Mehr als Glühwein, Mandeln und Winterzauber…

Einstimmung auf die Adventszeit

Predigttext: Matthäus 21,1-9
Kirche / Ort: Yorck-Estebrügge / Hamburg
Datum: 30.11.2014
Kirchenjahr: 1. Sonntag im Advent
Autor/in: PD Pastorin Dr. Martina Janßen

Predigttext: Matthäus 21,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen:Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht:Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): »Sagt der Tochter Zion:Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. « Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige vonden Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

Homiletische Hinführung

Ich möchte mit der Predigt auf die Adventszeit einstimmen. Auf wen / was und wie warten wir in diesen Wochen? Der Predigttext erzählt vom Einzug Jesu in Jerusalem (Mt 21,1-9). Der lang erwartete König, Christus, der Sohn Davids, kommt und die Menge empfängt ihn mit Jubel und Hosianna. Wie bereiten wir uns in diesen Wochen auf Jesu Kommen vor? Manchmal gerät angesichts des vorweihnachtlichen Stresses, der vielfältigen kulturellen Angebote und der Advent-Events der eigentliche Sinn dieser Buß- und Rüstzeit aus dem Blick. Weihnachten – und das, worauf wir in diesen Wochen warten – ist mehr als Glühwein, Konzerte und dekorierte Schaufenster. Es ist unser Heil, das mit der Geburt Jesu in die Welt kommt – zu den Fröhlichen und auch zu den Betrübten, denen vielleicht nicht der Sinn nach der konventionellen oder gar einer kommerziell ausgerichteten adventlichen Stimmung steht. Auf diese schöne Stimmung lässt sich Advent nicht reduzieren.

Die Predigt hat fünf Teile, die durch mit dem Inhalt der jeweiligen Predigtteile korrespondierenden Strophen des Liedes „Wie soll ich dich empfangen? (EG 11)“ unterbrochen bzw. in ihnen fortgeführt werden. Der erste Teil bietet eine Hinführung: Wie und auf was warten wir in diesen besonderen Wochen? Teil II und III bestehen aus Narrationen: An zwei konkreten Beispielen soll deutlich werden, dass wir auf mehr als auf das adventliche Treiben, die kulturellen Angebote und die festliche Stimmung warten und dass wir Weihnachten mehr erwarten dürfen als Brauchtum, gute Laune und Geschenke. Teil IV besteht aus der Lesung des Predigttextes und führt den vor Augen, auf den wir Christen in diesen Wochen warten: Jubelnd empfangen die Menschen den König, Christus, den Sohn Davids. Teil V bildet den persönlichen Abschluss.

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Predigt zu Mt 21,1-9 (1. Advent)

Lied vor der Predigt: “Macht hoch die Tür” (EG 1,1.4.5)

I. Die erste Kerze brennt, wir feiern den Beginn der Adventszeit! Überall sind Lichterketten angebracht, die Wohnzimmer und Schaufenster sind weihnachtlich dekoriert, Lust auf Glühwein und gebrannte Mandeln kommt auf. Ich merke, wie ich aufmerksamer durch die Straßen gehe und meine Blicke auf der Suche nach einem Geschenk oder einer originellen Kugel für den Christbaum schweifen lasse. Die Adventswochen sind Wochen mit ganz eigenen Düften, Farben, Ritualen. Wir genießen Konzerte, Kaufrausch und Kerzenschein. Es ist Zeit für Wünsche, Träume und Erinnerungen aus Kindertagen. Wir warten auf Weihnachten. Wie bereiten Sie sich auf das schönste Fest des Jahres vor? Besinnlichkeit oder bunter Trubel? Schoppen oder Stille? Heute beginnen ganz besondere Wochen. Doch immer mehr habe ich das Gefühl, dass diese Wochen an mir vorbei rauschen. Überall locken leckere Versuchungen, die das Warten versüßen sollen, aber doch auch zu Übersättigung führen können: Habe ich Weihnachten überhaupt noch Appetit auf Weihnachten? Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmusik aus jedem Lautsprecher füllen diese Wochen. Nicht immer steht mir der Sinn danach und ab und an frage ich mich: Bleibt in meinem Herzen noch Platz ist für das, worauf ich eigentlich warte? Manchmal wäre in diesen Wochen weniger mehr. Ursprünglich war Advent eine Bußzeit, um sich auf das Kommen Christi vorzubereiten.

