicke mit der Verkündigung des Evangeliums eigene Interessen. Leidenschaftlich legt Paulus sogar seinen Lebensunterhalt offen, um nichts im Raum stehen zu lassen, was das Evangelium ins Zwielicht bringen könnte. “Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache. Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne.“ Paulus führt das detailliert aus. Die möglichen Gruppierungen einer christlichen Gemeinde (zu seiner Zeit) werden von ihm angesprochen: die Juden, die die „unter dem Gesetz sind“ und auch die „die ohne Gesetz sind“ – also Juden, Proselyten und Heiden.

„Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.“ Diese Art des Paulus, vom Evangelium her zu denken, hatte schon in den Kontroversen, die in 1. Kor. 8 gespiegelt sind, zu wesentlichen Folgerungen geführt. Es geht darum, dass der „Bruder“ (die „Schwester“), für die doch Christus gestorben ist, nicht zugrunde geht. Selbst die Erkenntnis der „Wahrheit“ lässt sich nicht absolut setzen, sondern muss sich in der Begegnung mit Menschen erweisen.

Nach den Klarstellungen, die viele biografische Züge tragen, bindet Paulus die Gemeinde in Korinth in die gemeinsame Verantwortung ein. Um des Evangeliums willen soll jeder das eine Ziel vor Augen haben, den unvergänglichen Siegespreis zu erlangen. Das den Korinthern sehr geläufige Bild von der Kampfbahn gibt eine Richtung vor. Die Gedanken gehen zu den Isthmischen Spielen, den zweitgrößten nach den olympischen, die in Korinth ausgetragen wurden.

In den letzten Sätzen spricht Paulus noch einmal von sich: Was er anderen empfiehlt – sich ganz auf ein Ziel zu konzentrieren – hat er für sich übernommen. Er läuft nicht ins Ungewisse oder - im Bild des Faustkämpfers – er schlägt nicht in die Luft. Paulus spricht sogar davon, dass er seinen Leib „bezwingt“, ja, ihn „zähmt“ – um das Ziel zu erreichen. Dies ist allerdings für einen Athleten nichts Besonderes – der ganze Mensch streckt sich einem Ziel entgegen. Bruder Leib (Franziskus) kann nicht widersprechen.

Homiletisch ist es schwierig, die Verteidigungssituation fruchtbar werden zu lassen. Perikopen – sie werden immer aus einem größeren Text geschnitten – verführen zu Verallgemeinerungen und Nivellierungen. Wichtig ist, dass Paulus nicht am Rand der Bahn steht und anfeuert, sondern mitläuft – für eine Gemeinde bis heute eine grundlegende Erfahrung. - Welche Ziele haben denn Menschen heute vor Augen? Aber dass Menschen sich Ziele setzen und dafür alles geben, lädt ein, die Bilder vom „Laufen“ und vom „Sieg“ mit einem Inhalt zu füllen, der für Paulus über alles und allem stand: das Evangelium. Die Predigt könnte auch ein Beitrag sein, den in der Werbung mit „sportlichen“ Bildern gemachten Verheißungen einen anderen „Lebenslauf“ gegenüberzustellen. Einen besonderen Akzent setzt das Evangelium Mt. 20,1-16a: Die Letzten werden zu Ersten – was mögliche Missverständnisse und Überforderungen relativiert - und nicht einmal gegen Paulus gelesen werden kann. Hilfreich ist auch ein Seitenblick auf Hebr. 12,1-3.

Die Perikope hat ihren Ort am Sonntag Septuagesimae – eigentlich dem 1.So. d. Fastenzeit - bekommen, weil die Taufbewerber (zu Ostern) ihre Vorbereitungszeit begannen und aufgemuntert wurden, ihr Ziel nicht aus den Augen zu lassen. Solche Beobachtungen zeigen einen Text, der von Menschen ausgeschnitten und in einen neuen Zusammenhang eingefügt wurde. Ein Text lebt, verdichtet sich in einem „Zitat“ und schafft neue Bezugs- oder auch Streitpunkte.

Literatur: W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, EKK VII/2, 1995; O. Schwankl, Lauft, so dass ihr gewinnt. Zur Wettkampfmetaphorik in 1 Kor 9, in: BiblZ 40 (1996), 174-191; R. Kunz, Predigtmeditation, GPM 92 (2003), 145-150. - Zum Kirchenjahr: K.H.Bieritz, Der Gottesdienst im Kirchenjahr, in: http://www.gemeindedienst-ekm.de. -

Umfangreiche Hintergrundinformationen zu den antiken Wettkämpfen finden sich unter: http://www.olympic.org/Documents/Reports/EN/en_report_659.pdf, und (zu den isthmischen Spielen): http://www.stefan.cc/geschichte/hintergrund/korinth-spiele.html. Es gilt auch, die religiösen Elemente des Sports, bes. des Fußballsports, wieder zu entdecken und zu reflektieren. Dazu www.leisser.de

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

Herzlich willkommen!

Neuauftritt Heidelberger Predigt-Forum mehr lesen

Alle Neuigkeiten lesen

Spenden

Die Nutzung des Heidelberger Predigt-Forums ist kostenlos. Das Redaktionsteam arbeitet ehrenamtlich. Kosten entstehen für Hosting sowie professionelle Websitepflege. Durch Ihren Obolus helfen Sie uns bei der Finanzierung.

Überweisung jetzt per paypal und flattr möglich.
Vielen Dank.
Heinz Janssen
Heidelberger Predigt-Forum