Lebenslanger und die Generationen überdauernder Bund
Gott ruft sein Volk auf viele Weisen
Predigttext: 5. Mose / Deuteronomium 7,6-12 (Übersetzung: Gute Nachricht Bibel, 1997)
6 Denn ihr seid ein Volk, das ausschließlich dem HERRN gehört. Der HERR, euer Gott, hat euch unter allen Völkern der Erde ausgewählt und zu seinem Eigentum gemacht. 7 Das tat er nicht, weil ihr größer seid als die anderen Völker – ihr seid vielmehr das kleinste unter ihnen! 8 Nein, er tat es einzig deshalb, weil er euch liebte und das Versprechen halten wollte, das er euren Vorfahren gegeben hatte. Nur deshalb hat er euch herausgeholt aus dem Land, in dem ihr Sklaven wart; nur deshalb hat er euch mit seiner starken Hand aus der Gewalt des Pharaos befreit. 9 Er wollte euch zeigen, dass er allein der wahre Gott ist und dass er Wort hält. Er steht zu seinem Bund und erweist seine Liebe bis in die tausendste Generation an denen, die ihn lieben und seine Gebote befolgen. 10 Aber alle, die sich ihm widersetzen, bestraft er auf der Stelle und vernichtet sie. Er wird nicht zögern, sondern jeden auf der Stelle vernichten, der ihn missachtet. 11 Darum haltet euch stets an seine Weisung, an die Gebote und Rechtsbestimmungen, die ich euch heute verkünde! 12 Wenn ihr dem HERRN, eurem Gott, treu bleibt und auf seine Gebote hört und sie befolgt, wird auch er treu sein und zu den Zusagen stehen, die er euren Vorfahren gegeben hat. |
Wie viele Predigerinnen und Prediger haben Sie bis heute erlebt? Bis jetzt bin ich gerne für Sie ein neuer Prediger. Bald werden wir aber die Predigten vom neuen Gemeindediakon hören und dann jemals auch die von neuen Prädikantinnen, VikarInnen und PfarrerInnen. Es ist wunderbar, dass das Evangelium auch heute gepredigt und gehört wird, bis unser Herr wiederkommt!
I.
Wer war der erste Prediger in der Geschichte? Im Neuen Testament hielt unser Herr Jesus die erste Predigt über das Evangelium, wobei die Bußpredigt des Johannes des Täufers als deren Präludium gilt. Wenn die Verkündung an das Volk Israel in einer Öffentlichkeit eine Urform der neutestamentlichen Predigt ist, gilt vielleicht Mose als der erste Prediger in der Geschichte!
Wir hören heute, dass dieser Urprediger sogar seine letzte Predigt hält. Die Situation der Predigt ist allerdings dramatisch! Unmittelbar vor dem Einzug in das Gelobte Land steht das ganze Volk Israel und Mose im Ostjordanland. „jenseits des Jordans, in der Wüste“ (Dtn 1,1). Dort verstarb Mose im Land Moab (Dtn 34,5). Wie können wir uns diese Situation vorstellen und sie verstehen? Ich wäre im Begriff zu sterben. Sie wären alle leider schon verstorben, ohne dass sie die Verheißungen Gottes erlangt haben. Ich wäre in absoluter Panik, voll von Verzweiflung, denn ich liebte Sie sehr. Vor mir stünden aber nur Ihre Kinder, die jetzt gerade draußen den Kindergottesdienst feiern, die unbedingt Gottes Verheißungen bekommen müssen! Ich hätte leider nur eine letzte Gelegenheit, ihnen zu predigen.
II.
Die Botschaft des heutigen Predigttexts hat es aus diesem Grund in sich. Ich lese aus dem 7. Kapitel des 5. Buches des Mose, die Verse 6-12 (Übersetzung: Gute Nachricht Bibel, 1997).
(Lesung des Predigttextes und Predigtbitte: Herr, schenke du uns Hören, Verstehen und Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.)
Diese Predigt von Mose ist inhaltlich nicht neu.
Gott hat sein Volk Israel ausgewählt, geliebt und befreit!
Gott steht zu seinem Bund.
Gott ist nach wie vor treu!
Gott ist aber auch groß und gewaltig.
Er bestraft alle, die sich ihm widersetzen.
Darum soll sein Volk sich an seine Gebote halten. Das wussten das Volk und Mose schon. Sie haben selbst Gottes Befreiung erlebt.
Trotzdem scheiterten sie.
