Methoden

Im Gespräch mit dem Wort Gottes bleiben

Predigttext: Epheser 6,10-17
Kirche / Ort: Augustinum / Heidelberg
Datum: 16.10.2016
Kirchenjahr: 21. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Kirchenrat Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: Epheser 6, 10-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Die geistliche Waffenrüstung

Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.

Gedanken:
V.11 Für „listige Anschläge“ (des Teufels) steht im griech. Urtext: methodeiai „Methoden“ = Gaunerei, Betrügerei, pl. Tricks
V.12 Wir haben zu kämpfen mit Mächtigkeiten, Herrschaften, Beherrschern dieser Welt, böse Kräfte bzw. teuflische Intelligenz/Machenschaften des Bösen. Die Welt wird im griech. Urtext mit „diese Finsternis“ bezeichnet
V.14 für „Panzer“ steht im griech. Urtext thorax= Brustharnisch, Brustgurt
V.15 wörtlich: die Füße beschuht mit Bereitschaft für das Evangelium des Friedens
V.16 statt (die feurigen Pfeile des Bösen) „auslöschen“ kann man auch den Urtext übersetzen: …zurückhalten, in Schranken halten
V.17 Helm, Sturzhelm, Schutzhelm

Eingangsgebet

Gott, auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Erfahrungen (in der hinter uns liegenden Woche) kommen wir zu dir. Wir danken dir für die Wegstrecken, welche uns wieder ein Stück weiterbrachten, für die Erfahrungen, die uns stärkten. Wir bringen vor dich die Schritte, die uns schwer fielen, und die Geschehnisse, die uns niederdrückten. Lass uns jetzt von neuem auf den Weg achten, den du, Gott der Achtsamkeit, mit uns gehen willst. Im Namen Jesu rufen wir zu dir: Kyrie eleison.

Tagesgebet

Gott, du bist voller Güte und Frieden. Wir Menschen aber bereiten einander böse Tage und Unfrieden. Wir bitten dich: Stärke uns auf dem Weg deiner Gebote, damit wir gute Tage sehen. Durch Jesus, deinen Christus und Sohn, der uns ein leuchtendes Beispiel ist, und mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Psalm 19
Evangelium: Matthäus 5, 38-48
Epistel: Jesaja 52,7-10

Lieder

"Gott liebt diese Welt" (EG 409)
"Gott gab uns Atem" (EG 409)
"Allein Gott in der Höh sei Ehr" (EG 179)
"Bewahre uns, Gott" (EG 171)

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Sind Sie zusammengezuckt, als Sie die ersten Zeilen des Bibeltextes gehört haben und das Wort „Waffenrüstung“ ausgesprochen wurde? Bleibt an diesem Wort nicht einmal jeder Widerstand hängen? Ungute Gedanken an Waffen, die tödlich sind, tödliche Ausrüstung, Krieg, Terror und Lebensgefahr. Erinnerungen an Menschen, die über unsere Fernsehgeräte flimmern, bewaffnet bis an die Zähne. Erinnerungen an getötete und zerfetzte Menschen. Bedrängend aktuell, gestern wie heute und jetzt in dieser Stunde.

Ängste steigen bei solchen Erinnerungen in uns auf. Ob der Verfasser des Epheserbriefes (Paulus oder ein Schüler von ihm) deshalb dieses drastische Bild ausgewählt hat? Er hätte damit erreicht, dass wir uns unseren Ängsten einmal zuwenden, sie spüren und zugeben, dass sie jeder von uns hat. Dass es Dinge gibt, die wie Gespenster oder böse Geister unter dem Himmel hier auf der Erde bedrohlich existieren, mächtige und gewaltige in der Welt. Wer ist denn hier in unserer Stadt oder im Dorf mit dem Teufel im Bunde? Wer könnte dies jemandem unterstellen! Die wirklich teuflischen Dinge spielen sich doch nicht hier, sondern in den Krisenherden dieser Welt ab. Aber sind wir vor dem bösen Tag sicher, an dem wir Widerstand leisten sollen? Ja, es gibt diesen Tag.

Es ist der Tag, an dem Menschen gemobbt werden. Lügen werden über sie verbreitet, seelisch auf einem Menschen herumgetrampelt, ein Mensch wird fertiggemacht. Das ist uns doch nicht fremd, vielleicht haben wir es selbst schon erlebt. Es ist der Tag, an dem ein Kind verprügelt wird. Und es ist der Es ist der Tag, Tag, an dem meine Zivilcourage gefragt ist. Es ist der Tag, an dem ich meine Angst überwinden und für Wahrheit und für Gerechtigkeit kämpfen muss oder den Kampf mit mir selbst aufzunehmen. Auch wenn ich für oder um eine andere Person kämpfe, immer geht es um meine innere Überzeugung, als Christin, als Christ um meinen Glauben, der praktiziert werden will, indem ich mich an Jesus von Nazareth orientiere, an seiner Lehre,an dem was er selbst in ganzem Vertrauen auf Gott lebte. Eine Ethik des Glaubens ist gefragt. In diesem Sinn möchte ich das Wort „Waffenrüstung“ verstehen, denn um zu kämpfen, muss ich irgendwie ausgerüstet sein.

