“Mensch, wie ist dein Herz bestellt?”

Gerechtigkeit, Frieden, Liebe säen

Predigttext: Lukas 8, 4 – 8 (9 – 15)
Kirche / Ort: Melanchthon- und Johannes-Brenzkirche / 70734 Fellbach
Datum: 08.02.2015
Kirchenjahr: Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrer Jürgen Bossert

Predigttext: Lukas 8, 4 – 8 (9 – 15) (Übersetzung Martin Luther, Revision 1984)

4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis:
5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.
6 Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
7 Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.
8 Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

9 Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute.
10 Er aber sprach: Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.

11 Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes.
12 Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden.
13 Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.
14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht.
15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Lieder

"Tut mir auf die schöne Pforte" (166)
"Herr für dein Wort" (196, WL)
"Bewahre uns" (171)

Psalm 119
Lesung: Jesaja 55, 10 – 12a

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Eine kleine Geschichte: Ein Mann betritt einen Laden. Hinter der Theke steht ein Engel. Hastig fragte er ihn: » Was verkaufen Sie hier?« Der Engel antwortete freundlich: »Alles, was Sie wollen.« Der Mann begann aufzuzählen: »Dann hätte ich gern das Ende aller Kriege in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, Arbeit für die Arbeitslosen, mehr Gemeinschaft und Liebe in der Kirche, eine bessere Welt für alle, mehr Frieden, freundlichere Mitmenschen, eine gerechtere Verteilung der Güter dieser Welt, folgsamere Kinder, mehr Verständnis für Jugendliche bei den Erwachsenen, mehr Menschlichkeit und .. und …« Da fällt ihm der Engel ins Wort: »Entschuldigen Sie, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine reifen Früchte, wir verkaufen nur den Samen.«

Jener Mann sehnt sich nach einer besseren, gerechteren Welt, in der Friede herrscht und die Menschen versöhnt sind. Einer neuen Welt, wie wir sie selten erleben. Der Same für diese Welt ist da, ist gesät. Wir können ihn aufnehmen, übers Sehen oder Hören. “Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt euer Herz nicht“, hörten wir eingangs im Wochenspruch (Hebräer 3,15). Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Er lebt auch durch das, was er sieht. Auch durch das, was er hört. Bilder, die er sieht, Worte, die er hört, sie prägen den Menschen. Es stellt sich einem immer wieder die Frage, auf wen oder was hörst du? Von welchen Gedanken, Informationen und Meinungen wirst du geprägt oder lässt du dich prägen? Welche Stimme dringt in dein Herz, zieht dort ein, lenkt und leitet dich, bestimmt deine Weltsicht und Lebensanschauung? Viele Stimmen rufen einem zu: Höre meine Botschaft! Glaub mir! Setze auf mich, und du wirst sinnvoll und erfüllt leben, du wirst glücklich! Auf wen soll ich nun hören, damit ich gedeihlich mein Leben leben kann? Damit ich erfrischt, gestärkt und furchtlos aufstehe und in den Tag, in mein Leben gehe? Auf wen oder was hörst du? Der Same ist da, wird gesät. In was für einen Boden fällt er bei uns? Hören wir dazu den Predigttext nach dem Lukasevangelium.

(Lesung des Predigttextes)

“Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Diese Frage stellt mir das Gleichnis und Jesu Deutung. Wie steht es um dich? Wie steht es um uns? Zunächst ist die Mühe des Sämanns umsonst. Drei Mal wird er enttäuscht: Die Körner auf dem Weg werden zertreten und von Vögeln gefressen. Der felsige Boden ist zu trocken und hat keine Humusschicht. Das, was unter die Dornen fiel, wird vom überwuchernden Unkraut erstickt – Manches in unserem Leben scheint umsonst. Alle Mühe vergebens. Es läuft nicht alles reibungslos und endet mit Erfolg. Vieles misslingt. So geht es in unserer Welt zu. Sicherlich kann da jede und jeder von uns die eigenen Erfahrungen erzählen: Reibungen in der Beziehung zum Partner oder der Partnerin, in der Familie, bei der Erziehung der Kinder, Spannungen im Beruf. Ob das, was man tut, gelingt – ich zum Beispiel denke immer wieder im Religions- oder Konfirmandenunterricht: Was bleibt hängen, wirkt es weiter, was ich versuche, den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln?