Die erste Generation des Volkes und Mose mussten 40 Jahre in der Wüste wandern und sterben, ohne das verheißene Land anzutreten. Ja, diese Predigt von Mose traf aus dieser bitteren Erfahrung besonders ins Herz. Deshalb nennen wir das fünfte Buch des Mose das Deuteronomium, d.h. das ‚zweite Gesetz‘, das Gesetz, das erneut gegeben wurde.
Der Inhalt des Deuteronomiums überschneidet sich größtenteils mit dem des Exodus, des zweiten Buches Moses. Das fünfte Buch Moeses ist besonders wichtig. Zum Beispiel kommt unmittelbar vor unserem Predigttext das berühmte sog. „Schma Israel“ vor. Wer unter den Glaubenden weiß nicht, dass wir Gott lieben sollen?
Das Deuteronomium sagt aber: „Schma Israel/Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ (Dt 6,4f) Selbstverständlich zitierte auch unser Herr Jesus diese Worte. Wir begegnen hier also einer besonderen Frömmigkeit des Alten Testaments, die nach der Erzählung der Bibel von der genannten bitteren Situation kam!
III.
Solch eine Frömmigkeit kann man nicht seelenlos haben: ‚Ich bin evangelisch, weil das eine Familientradition ist. Vielleicht bleibe ich weiter so’. Es gibt in Deutschland manche Gebiete, die niemals fromm waren. So erzählte mir ein Kirchenhistoriker. Wir redeten kurz auch über die deutsche Frömmigkeit. Er sagte: „Es gibt in Deutschland einige Gebiete, die nie fromm gewesen sind, sondern auch jetzt fast atheistisch sind.
Interessanterweise decken sie sich mit den Orten, wo die Germanenmission mit Gewalt getrieben wurde“. Ja, von einem kollektiven Gedächtnis, das mehrere Jahrhunderte, auch gegen das Evangelium, wirkt, war die Rede. Als ich zuhause die Geschichte der Germanenmission weiter recherchierte, erschrak ich, denn sie steht auf schlimmster Weise im Zusammenhang mit der Taufe. Es wurde nämlich die Zwangstaufe praktiziert, sogar in Form von Massentaufen.
So soll es nie sein. Der Heilige Geist wirkt nicht so, denn Gott ruft sein Volk jetzt auf anderer Weise weiter an, nämlich durch den demütigen Tod seines Sohnes Jesu Christi. Gott freut sich nicht darüber, dass ein ganzes Volk so mit Gewalt sein Volk genannt wird! Massentaufen wurden in der Kirchengeschichte ab und zu durchgeführt, sie ist uns schon gefühlsmäßig fremd.
IV.
An dieser Stelle kommt eine Frage von uns als Christen, was die Geschichte des Volks Israels im heutigen Predigttext mit dem heutigen 6. Sonntag nach Trinitatis, dem Taufsonntag, mit der Taufe, dem Thema dieses Sonntags, zu tun hat. Zwischen beiden Testamenten bestehen Kontinuität und Wandel. In Bezug auf die Taufe ist Jesus von Nazareth selbst genau ein Übergang.
Als Jesus nämlich getauft wurde, wurde auch ‚das ganze Volk‘ da getauft. (Lk 3,21)
Bei dieser Massentaufe war Jesus gerne da. Ebenso war Gott, der Vater. Der Himmel wurde geöffnet, der Heilige Geist stieg herab. Gott sprach: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen!“ Unser Herr war aber demütig. So bescheiden wurde er unter dem Volk Israel mit-getauft, taufte aber dann (wahrscheinlich) selbst niemand. Sondern, er ging den Kreuzweg und trug das Kreuz. Die Taufe in seinem Namen kommt erst danach.
In unserer heutigen Schriftlesung erklärt der Apostel Paulus, was bei der Taufe mit uns geschehen ist: „Wir alle, die »in Jesus Christus hinein« getauft wurden, sind damit in seinen Tod hineingetauft, ja hineingetaucht worden .… Wenn wir mit seinem Tod verbunden wurden, dann werden wir auch mit seiner Auferstehung verbunden sein. … Wenn wir nun mit Christus gestorben sind, werden wir auch zusammen mit ihm leben.“ (Römer 6,3ff) Indem wir so durch die Taufe mit Christus verbunden werden, werden wir in das Volk Gottes aufgenommen, „eingegliedert“. Paulus sagte, dass wir alle zu einem Leib getauft sind, seien wir Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, [wir könnten heute auch sagen: Jüngere oder Ältere, Männer oder Frauen, Europäer oder Afrikaner] (1Kor 12,12ff).