Der Briefautor beschreibt die Rüstung mit Wahrheit, Gerechtigkeit, Glauben, Heil und Wort Gottes. Wahrheit und Gerechtigkeit als Kleid und Panzer, heute würden wir vielleicht Schutzkleidung sagen. Welch eine kluge Verbindung. Ist solch ein Kleid aus dieser Mischung gewoben, dann schützt sie vor der Lüge und Ungerechtigkeit von außen, aber auch vor Selbstgerechtigkeit, das lässt die Wahrheit nicht zu. Eine Wahrheit, welche nur den Splitter im Auge des anderen sieht, aber nicht den Balken im eigenen Auge, dies lässt die Gerechtigkeit nicht zu. Be-hütet mit dem Helm des Heils wird dieses Bild erst vollkommen. Heil sein, ganz sein, Körper und Geist miteinander verbunden, dies ist der Schutz gegen jede Arroganz und Überheblichkeit. Ohne den Verstand kann ich keine Hand gebrauchen und keine Zunge kann ein Wort sagen, und unser Verstand, unsere geistigen Kräfte – und dazu gehört ja auch jene stärkste Kraft, die Liebe – hätte ohne unseren Körper, unser Herz, unsere Hände und Füße keine Möglichkeit, sich einzusetzen.

“Die geistliche Waffenrüstung”, so hat Martin Luther den Briefausschnitt überschrieben. Die “geistlichen” Waffen sind der Glaube und Gottes Wort. Schwierige Waffen, die schwierigsten überhaupt. Deshalb werden sie so oft missbraucht, dies hat die Geschichte und besonders die Kirchengeschichte immer wieder gezeigt. Im Glauben an Gott und sein Wort wurden Frauen Jahrtausende lang zu Menschen zweiter Klasse degradiert, als Hexen verbrannt, und sie werden bis heute in einigen christlichen Kirchen von priesterlichen Ämtern ausgeschlossen. Im Glauben an Gott und sein Wort wurden Kreuzzüge begonnen, Völker mit Gewalt missioniert, und bis heute werden religiös motivierte Kriege geführt, eine Perversion jeder Religion. Dies alles geschieht immer dann, wenn wir Gottes Wort und seine Lehre filtern und sortieren, es genehm und passend machen, unseren Interessen unterwerfen. Dann werden sie höchstgefährliche Waffen, aggressiv gegen die Menschheit und bestimmt nicht gut gebraucht, sondern missbraucht.

Der “Glaube” als Schild wirkt anders. Er gesteht mir meine Verletzlichkeit zu. Der Glaube gibt mir die Möglichkeit, die Verbindung zu Gott vor Augen zu halten und so das Vertrauensschild zu entdecken, das zwischen mir und Gott und von Gott zu mir meinem Leben Schutz und Geborgenheit und daraus die Kraft zum Handeln gibt. Der Glaube weist mich darauf hin, dass ich auf Gott angewiesen bin.

Das “Schwert”, das Wort Gottes, ist scharf, sehr scharf sogar. Richtig gebraucht kann es Gutes vom Bösen trennen. „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist“, heißt es beim Propheten Micha im Ersten Testament, und das größte Gebot ist das Gebot der Liebe, so lehrt uns Jesus. Das Wort Gottes mit Liebe gebraucht ist noch zu wenig. Das kann auch heißen: Ich züchtige mit Liebe oder ich verurteile dich zu deinem eigenen Schutz. Das Wort Gottes heißt verstehen, was Gott wirklich uns Menschen mitteilen will. Sich um das Verständnis seines Wortes immer wieder neu bemühen, ständig mit ihm im Gespräch bleiben, im Beten und Handeln. Es heißt nicht, einzelne Sätze aus der Bibel für meine Interessen und zu ihrer Absegnung zu gebrauchen, einzelne Worte aus dem Zusammenhang zu reißen und als allgemeingültig hinzustellen. Es heißt, das Wort Gottes als ständigen Dialog zu verstehen, als verhandelbar, diskutierbar und nicht starr, einengend. Mit dieser Ausrüstung eines lebendigen liebenden Gottes sind wir dem Bösen nicht ausgeliefert, sondern für das Leben, auch heute an diesem Sonntag und für die vor uns liegende neue Woche.

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Ein Kommentar zu “Methoden

  1. Chr. Kühne

    Der Autor beginnt mit Bildern, die wir alle kennen, die Angst machen und jeden Lebenssinn rauben. Und dann spricht er von DEM TAG, an dem alles anders wird oder werden kann. Denn an diesem Tag geht es um die eigene Waffenrüstung. Um gegen Angst und Hoffnungslosigkeit angehen zu können, „muss ich irgendwie gewappnet sein“ – so der Prediger an diesem Sonntag.
    Was sind diese Waffen? Es sind der Glaube und Gottes Wort. Beides wird heute oft eigenen Interessen unterworfen, sodass der Glaube wie auch das Wort Gottes zu Angriffswaffen werden können.
    Wie kann das anders werden? Der Glaube kann mich darauf hinweisen, dass ich auf Gott angewiesen bin. Und das Wort Gottes – jenes zweischneidige Schwert – zeigt uns das Gebot der Liebe. Diese „geistliche Waffenrüstung“ möchte unseren Dialog mit Gott wieder freilegen, sodass wir mit Lust und Liebe jeden neuen Tag, jede neue Woche beginnen. Ohne Angst. Mit Hoffnung.

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