“Man weiß nie, was kommt …”
Taufe als Beginn der unzerstörbaren Gemeinschaft mit Gott
Predigttext Jer 31,31-34 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen,
32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR;
33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.
34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
Zu Gottesdienst und Predigt
Der 6. Sonntag nach Ostern, „Exaudi“ nach Psalm 27,7, entfaltet zwischen Himmelfahrt und Pfingsten die Themen Abschied, Anfechtung, bzw. Trost und Stärkung, was vor allem im Evangelium Joh 16,5-15 deutlich wird. Jesus verabschiedet sich von seinen Jüngern. Ihre Angst und Trauer nimmt er auf, indem er ihnen den Sinn und das Ziel seines Weggangs erklärt und zugleich den Heiligen Geist als Verbindung zu Jesus, als Beistand für die Jünger , als Tröster wie Luther übersetzt, verheißt. In diese Richtung versteht sich auch die Auswahl des Wochenliedes "Heilger Geist, du Tröster mein" (EG 128) oder "O komm, du Geist der Wahrheit" (136). Der Wochenspruch Joh 12,32 beschäftigt sich mit dem Thema Fortgang Jesu, seiner Erhöhung und gleichzeitig der Frage nach einer bleibenden Verbindung für seine Nachfolgerinnen und Nachfolger.
Diese Frage ist heute ebenso aktuell. Wo erleben Christen heute die Nähe zu Jesus Christus? Welche Verbindung haben wir zu ihm? Wo ist sie spürbar? Wo sind wir individuell, aber auch als Gemeinschaft und Gemeinde auf Stärkung und Trost durch den Heiligen Geist angewiesen?
Zum Predigttext
Die Verheißung Jer 31,31-34 wird nicht dem Propheten Jeremia zugeschrieben, sondern einer späteren Redaktion, die diese Heilsansage jedoch eng mit der Botschaft Jeremias verknüpft. Sie nimmt gleichsam die Einsichten und Erfahrungen des Propheten auf. Ein Geschichtsrückblick V32 macht deutlich, dass der alte Bund mit den Vorfahren, der auf der Erfahrung der Befreiung aus Ägypten basierte, vom Volk gebrochen wurde. Doch Gott gibt nicht auf. Gott kündigt an, mit ihm einen neuen Bund zu schließen und verpflichtet sich selbst. Die Voraussetzung und bleibender Grund für diesen neuen Bund wird am Ende in V34 genannt: Vergebung durch Gott. Die Vergangenheit darf ruhen, Gott selbst schafft eine Zukunftsperspektive.
Dieser neue Bund wird unzerstörbar sein, dafür wird Gott selbst sorgen. Er kündigt an, dass er sein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben wird. Keine Übertragung, keine Vermittlung seiner Gebote ist mehr nötig, ja, kein Ungehorsam möglich. Dieses Gottesverhältnis wird direkt ins menschliche Herz eingeschrieben sein. Es ist unzerstörbar. Göttlicher und menschlicher Wille werden eins.
Den Gedanken eines neuen Bundes finden wir aus christlicher Sicht im Abendmahl wieder. Im Abendmahl ist Jesus Christus im Heiligen Geist gegenwärtig. Er lädt ein zur Gemeinschaft mit ihm und als Gemeinde untereinander. In der Darstellung von Lukas und Paulus greift Jesus in den Einsetzungsworten beim letzten Mahl mit den Jüngern auf Jer 31 zurück: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut“ (Lk 22,20; 1Kor 11,25).
Der alte Bund ist nicht aufgehoben, Gott hat seinerseits den Bund nie aufgekündigt. Doch er baut bei seiner Zusage des Mitseins nur noch auf seine eigene Treue, die unverbrüchlich ist. Durch den Glauben an Jesus Christus, an Tod und Auferstehung, sind wir als Christen durch unsere Taufe hineingenommen in diese besondere Gottesbeziehung.
Die Gemeinde als Leib Christi ist die Gemeinschaft, in der Jesus Christus, die Liebe Gottes, lebendig und spürbar wird. Die Taufe ist der Aufnahmeritus in diese Gemeinschaft und zugleich Ausdruck des neuen Bundes, einer unverbrüchlichen Verbindung zu Gott in Jesus Christus, die zugleich durch den Glauben auch Anteil gibt an den Verheißungen des alten Bundes (Gal 3,26.29).
