Predigt

Mammon

Gerissener Manager

PredigttextLukas 16,1-13 (mit exegetischen und homiletischen Hinweisen)
Kirche / Ort:Heiliggeistkirche / Heidelberg
Datum:19.11.2017
Kirchenjahr:Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Autor:Pfarrer Dr. Vincenzo Petracca

Predigttext: Lukas 16 (Übersetzung nach Martin Luther)

1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Er sprach: Hundert Eimer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach fragte er den zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. 8 Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu h Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten. 10 Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht. 11 Wenn ihr nun mit dem ungerechten Mammon nicht treu seid, wer wird euch das wahre Gut anvertrauen? 12 Und wenn ihr mit dem fremden Gut nicht treu seid, wer wird euch geben, was euer ist? 13 Kein Knecht kann zwei Herren dienen; entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Exegetische und homiletische Vorüberlegungen

Gott und das Geld war zu biblischen Zeiten ein heikles Thema. Markant ist das berühmte Mammonwort im Lukasevangelium: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (16,13). Indes, wie passt dazu die Aufforderung, sich mit Geld „Freunde“ zu machen? Gibt es eine Art, gut mit Geld umzugehen? Oder muss man vom Lukasevangelium her Franz von Assisi recht geben, der Geld verdammte und in der Nicht-bullierten Regel seinen Mönchen ein Geldberührungsverbot vorschrieb? Diese divergierenden Aussagen über das Geld sind charakteristisch für Lukas, auffällig ist, dass diese widersprüchlich scheinenden Mammonworte innerhalb eines einzigen Textabschnittes stehen (16,8b-13). Sie sind Anwendung der Parabel vom gerissenen Manager (16,1-8a). Diese Parabel ist ein schwer faßbares Gleichnis, zugleich eines der schillerndsten der Bibel. Aus diesem Grund ist die Exegese im Folgenden ausführlicher als sonst üblich.

Das Gleichnis ist lk Sondergut. Die Bildebene umfasst VV 1b-8a, die Anwendung VV 8b-13. Die Bild- und Sachebene der Parabel vom gerissenen Manager gehen übergangslos ineinander über. Bereits das Ende der Parabel ist daher in der Exegese umstritten. Manche möchten V 9 zur Parabel zählen, andere fassen V 8a als Kommentar Jesu auf, denn sie stoßen sich am Lob des Großgrundbesitzers und lassen die Parabel mit V 7 enden. Diese Unsicherheit spiegelt sich auch im Vorschlag der liturgischen Kommission, die als Predigttext Lk 16,1-8(9) vorschlägt. Sachlich erscheint es mir indes richtig, die Parabel als Teil des Gesamtkapitels 16 zu predigen, wobei ich methodisch die Parabel mit der Anwendung als Texteinheit (16,1-13) auslegen werde.

Die Hauptakteure der Parabel sind der Herr und sein Manager. Die Bildebene lässt sich durch den Wechsel der handelnden Personen in vier Szenen gliedern. Hieraus resultiert für Lk 16,1-13 folgender Aufbau:

V 1a Einleitung

VV 1b-8a Bildhälfte

VV 1b-2 Szene 1: Entlassung (Herr und Manager)

VV 3-4 Szene 2: Monolog (Manager)

VV 5-7 Szene 3: Schuldenerlass (Manager und Schuldner)

V 8a Szene 4: Lob der Klugheit (Herr und Manager)

VV 8b-13 Anwendung

Der erzählerische Schwerpunkt liegt auf Szene 3: Der Manager ruft die Schuldner seines Großgrundbesitzers zu sich und kraft seiner noch nicht erloschenen Vertretungsgewalt reduziert er ihre Schulden. Wie ist dieses Handeln zu interpretieren? Eine Auslegungstradition meint, dass der Manager illegal im Dienste und für die Kasse seines Herrn wuchere, indem er die Schulden in Naturalien umschreibe, um das Zinsverbot der Tora zu umgehen. Bei seiner Entlassung storniere er den Schuldbetrag um die Höhe der Zinsen und zahle somit die verdeckten Zinsen an die Schuldner zurück. Der Manager sei ein Held, der die Gültigkeit der Tora wiederherstelle. So viel Charme diese Deutung auch hat, sie entspricht leider nicht dem Wortlaut der Parabel. Der Schuldenerlass von 20-50% ist wesentlich höher als die üblichen Zinsen. Folgt man der Auslegung, dass der Manager die Gerechtigkeit der Tora wiederherstelle, dann müsste diese Tat als gerecht charakterisiert werden. Am Ende der Parabel wird der Manager indes als „ungerecht“ bezeichnet (V 8). Auch lobt die Parabel nicht seine Tat, sondern nur seine „Klugheit“ (V 8). Näher liegt daher die Deutung: Der Manager hintergeht seinen Herrn (V 1) und handelt einmal mehr betrügerisch, indem er die Schulden erlässt. Er bricht damit sowohl das römische als auch das jüdische Recht. Die Parabel zeichnet den Manager als skrupellosen Betrüger, der aus Eigennutz die finanziellen Ansprüche seines Herrn verschenkt. Die Parabel zielt auf die Paradoxie ihres Schlusses. Aus diesem Grund lautet die Pointe der Bildebene: Der Manager, der sich durch Betrügereien Freunde macht, um für die Zukunft zu sorgen, wird von seinem übervorteilten Herrn für seine Klugheit gelobt.

