Liebe – Was Menschen zusammenhält

Liebe in all ihren Facetten leben und verbreiten

Predigttext: Hoheslied 8,6b-7
Kirche / Ort: Walldorf b. Heidelberg
Datum: 30.10.2022
Kirchenjahr: 20. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Dr. Uwe Boch

Hoheslied 8,6b-7 (Übersetzung bachvMartin Luther, Revision 2017)

Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine gewaltige Flamme. Viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen noch die Ströme sie ertränken. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, würde man ihn verachten?

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All you need ist love. Schrieb John Lennon in einem der Klassiker der modernen Musik. Alles, was man braucht, ist die Liebe. Und Liebe zieht sich durch unsere Kultur wie ein roter Faden. Von „Romeo und Julia“ und der Tragik der Liebe, über „Stolz und Vorurteil“ bis hin zu den romantischen Komödien der Neuzeit. Harry und Sally, Tatsächlich Liebe. Wer mag diese Filme nicht. Okay, da fliegen keine Autos durch die Gegend und es fließt auch wenig Blut. Aber selbst der Härteste ist dabei zu Tränen gerührt. Und kann es nachvollziehen, auch wenn harte Männer das nicht gerne zugeben: Liebe ist etwas, das unser Leben schön macht. Und lebenswert und tiefsinnig. Liebesbriefe, oder heute: Liebesnachrichten, hat jeder und jede schon geschrieben. Oder? Und darin versucht, in mehr oder weniger schönen und gelungenen Worten das auszudrücken, was Menschen füreinander empfinden. Das ist vielen im Rückblick auch peinlich.

Aber Liebe findet im Augenblick statt. Und nur der Augenblick zählt. Das geht so weit, dass man sich gerade bei Beerdigungen heutzutage daran erinnert, wie wichtig die Liebe ist. Bei Beerdigungen, liebe Gemeinde wird ja nicht mehr so viel gesungen. Vor allem kaum noch Kirchenlieder. Vieles vom Band. Und immer wieder geht es um die Liebe. Vor allem beim Lied „The Rose“, gesungen von Bette Middler, oder auch gern auf Deutsch von Lila oder gruseligerweise sogar von Helene Fischer. Ein Lied, allein über die Liebe. Das englische Original ist gut. Die deutschen Versionen oft kitschig, aber eben für die meisten verständlich. Und darum gerne gewünscht. Liebe, die niemals aufhört. Auch über den Tod hinaus. Liebe in vielen Facetten. Darum auch so oft bei Beerdigungen. Weil nichts uns Menschen mehr über den Tod hinaus trägt als Liebe. Liebe. Das ist ein universelles Konzept bei uns Menschen, das auch die moderne Welt nicht ausmerzen kann. Ich spiele ihnen das Lied von Bette Middler einmal ab. Sie haben den englischen und deutschen Text vor sich.

[Bette Middler – The Rose]

Liebe, die kleine Pflanze. Liebe, der Fluss. Liebe, die Klinge, die uns verletzten kann. Und Liebe, als schmerzliches Bedürfnis nach Geborgenheit und Aufgehobensein. Nach Vertrauen und Zweisamkeit.

Liebe ist das, was Menschen zusammenhält. Liebe hat viele Facetten. Das reicht von der Nächstenliebe. Dem Wissen darum, dass Menschen nur miteinander leben können und nie gegeneinander. Dann das schöne Wissen darum, dass da ein Mensch ist, der sich mit mir wohl fühlt und mich mag. Bis hin zur körperlichen Liebe, der wir ausgeliefert sein können. Und die einfach dazu gehört, wenn Menschen sich lieben.

In er Bibel gibt es ein Buch, das heißt „Das Hohelied“. Im Alten Testament. Ein kleines Buch mit 8 Kapiteln. Und es geht um die Liebe. Nicht die Nächstenliebe, nicht die Liebe an sich. Nicht Gottes Liebe zu uns Menschen, die in der Liebe zwischen zwei Menschen ihr Abbild findet. Sondern ganz einfach um Liebe. Um verliebt sein. Um körperliche Nähe und Attraktivität. Es geht um die Anziehungskraft von Menschen untereinander. Um den Körper als Instrument dieser Liebe. Um Sex in allen Variationen. Inklusive nicht gerade jugendfreier Passagen. Und es geht gleichzeitig um Lebensfreude und Hingabe und Auslieferung durch die Liebe. Um das Ausgerichtetsein auf einen Menschen. Und um das Mitleben und –leiden mit dem geliebten Menschen. Ich lese den kurzen Predigttext aus dem Buch Hoheslied, Kapitel 8:

Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine gewaltige Flamme. Viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen noch die Ströme sie ertränken. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, würde man ihn verachten?

Sie sind überrascht? Müssen sie nicht sein. Das gehört zur Bibel dazu. Zum Glück ist ihr nichts Menschliches fremd. Sonst wäre sie für mich nicht lesbar. Kein Mensch kann sich in den hohen Sphären des Göttlichen bewegen. Wir kennen nur unser Leben. Und, wenn wir ehrlich sind: Jeder, der schon einmal geliebt hat, kann diese Verse nachvollziehen. Wenn Bette Middler von der Liebe als einem kleinen Pflänzchen singt. Dann ist das nett und schön. Aber wer wirklich verliebt ist, der empfindet das anders. Das ist schon viel gewaltiger und überwältigender.