Eine Taufe in der Gemeinde nach langer Gottesdienstpause ist ein zentrales Motiv in der Predigt. Ein selbstgestricktes Taufkleid nimmt das Thema „Verbindungen“ auf und schlägt einen Bogen vom Evangelium zum Predigttext und zurück zur Gemeinde.
Lieder
"O komm, du Geist der Wahrheit" (EG 136)
"Ich bin getauft auf deinen Namen" (200)
Letzten Sonntag feierten wir nach langer Pause wieder einen Gottesdienst in der Kirche. Viele Menschen haben sich Gedanken rund um den Gottesdienst gemacht und dafür gesorgt, dass er stattfinden konnte. Ein Kind wurde getauft. Auch die Eltern haben lange überlegt: Wollen wir es wagen? Kann unsere Tochter getauft werden unter all den Schutzmaßnahmen, die in dieser Zeit nötig sind? Kann die Taufe feierlich und fröhlich sein unter diesen besonderen Umständen? Können die Großeltern dabei sein oder ist das Gesundheitsrisiko zu hoch? Doch am Ende haben sie ihr Kind angemeldet. Denn nach aller Abwägung stand für sie fest: “Man weiß nie, was kommt“, so die Mutter des kleinen Mädchens am Telefon, „und dann ist sie auf jeden Fall getauft“.
I.
Man weiß nie, was kommt. Manchmal macht das richtig Angst. Wie geht es weiter? Diese Frage stellen sich die Jünger, wir haben es eben im Evangelium gehört. Jesus nimmt Abschied von ihnen, er will zu seinem Vater gehen. Doch die Jünger fragen sich: Was nun? Wie wird es mit uns weitergehen? Sie sind wie gelähmt. Was wird aus dem, was wir gemeinsam hier begonnen haben? Was wird aus unserer Gemeinschaft? Was wird aus unseren Begegnungen? Was wird aus dem Glauben, den wir gemeinsam gelebt haben? Jesus nimmt seine Freunde ernst. Er hört ihre Worte. Er nimmt sie auf und er versucht, sie zu trösten. Er erklärt ihnen seinen Weg, soweit sie es in ihrer Aufregung begreifen können. Das Wichtigste ist zugleich das Schwerste. Ihnen begreiflich zu machen: Es ist gut, dass ich weggehe, auch wenn es euch jetzt sehr weh tut. Vertraut mir. Das, was wir miteinander erlebt haben, das bleibt. Doch der Abschied muss sein. Damit das, was dann anbricht, für immer sein kann.
Lange vor den Jüngern erleben Menschen, die zum Volk Gottes gehören, einen tiefen Einschnitt in ihr Leben. Die Katastrophe, das Unglück, das sie Propheten ihnen vorhergesagt hatte, ist eingetroffen und sie müssen erkennen, dass sie damals den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Ja, sie haben Schuld auf sich geladen. Ja, sie haben sich von Gott entfernt, nicht nach ihm gefragt. Sie haben ihre Heimat verloren. Sie müssen in Gefangenschaft leben. Wird es je eine Rückkehr geben? Hier in der Fremde fühlen sie keine Verbindung mehr zu ihm. Hat Gott sie vergessen? Hat er seinen Bund aufgekündigt, den er einst mit ihren Vorfahren, mit Noah, mit Abraham, mit Mose geschlossen hat? Er wollte ihr Gott sein und sie sein Volk. Sie gehörten doch zusammen. Schon immer. Hat er sie vollkommen aus dem Blick verloren?
Zutiefst geknickt beklagen die Menschen ihr Los. Gott hört zu. Ja, sie haben seinen Bund gebrochen, keine Frage. Sie sind taub gewesen und uneinsichtig gegenüber seinem Wort, das er durch die Propheten zu ihnen geredet hatte. Sie haben ihren Teil des Bundes nicht erfüllt, ihre Verpflichtung nicht eingehalten, den Willen Gottes zu tun. Wollten oder konnten sie es nicht? Am Ende spielt es keine Rolle mehr. Gott will diesen Bund nicht aufkündigen. Ich stelle mir vor, dass Gott in seinem Herzen überlegt: Wie kann diese Verbindung zwischen mir und meinem Volk halten? Wie kann ich verhindern, dass sie wieder und wieder den Bund brechen? Keine Abschiede mehr, keine Distanz. Gott fasst einen Plan: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen! … Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein … sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR“ (Jer 31,31ff ). Wie vorher die Schuld eingraviert war in ihren Herzen, so ist jetzt die Weisung Gottes eingraviert. Ein Herz, das erkennt, das ist ein Geschenk Gottes.