Auch im weltpolitischen Rahmen verläuft Vieles ohne großen nachhaltigen Erfolg: Ich denke an die zähen Klimakonferenzen oder mancherlei Friedensgespräche, die immer wieder scheitern, wie jetzt wieder in der Ukraine und die Eskalation weitergeht. Vieles vergeblich. Solche Enttäuschungen können müde und leer machen. Sie können einen zusammenbrechen lassen, die Hoffnung und den Glauben an die Menschheit und Gott rauben. Der Same scheint nicht aufzugehen. Gottes Friedensreich fernzubleiben. Die neue Welt, der neue Himmel und die neue Erde sind weit weg. Gottes Licht wird verdunkelt. Die Botschaft von seiner Liebe und Gerechtigkeit setzt sich gegen andere Botschaften, die Politik, Wirtschaft und das Zusammenleben der Menschen durchweben, nicht durch. Oder zumindest: Sie hat es sehr schwer. „Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Was macht es so schwer? Was hindert? Jesus selbst gibt in seiner Erklärung Hinweise:

Da sind die, die auf dem Weg sind, welche die Macht des Bösen hindert, dass die Botschaft durchdringt. Sie steckt in uns allen. Sie trägt zerstörerische Züge, die das Gute immer wieder stark überlagern, dass es nicht wirken kann. Da sind die auf dem Felsen. Menschen nehmen die Botschaft zuerst mit Freuden auf. Aber sie wirkt nicht weiter. Sie brennt wie ein kurzes Strohfeuer. Das unter die Dornen Gefallene, das sind Menschen, die so sehr von ihren Sorgen, Nöten und Geschäftigkeiten, auch von Vergnügungen gefangen sind, dass es nichts anderes mehr zu geben scheint. Kurz: Es ist die Macht und Kraft der Sünde, die den Samen am Wachsen hindert. Die einen verführt, sein Herz nicht an Gott, sondern an Abgötter, wie sie auch heißen mögen, zu hängen. Da kann ich mich immer wieder finden, wenn ich mich frage: Wie ist dein Herz bestellt? Doch damit hört die Geschichte nicht auf.

Der Sämann bleibt standhaft, sät weiter, und einiges fällt auf gutes Land, geht auf und bringt hundertfach Frucht. Unser Sämann kann reiche Ernte halten und Erfolg verbuchen. Die Mühe hat sich gelohnt. Der Sämann ist mir so ein Beispiel dafür, trotz Niederlagen, Enttäuschungen und Rückschlägen nicht aufzugeben. Immer wieder kann man es erleben: Man meint, alles ist aus, verloren, und auf einmal geht ein Licht auf, auf einmal hat man wieder neuen Schwung, öffnet sich eine Türe, stellt sich ein kleiner Erfolg ein. Man schöpft wieder Hoffnung, das Vertrauen, auch in sich selbst, wird gestärkt, man gewinnt wieder Lebensmut. Zugleich ist der Sämann wie Gott. Gott, der sät, der sein Wort zu uns Menschen spricht. Der uns nicht aufgibt, sondern stetig und mit langem Atem dran bleibt. Die Botschaft von Gottes Friedensreich erschallt, leise zwar, aber es wird sich durchsetzen, wird Kreise ziehen. Mit Jesus begann es, ist nahe herbeigekommen. Der Same ist gesät, keimt auf, klein zunächst, wie das Senfkorn, doch er wächst. Viele haben sich schon anstecken lassen. Leben und engagieren sich in seinem Namen, im Vertrauen auf ihn.