Der Bibeltext kennt die Verwirrung, den Drang und die Sehnsucht, die wahre Liebe mit sich bringt. Die den Verstand manchmal aussetzen lässt. Die uns dumme Dinge tun lässt. Worte sagen, die wir kurz darauf bereuen oder Dinge verschenken, die uns dann peinlich sind. Die Liebe, die manchmal tatsächlich wie ein Blitz ins Leben fährt und alles verändert. Nicht nur zum Guten. Liebesschmerz und Liebesleid kennt auch jeder. Nur zu menschlich.

Die Bibel. Oft verlacht heutzutage. Als ein Buch, das mit moralischen Regeln das Leben begrenzt. Und uns Menschen reduziert als Erfüllungsgehilfen Gottes. In schlichter und gediegener Weise sollen wir angeblich das Leben führen. Gesittet nach bürgerlicher Art. Ein Abbild der Biedermeierzeit des 19. Jahrhunderts. Und Sinnbild eines sinnenfernen und freudlosen Lebens. Nein! Das ist die Bibel nicht. Sie ist vielleicht sogar das Buch, das das menschliche Leben am besten abbildet. Weil sie eben nichts ausspart. Keinen Schmerz, keine Trauer, keine Enttäuschung und keine Wut. Aber es ist ihr eben auch keine Freude fremd. Kein Spaß, keine Lebensfreude. Kein Lebensmut und keine Hoffnung. Und keine Lust, weder geistig noch körperlich. Nein, das alles findet sich in der Bibel. Weil sie ein zutiefst menschliches Buch ist.

Und dann schreibt schon einmal jemand davon, dass er von der Liebe überwältigt wird. Vom Blitz der ihn trifft, wenn er den Menschen findet, Mann oder Frau, der ihn vom Hocker reisst und sprachlos macht. Der ihn so sehr fasziniert, dass er mit ihm oder ihr sein Leben verbringen will. Mit allem, was dazu gehört. Zusammen leben. Zusammen leiden. Zusammen wohnen, zusammen eine eigene Welt erschaffen. Zusammen Kinder zeugen und aufziehen. Oder auch nur miteinander Spaß haben, wie auch immer.

Liebe. Das ist ein Grundzug menschlichen Lebens. Und darum kommt sie in der Bibel auch in all ihren Facetten vor. Das wird im Hohenlied auch mal „schmutzig“, wie manche es nennen würden, während sie es in ihrem realen Leben genauso praktizieren. Aber das ist das Geheimnis: Der Bibel ist nichts Menschliches fremd. Gott ist nichts Menschliches fremd. Und darum gehört auch die Liebe genau hierher. In den Gottesdienst, in die Predigt. Sie wird nicht schamvoll verschwiegen. Und nicht als weltlich abgetan. Sondern sie gehört mitten ins menschliche Leben hinein. Und um nichts anderes geht es Gott: Dass Menschen leben können. Dass das Leben gelingt. Und Spaß macht und so viel Mut, dass es immer weiter gehen kann.

Die  Liebe ist ein wichtiger Baustein dabei. Ohne die Liebe, in all ihren Facetten,  wäre unser Leben fad und öde. Liebe als ein Fluss, der über das Ufer tritt und uns mitreisst. Liebe als eine scharfe Klinge, die uns Kummer bereitet. Liebe als Hunger nach Leben, als Bedürfnis nach Mitmenschlichkeit und Befriedigung, nach Spaß und Lebenslust

All das ist Christsein. Nicht moralinsaures Dasein mit Grenzen. Sondern Lust am Leben. Die nur dort ihre Grenze findet, wo sie andere verletzt. Die Bibel und das Hohelied weisen darauf hin. Der Glaube an Gott beschränkt nicht. Sondern öffnet das Leben. Öffnet die Augen und lässt uns andere Menschen sehen. Öffnet die Ohren und lässt uns hinhören, was wichtig ist. Und öffnet vor allem das Herz, damit wir Liebe in all ihren Facetten leben und verbreiten können.

Und dann reißt uns das Leben schon mal mit. Wie es das Hohelied sagt: Unersättlicher Lebenshunger, wie ein Blitz schlägt des Leben zu. Und wahre Liebe kann auch ein Meer von Tränen und Trauer, keine räumliche Trennung und kein noch so weltliches Hindernis aufhalten. Das Leben bricht sich in ihr Bahn. Und Gott freut sich darüber.

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Ein Kommentar zu “Liebe – Was Menschen zusammenhält

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    In diesem Jahr ist der Text aus dem Hohelied im AT zum ersten Mal regulärer Predigttext zu diesem Sonntag. Die Predigt fängt dazu passend schwungvoll und modern an mit einem bekannten Beatles Song: All you need is love. Die Liebe zieht sich als Nächstenliebe und Motto durch unsere ganze abendländische Kultur. Sogar als Motto bei Beerdigungen und im Schlager von Bette Wilder. Im Predigttext steht auch die Liebe im Zentrum und sie ist stark wie der Tod. Irregeleitete sexuelle Liebe gibt es auch unserem Leben, trotzdem ist die Liebe zwischen uns Menschen und zu Gott der wichtigste Baustein der Welt. Liebe gehört zum Christsein zentral dazu und Gott wie Jesus freuen sich drüber und der Heilige Geist verbreitet sie. —
    In dieser Zeit sollte man in der Predigt verbreiten, dass in keiner andern Religion die Liebe zentral so im Vordergrund steht wie in der christlichen.

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