V.
So spricht das Wort Gottes für sein Volk, das damals durch Mose gesprochen wurde, auch uns heute an, die wir durch Jesus Christus Zugang zu Gottes Volk, dem Volk Israels, haben und zu ihm gehören dürfen. Mose ermahnt, wie gesagt, aus tiefstem Herzen die Kinder-Generation seiner Mitmenschen, damit sie, anders als er und ihre Eltern, Gottes Verheißungen erlagen können! Das Wort brennt auch uns genauso auf der Seele.
Die Taufe ist der Beginn eines neuen Lebens, aber noch nicht seine Erfüllung.
Glauben, zu Gottes Volk zu gehören, ist ein Lebensprojekt. In diesem Zusammenhang wird auch der Gedanke eines ‚lebenslangen Bundes‘ aufgenommen. Sind wir durch die Taufe jetzt schon in der Himmlischen Heimat (Hebräer 11,16)? Noch nicht. Wir haben nur deren Bürgerrecht im Voraus in der Hand (Philipper 3,20). Im Hebräerbrief steht, dass wir, Christen uns weiter bemühen müssen, um in Gottes Ruhe einzugehen (Hebr 4,11) und alle Last und Sünde ablegen und mit Ausdauer in dem Wettlauf, der noch vor uns liegt, laufen müssen (Hebr 12,1).
Ein Leben ist lang, aber auch kurz. Bei Mose und seinen Mitmenschen ging es in der Tat um den Lebenswettlauf nur für 40 Jahre. Zum Schluss seiner Rede sagte Mose:
„Wenn ihr dem HERRN, eurem Gott, treu bleibt und auf seine Gebote hört und sie befolgt, wird auch er treu sein …“ Genauer gesagt, ist unsere Übersetzung hier nicht ausreichend; denn die wechselseitige Treue zwischen Gott und uns ist nicht wie eine Geschäftsverbindung. Es ist keine Beziehung von „do-ut-des“ / „give-and-take“, die man mit einem „wenn … dann“-Satz beschreibt.
Wie einige neue Übersetzungen richtig wiedergeben, geht es hier nach wie vor um die bedingungslose Treue; wörtlich: „Es wird geschehen; dafür, dass ihr diesen Rechtsbestimmungen gehorcht und sie bewahrt … , wird der HERR, dein Gott, den Bund halten und die Gnade bewahren (Dt 7,12).“ Lasst uns beim Glauben an den HERRN lebenslang, oder lebenskurz, harren und ihn nicht verlassen! Es wird über unseren Wettlauf des Lebens hinaus geschehen, dass Gott nach wie vor uns die Gnade bewahrt! Das Gesetz ist durch Mose gegeben und die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden; aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. (Joh 1,16f).
Mose war so traurig, als er seine Menschen verlor, die er als Volkmenge etwa insgemein gewann. Unser Herr Jesus gewann uns jede Seele durch seinen Schmerz auf dem Kreuz und seine persönliche und mysteriöse Verbindung mit uns einzelnen bei unserer Taufe! Wie sehr würde Jesus betrübt, wenn wir nach demselben Beispiel des Ungehorsams des Israels in der Wüste fallen würdet! (Hebr 4,11) Auch in diesem Moment ermahnt Jesus uns durch den Heiligen Geist. Indem sich das alttestamentliche Deuteronomium, das zweite Gesetz, mit der Taufe Jesu verbindet, vergegenwärtigt sich die Deutero-Charis, die zweite Gnade, die Gnade, die Jesus Christus heute uns erneut beschenken will. Das ist eine Erinnerung an unsere Taufe, auch eine kleine Erweckung!
„Im Neuen Testament hielt unser Herr Jesus die erste Predigt über das Evangelium…“ Wie lange habe ich diese Bezeichnung für Jesus nicht mehr gehört oder gelesen: „Unser Herr Jesus“. Dieser Ausdruck der Ehrerbietung für unsern Herrn ist berührend, und er gefällt mir, gerade weil er so gut wie gar nicht mehr verwendet wird. Der Prediger interpretiert den vorgegebenen Text vor allem mit Zitaten aus den Paulusbriefen. Das entspricht der Tradition, wie über die Taufe am 6. Sonntag nach Trinitatis gepredigt wird und ist in der originellen Art der Sprache für die Gemeinde eindrücklich und hörenswert.