II.
Eines Tages, die Zeit kommt. Für uns als christlicher Gemeinde ist dieser neue Bund schon angebrochen. Als Gott selbst Mensch wurde in Jesus Christus hat er eine Verbindung zu uns geschaffen, die niemals aufhört. Dafür ist Jesus Christus gestorben und auferstanden, dass nichts mehr zwischen uns steht. Dass wir mit Gott verbunden bleiben. Um diese Verbindung zu erleben und uns vergewissern, feiern wir das Abendmahl miteinander. Wir erinnern uns an die Jünger, wie sie Abschied nehmen mussten und nicht wussten, was die Zukunft bringt. Wir erinnern uns, wie Jesus sie getröstet hat. Wir erinnern uns an Judas und Petrus, die schuldig wurden und trotzdem mit am Tisch saßen. Wir erinnern wir uns an die Worte, die Jesus Christus beim letzten Mahl gesprochen hat: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,20).
Für uns ist die Taufe der Beginn dieser unzerstörbaren Gemeinschaft mit Gott. Gott nimmt den Täufling als sein Kind an. Es ist übrigens eine uralte Tradition, dass der Täufling ein weißes Gewand trägt. Sie geht auf die Ursprünge unserer Kirche zurück, wo die Getauften, zumeist Erwachsene, weiße Gewänder anzogen, um damit deutlich zu machen: Wir haben in unserer Taufe von Gott ein neues Leben empfangen. Aber auch bei der Säuglingstaufe macht das weiße Taufkleid etwas Wichtiges deutlich: Es zeigt an, dass der Säugling mit der Taufe zu Jesus Christus gehört. Denn der Apostel Paulus schreibt im Galaterbrief: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Kleid angezogen“ (Gal 3,27).
III.
Das Taufkleid, das wir letzten Sonntag gesehen haben, war etwas ganz besonderes. Es ist nicht einfach irgendwo im Laden gekauft worden. Die Uroma hat es gestrickt, Masche für Masche. Alle Enkel und ein Urenkel sind in diesem Taufkleid mittlerweile getauft und ihre Namen sind hineingestickt worden. Es ist eine schöne Idee, ein Taufkleid anzufertigen, das von Haus zu Haus, von einem Kind zum nächsten geht. Im Wirken des Heiligen Geistes sind alle miteinander verbunden. Verbunden als Familie, verbunden unter den Generationen, verbunden im Glauben, verbunden durch Jesus Christus.
Menschen kommen immer wieder in Situationen, wo sie zutiefst verunsichert sind, sich von Gott verlassen fühlen, damals zur Zeit der Propheten, die Jünger zur Zeit Jesu, wir, die wir heute im Blick auf uns selbst oder unsere Kinder nach Sicherheit fragen. Wie gut tut es da, wenn wir uns dann an unsere Taufe erinnern und an den Bund, in den Gott uns gerufen hat. Wir sind getauft. Die Segensworte unserer Taufe mögen uns auch heute Kraft geben, wenn wir uns auf den Weg machen: „Gott stärke dich durch seinen Heiligen Geist, erhalte dich in der Gemeinde Jesu Christi und bewahre dich zum ewigen Leben“.
Wie erleben heute Menschen die Nähe Jesu ? Die Antwort der Exegese ist: durch die Taufe. Aktuell beginnt die Predigt mit der Frage, wie in Corona-Zeiten heute eine Kindtaufe gefeiert werden kann ? Man weiss nie was kommt. Das fragen auch die Jünger im Text. Sie erinnern sich an die überraschende Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft des jüdischen Volkes im AT. Hatte Gott seinen Bund gebrochen ? war die Frage. Die Propheten sagen: es war die Folge eurer Sünden. Wir Christen leben von dem unzerstörbar neuen Bund mit Gott durch die Taufe. Ganz rührend ist am Schluß die Erinnerung an die Ur-Oma eines Täuflings , die ein weißes Taufkleid Masche für Masche gestrickt hat in Verbundenheit mit dem Täufling, Jesus und der ganzen Familie. Wie gut ist es für uns, auf Gottes Taufbund zu vertrauen bis zum ewigen Leben! Das ist der Schluß der Predigt.- Die Predigt ist biblisch orientiert und dadurch sehr warmherzig und tröstlich. Man vermisst ein wenig Bezüge zu unserer Zeit.