EG 11,1: „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir? / O aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier? / O Jesu, Jesu, setzte mir selbst die Fackel bei, / damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.“

II. Meta fürchtet sich vor diesen Wochen. Dunkel ist es und kalt. Das erste Weihnachtsfest im Seniorenheim steht ihr bevor. Davor hat Meta Angst. Wär das alles nur schon vorbei! Früher hat sie sich immer auf diese Wochen gefreut, auf den Duft von Zimt, Kerzenwachs und Tannengrün, auf den Ausflug auf den Weihnachtsmarkt, auf die Hektik der Festvorbereitungen! Das ist alles vorbei, was ist ihr schon geblieben? Allein dieses kleine Zimmer – von so vielem hat sie sich in der letzten Zeit trennen müssen! Und all die fremden Menschen – die meisten sind genauso traurig wie sie! Das Atmen wird auch immer schwerer. Manchmal will Meta einfach nicht mehr. Gerade in diesen Wochen, da tut es besonders weh. Was bleibt ihr denn noch? Da sind nur die Erinnerungen an die Zeit, wo das Leben heil war. Damals waren alle zusammen. Der Wohnzimmertisch wurde ausgezogen und festlich gedeckt. Mit wie viel Freude hat sie in der Küche gestanden und für alle gekocht! Wie gut hat es sich angefühlt, wie Egon ihr damals die vom Kochen feuchte Locke aus dem Gesicht gestrichen hat und wie alle geklatscht haben, als sie stolz ihre Weihnachtsgans auf den Tisch gestellt hat! Jetzt ist sie allein. Ihren Egon hat sie schon lang zu Grabe tragen müssen, ihre Kinder sind in alle Lande verstreut. Alles ist anders geworden. Von Verstand her weiß sie, dass es nicht anders geht und dass sie hier sein muss, aber der Schmerz bleibt – gerade in diesen Tagen. Auch auf der Adventsfeier gerade eben. Sicher, die geben sich hier auch Mühe, schmücken den Speisesaal, Weihnachtslieder wurden auch gesungen, jemand hat Gedichte aufgesagt und ein Kinderchor war da. Aber es ist eben nicht dasselbe. Sicher, irgendwann an den Weihnachtstagen kommen auch die Enkel und die Kinder. Aber sie sind in Gedanken doch woanders und haben ihr eigenes Leben. Verübeln kann sie es ihnen nicht. Meta schließt die Augen. Sie ist traurig. Doch da schlummert etwas ganz tief versteckt in all der Traurigkeit, etwas, das sie nicht Worte fassen kann und wonach sie sich so sehr sehnt…

EG 11,3: „Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Heil/ als Leib und Seele saßen / in ihrem größten Leid?/ Als mir das Reich gekommen, / da Fried und Freude lacht, / da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.“

III. „Noch einmal Luft holen, bevor es losgeht!“ Nelly reibt die Hände gegeneinander, es ist kalt geworden. Sie beobachtet, wie die Weihnachtsbuden an der Innenalster aufgebaut werden. Bald ist es wieder soweit. Weihnachtsmärkte, Glanz und Lichter, wohin das Auge blickt. Eine lange Liste hat sie für die nächsten Wochen, ein ganz besonderes Weihnachtsfest soll es werden. Was steht da nicht alles auf dem Programm! Bummeln. Glühwein trinken. Nikolausparty. Und natürlich der Vorweihnachtsstress: Dieses Jahr will Nelly nur originelle und ganz persönliche Geschenke verschenken – die Liste ist lang. Aber Nelly geht ja gerne schoppen. Das passende Outfit für jedes Advent-Event muss sie natürlich auch zusammenstellen. Und was ganz besonders Raffiniertes Kochen, wenn die Freunde zur Jule-Club-Party kommen. Und als Höhepunkt dann die Feiertage. Naja, sie kennt das schon. Da ist sie immer ganz kaputt. Am Ende geht ihr immer die Luft aus, da hat sie dann nicht mehr viel davon. Zu viele süße Kekse und zu viele süße Bechergetränke, zu viel Party, zu viel Event-Advent. Eigentlich macht ihr das alles ja Spaß, aber dieses Jahr mischt sich eine seltsame Traurigkeit in all die Erwartung. Die letzten Monate waren für Nelly nicht einfach. Eigentlich bräuchte sie mal Zeit zum Luftholen. Was wäre, wenn sie sich dieses Jahr aus dem Adventsstress ausklinken würde? Einfach weil ihr die Kraft fehlt und weil sie etwas ganz anderes braucht. Ihr Leben ist zurzeit ganz schön durcheinander. Was wäre, einfach ehrlich zu sich zu sein und die Fragen nicht wegzuschoppen oder mit der Süße der Weihnachtsmärkte zu betäuben? Vielleicht reichen ja auch eine rote Kerze und ein duftender Tannenzweig so wie damals als sie klein war. Vielleicht kommt dann wieder der Zauber der Kindheit, wo sie noch an Wunder glaubte und die Monster der Nacht sich einfach in Luft auslösten, wenn sie morgens mit einem Lachen aus dem Bett sprang? Nelly schließt die Augen. Vielleicht – denkt sie – vielleicht kommt Weihnachten ja dieses Jahr ganz von allein in ihr müdes Herz…