Der Same wird mir übers Hören ins Herz gelegt, dass er dort aufgeht und mich prägt. Ich darf und kann mich dem öffnen, allen Widerständen zum Trotz. Es ist ein Kampf, es ist Mühe, doch sie lohnt sich, der Gewinn ist groß. Wir können beim Sämann auch eine Reihe kleiner Erfolge ahnen: Auf dem felsigen Boden kommt immerhin ein kleines Pflänzchen zum Vorschein. Unter den Dornen kann der Same aufgehen und blühen, er bringt bloß noch keine Frucht. Auf dem guten Land trägt er hundertfach Frucht.
Die Geschichte macht Mut und stärkt Hoffnung. Ruft die Welt einem oft zu: Fürchte dich! Setzt Gott, setzt Jesus dem entgegen: Nicht! – Trotz alle dem. Gottes Reich wird sich letztendlich durchsetzten, langsam zwar, aber stetig. Manche kleinen Begebenheiten im Alltag erinnern einen vielleicht daran: Ein gute Begegnung mit Menschen, die mir fremd sind. Wenn Menschen anderen beistehen, sie willkommen heißen. Wenn Versöhnung zwischen streitenden Parteien gelingt. Eine kleine Geste, ein Lächeln….

Dass Gottes Friedensreich wächst, auch wenn der Boden dafür oft sehr schwer und wenig dafür bestellt ist, diese Hoffnung nährt Jesu Sämann-Gleichnis. Auch zeigt es, dass man sich durch Rückschläge nicht entmutigen lässt. Wir Menschen allein können Gottes Reich nicht bauen. Aber wir können und sollen bei uns und in uns den Boden dafür bereiten, in dem wir uns Gott öffnen, seine Stimme hören, seinem Reich in unserer Lebensführung zu entsprechen suchen – auf dass es unter uns schon wirklich werde, und weiter wächst bis Gott es dereinst vollendet. “Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Die Antwort müssen wir uns selbst geben und uns um unser Herz kümmern. Doch in all den Anfechtungen sind wir nicht allein gelassen. Wie es in dem bekannten Nachtwächterlied heißt: „Menschenwachen kann nichts nützen. Gott muß wachen. Gott wird schützen!“ Gott unterstützt uns, unser Herz ihm gemäß zu bestellen und von seinem Wort prägen zulassen, uns zum Wohl und zur Stärkung, ihm zur Ehre.

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Ein Kommentar zu ““Mensch, wie ist dein Herz bestellt?”

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt? – Unter diesem Thema wird oft über das Gleichnis eine Bußpredigt gehalten mit Warnungen und Moral. Man kann intensiv über den Text predigen als seelsorgliche Hoffnung trotz des Unkrauts und der Sorgen des Lebens. Pfarrer Bossert verbindet beides. Mit freundlichem, warmherzigem Tonfall formuliert er Fragen, wie es mit Dir und mit uns steht. Von Beziehungsproblemen in der Partnerschaft bis zu Klimakonferenzen und Friedensgesprächen, aktuell in der Ukraine, reichen die analysierenden Fragen. Hinzu kommen Fragen nach der Macht des Bösen heute. Genauso ausführlich und verständnisvoll seelsorglich predigt Pfarrer Bossert dann über die Hoffnung und den Weg, um Lebensmut zu gewinnen. Die Hoffnung wird über das Persönliche hinaus geweitet bis zur Gewissheit, dass Gottes Friedens-Reich endgültig kommen wird. Wie gesagt: eine Predigt, welche Buße und Hoffnung überzeugend verbindet und welche man gern hört. – Als dritte Möglichkeit kann man wie Eugen Drewermann in seinem Buch über die Gleichnisse: (Wenn der Himmel die Erde berührt), psychotherapeutische Hoffnungspredigten verfassen. Die Jünger sind nach dem erfolgreichen galiläischen Frühling in eine Krise geraten. Jesus nimmt ihre Sorgen dreifach sehr tröstlich ernst und fasst sie in Worte. Nach dem Verständnis und Mitgefühl Jesu erst sind die Jünger frei zu glauben: “Bei Gott gibt es das Scheitern nicht” (S.12).

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