Die Anwendung (VV 8b-13) besteht aus einer Serie von Sondergutlogien, die sich auf die Bildebene zurückbeziehen, und gipfelt im Exklusivitätsausspruch, den Lk aus der Q-Tradition rezipiert: Der Dienst an Gott ist unvereinbar mit dem Mammondienst (Lk 16,13 par Mt 6,24).

Bei Lukas wird Reichtum und Eigentum generell kritisch gesehen (6,24; 8,14; 14,33). Der Mammon wird als „ungerecht“ charakterisiert (16,9.11). Doch der dualistische Gegensatz zwischen Gott und Mammon scheint nicht unüberbrückbar zu sein. Vom Mammon heißt es in V 12: Wer sich im Umgang mit diesem „Geringfügigen“ als zuverlässig erweist, dem wird das wahre Eigentum anvertraut werden. Das Geld wird demnach als anvertrautes Gut verstanden, über dessen Verwendung Rechenschaft abzulegen ist. Hintergrund ist die jüdische Auffassung, dass Gott der letztliche Eigentümer aller irdischen Dinge ist. Am Umgang mit Geld entscheidet sich letztlich die Zugehörigkeit zur Sphäre des „Lichts“ oder der „Finsternis“. Aus diesem Grund fordert Lukas in V 11 auf, im Umgang mit dem Mammon zuverlässig zu sein. Schon durch die Wortstellung von „Mammon“ zwischen „ungerecht“ und „treu“ signalisiert er, dass die Christinnen und Christen sich zwischen einer ungerechten und einer zuverlässigen Verwendung des Mammons entscheiden müssen. Explizit wird dies in V 10 ausgesprochen: Es gibt einen ungerechten und einen treuen Umgang mit dem nichtigen Mammon. Der Mammon ist für den Evangelisten nicht an sich ungerecht, sondern verführt zu Ungerechtigkeit im Erwerb und in der Verwendung. Er verdammt das Geld nicht, sondern ordnet ihm innerhalb „dieser Weltzeit“ eine ganz bestimmte Funktion zu: Es ist Mittel zur Bewährung. Ihre Eigentümer werden damit auf die Nagelprobe gestellt. Wer klug ist, verharmlost diese Prüfung nicht, denn die dämonische Seite des Geldes verleitet zu Ungerechtigkeit, Suchtverhalten und Götzendienst.

Um sich als „Kinder des Lichts“ zu erweisen, erwartet Lukas, dass die Christinnen und Christen mit dem Mammon klüger umgehen als der gerissene Manager in der Parabel. Der Manager „ist nicht der Held der Gerechtigkeit im Königtum Gottes, sondern der unfreiwillige Lehrmeister der christlichen Gemeinde für die Praxis der Gerechtigkeit“ (Luise Schottroff, Gleichnisse Jesu, S. 214). Wie sieht diese Praxis der Gerechtigkeit aus? Wie kann man sich mit dem ungerechten Mammon Freunde machen? Dies wird zunächst nicht näher expliziert, im Anschluss an die Parabel betont Lukas allerdings, dass der göttliche Wille in der Tora offenbart ist und diese auch für die christlichen Gemeinden Gültigkeit besitzt (16,14-18). Die anschließende Beispielerzählung von Lazarus, dem Armen, illustriert, dass die Tora von den Reichen Solidarität mit den Armen verlangt (V 19-31). Wer diese verweigert, stürzt ins Verderben, während die ausgleichende Gerechtigkeit Gottes die Armen erhöht.

Zusammenfassend gesagt: Den Götzen Mammon will Lk 16 zwar als ungerechten Mammon verstanden wissen, mit dem man sich gleichwohl Freunde machen soll, um sich so im Nichtigen als zuverlässig zu erweisen. Ein richtig verstandener Dienst an Gott gemäß dem Ersten Gebot impliziert, dass man das Geld entsprechend dem göttlichen Willen verwendet, der in der Tora offenbart ist: Solidarität mit den Armen ist die notwendige Konkretion des exklusiven Dienstes an Gott.

Die Predigt ist eine Homilie. Sie nutzt die Dramaturgie und Didaktik der Parabel. Als Bibeltext wird der Luthertext verwendet. Um die Überraschung der Pointe der Parabel nicht zu zerstören, wird der Text nicht zu Beginn der Predigt gelesen, sondern abschnittsweise in der Predigt.

Literatur:

Vincenzo Petracca, Gott oder das Geld - Die Besitzethik des Lukas, TANZ 39, Tübingen / Basel 2003, S. 163-203.

Luise Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005, S. 205-224.

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