Predigt

Mittendrin

Solange nur Christus verkündigt wird, sind wir alle Gewinner und haben Grund zur Freude

PredigttextPhilipper 1,15-21
Kirche / Ort:St. Martini-Kirche / Estebrügge (21635 York)
Datum:18.03.2012
Kirchenjahr:Lätare (4. Sonntag der Passionszeit)
Autor:Pastorin Dr. Martina Janßen

Predigttext: Philipper 1,(12)15-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

„Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten. Denn dass ich meine Fesseln für Christus trage, ist im ganzen Prätorium und bei allen anderen offenbar geworden, und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu. Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tut’s aber? Wenn Christus nur verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder zur Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und den Beistand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich warte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allzeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, sei es durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“

Exegetische (I.) und homiletische (II.) Erwägungen

I.

Paulus schreibt den Philipperbrief aus der Gefangenschaft heraus (der Ort der Gefangenschaft ist unklar: Ephesus? Cäsarea? Rom? - vieles spricht für Rom). Der Philipperbrief gilt als einer der persönlichsten Briefe des Paulus und erinnert in Vielem an den antiken Freundschaftsbrief. Umstritten ist, ob der Brief einheitlich ist oder eine Zusammenfügung mehrerer Briefe darstellt, wie unterschiedliche Teilungshypothesen vor allem in der älteren Forschung behaupten. Heute tendieren wieder viele Forscher zur Einheitlichkeit. Phil 1,15-21 ist Bestandteil der brieflichen Selbstempfehlung (1,12-30). Die Abtrennung der Perikope erscheint nicht sinnvoll; die Verse 1,12-14 sollten hinzugenommen werden.

Phil 1,14-21 setzt die Inhaftierung des Paulus voraus (1,12-14. 17), die paradoxerweise zur Verbreitung der Christusbotschaft beiträgt. Die Mitarbeiter des Paulus lassen sich nicht abschrecken, sondern fassen im Gegenteil Mut zur intensiven Verkündigung (1,14). Aber auch Konkurrenten und Rivalen, die im Hinblick auf Motivation und Methode der Christusverkündigung andere Vorstellungen als Paulus selbst haben, werden aktiv (1,15-17; konkurrierende Verkündigungsformen und -Personen sind – ganz abgesehen von der Häresieproblematik – immer wieder ein Thema in den Paulusbriefen; vgl. z.B. 1 Kor 1,10-17). Doch Paulus kann sowohl in konkurrierenden Verkündigungsformen und -Motivationen als auch in seiner Inhaftierung das Positive sehen: Hauptsache Christus wird verkündigt (vgl. zu diesem Gedanken, wenn auch anders akzentuiert, 1 Kor 9,19-23)! Wenn das geschieht, ist das für Paulus Grund zur Freude. Paulus ist zuversichtlich: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden“ (1,6). Paulus weiß, dass Gott durch und in ihm wirkt, egal in welcher Lebenssituation. „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht“ (4,13).

Gerade in Bedrängnis kann Christus wachsen, was Paulus am eigenen Leib erfährt (1,12-14): Sein Martyrium wird zum Christuszeugnis und zur Förderung des Evangeliums (1,12-13.20). „Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn“ (1,21). Weil das so ist, kann selbst aus dem Bösen Gutes wachsen und Christus verherrlicht werden. Entscheidend ist für Paulus das „Dass“ der Christusverkündigung (1,18), auch wenn das „ Wie“ und „Warum“ nicht seine Zustimmung findet, ja selbst wenn Paulus bestimmte Formen der Christusverkündigung als fehlerhaft oder zweifelhaft ansieht („aus Neid und Streitsucht“; „ aus Eigennutz und unlauter“: 1,15.17). Methode und Motivation erscheinen letztlich als zweitrangig. Diese Toleranz gilt indes nicht für den Inhalt. Hier kennt Paulus wie gewohnt keine Kompromisse (vgl. z.B. Gal 1,6-9; 2 Kor 11,4). Für die judenchristlichen Gegner findet Paulus im Philipperbrief deutliche Worte (z.B. 3,2f).

II.

Phil 1, (12-14)15-21 bietet viele Ansatzpunkte für eine Predigt, z.B. die Freude auch im Leiden, weil in Christus das Leben ist (1,21; vgl. auch die Epistellesung 2 Kor 1,3-7). Ich entscheide mich für einen anderen Skopus. In unserer Gemeinde und Region herrscht zur Zeit Bedrängnis, weil einschneidende Strukturreformen anstehen. Wir sind gefangen in Sparzwängen, alte Traditionen sterben. Da ist Pauli Brief an die Philipper wie für uns geschrieben: Der Aufruf zur Freude (1,4.18; 2,29; 3,1; 4,1.4-6) und die Mahnung zur Einheit (1,27; 2,2) treffen ins Schwarze. Am 18. März ist bei uns zudem Kirchenvorstandswahl, was die Diskussion um die aktuellen Strukturreformen anheizt. Das Thema liegt sozusagen oben auf. Einige sind angesichts der aktuellen Lage frustriert und gelähmt, aber andere engagieren sich gerade weil Bedrängnis herrscht und Not am Mann ist. Die Situation führt zu Konflikten und Diskussionen; die Frage nach den Rahmenbedingungen der Christusverkündigung wird laut: In welchen kirchlichen Strukturen kann Christus in der Zukunft verkündigt werden? Hier ist Phil 1,18 für mich ein Schlüssel: Solange nur Christus verkündigt wird, sind wir alle Gewinner. Und weil das so ist, gibt das Grund zur Freude: Lätare!

Für die Predigt wähle ich einen narrativen Rahmen (fiktive KV-Sitzung / Gemeindefest), um dann den Gedanken von Phil 1,18 auf dem Hintergrund unserer Gemeindesituation zu entfalten. Was die narrative Konkretion betrifft: Meine Gottesdienstgemeinde ist Selbstironie in Predigten gewöhnt, das ist vielleicht nicht überall übertragbar!

Zur Liturgie

Psalm 84 Epistel: 2 Kor 1,3-7 Evangelium: Joh 12,20-26

Lieder

„Tut mir auf die schöne Pforte“ (EG 166, 1.4-5) „Sonne der Gerechtigkeit“ (EG 263,1-2.4-5) „In dir ist Freude“ (EG 398) „Vertraut den neuen Wegen“ (EG 395) „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ (EG 369,1-2.7)

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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