EG 11,7: „Nicht dürft ihr euch bemühen / noch sorgen Tag und Nacht, / wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht. / Er kommt, er kommt mit Willen, / ist voller Lieb und Lust, / all Angst und Not zu stillen, / die ihm an Euch bewusst.“

IV. Lesung Mt 21,1-9

EG 11,2: „Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin,/ und ich will dir in Psalmen ermuntern deinen Sinn. / Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis / und deinem Namen dienen, / so gut es kann und weiß.“

V. Mein König kommt zu mir. Auf ihn warte ich. Sicher, ich freue mich auf Zimt, Kerzenschein und Tannenduft. Ich freue mich darauf, jeden Tag ein Türchen meines Adventskalenders zu öffnen. Ich freue mich auf Weihnachtsmärkte und darauf, mich in altvertrauten Melodien und Kinderträumen zu verlieren. Ich freue mich auf Lachen, Fröhlichkeit, auf all die Adventsfeiern mit ihren besinnlichen, fröhlichen und manchmal auch garstigen Weihnachtsgeschichten, ich freue mich auf die Weihnachtsgans, den Christbaum, die alte Familienkrippe und auf die bunten Geschenkpakete freue ich mich auch. Auf all das freue ich mich, aber ich erwarte doch viel mehr in diesen Wochen. Mein Erlöser kommt zu mir – mitten in all meine Fragen und Traurigkeiten, mitten in all den Unfrieden und die Dunkelheiten unserer Welt. Das ist viel mehr als Glühwein, Mandeln und Winterzauber. Er kommt gewiss –„Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst (Jes 9,5)!“Auf ihn warte ich. Mit Jubel im Herzen empfange ich ihn. Leise, fast subversiv ist mein Jubel in all dem Lärmen und Tosen der Welt, doch er geht mir durch Mark und Bein und bringt mein verzagtes Herz in Schwung… „Hosianna den Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe (Mt 21,9)!

Lied nach der Predigt: “Tochter Zion” (EG 13,1-3)

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Ein Kommentar zu “Mehr als Glühwein, Mandeln und Winterzauber…

  1. Christoph Kühne

    Die Predigt beginnt mit einer Schilderung der adventlichen „süßen“ Stimmung. Doch plötzlich werden „störende“ Punkte wach: Übersättigung, Appetit auf Weihnachten? Worauf warte ich eigentlich? Eine Geschichte. Auch hier „störende“ Impulse: Angst, Erinnerungen, Rituale, Schmerz, Traurigkeit. Eine zweite Geschichte – auch mit „Störungen“: kaputt sein, Kraft fehlt, zu viel …, eigentlich …, vielleicht … Eingestreut in die Predigt sind Liedstrophen, Lesungen. In einem dritten Teil folgt ein persönliches Bekenntnis der Predigerin: Ich freue mich auf Lachen, Fröhlichkeit. Dann wieder eine „Störung“: ABER ich erwarte noch viel mehr. Abschließend ein „Hosianna“, ein „Hilf doch!“
    Eine interessante Predigt in der Adventszeit zwischen „Stimmung“ und „Störung“!

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