Neuer Blick auf dieses Leben
Unter welches Gesetz stellen wir uns?
Predigttext: Römer 10, 9-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift spricht (Jesaja 28,16):»Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden. « Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7):»Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen! [« Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1):»Herr, wer glaubt unserm Predigen? «] So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.
Römer 10,9-15.17 (Übersetzung Gute Nachricht Bibel, Revision 1997)
9 Wenn ihr mit dem Mund bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, werdet ihr gerettet.
10 Wer mit dem Herzen glaubt, wird von Gott als gerecht anerkannt; und wer mit dem Mund bekennt, wird im letzten Gericht gerettet.
11 So steht es ja in den Heiligen Schriften: „Wer ihm glaubt und auf ihn vertraut, wird nicht zugrunde gehen“.
12 Das gilt ohne Unterschied für Juden und Nichtjuden. Sie alle haben ein und denselben Herrn: Jesus Christus. Aus seinem Reichtum schenkt er allen, die sich zu ihm als ihrem Herrn bekennen, ewiges Leben.
13 Es heißt ja auch: »Alle, die sich zum Herrn bekennen und seinen Namen anrufen, werden gerettet.«
14 Sie können sich aber nur zu ihm bekennen, wenn sie vorher zum Glauben gekommen sind. Und sie können nur zum Glauben kommen, wenn sie die Botschaft gehört haben. Die Botschaft aber können sie nur hören, wenn sie ihnen verkündet worden ist.
15 Und sie kann ihnen nur verkündet werden, wenn Boten mit der Botschaft ausgesandt worden sind.
Aber genau das ist geschehen! Es ist eingetroffen, was vorausgesagt war: »Welche Freude ist es, wenn die Boten kommen und die Gute Nachricht bringen!«
17 Der Glaube kommt also aus dem Hören der Botschaft; die Botschaft aber gründet in dem Auftrag, den Christus gegeben hat.
Vorüberlegungen
Einmal mehr entscheide ich mich für den Text der Guten Nachricht und gegen die Lutherversion. „Glauben kommt aus der Predigt“ klingt zu sehr nach Sonntagspredigt. Lieber ist mir, dass die Botschaft von jedem Christen weitergesagt wird, auch von meinen Hörern am Montag. Über V 16 bin ich bei jedem Lesen gestolpert. Ich klammer ihn aus, weil mir der Text dann flüssiger und verständlicher scheint und einen Gedankengang weniger macht.
Ein Gedanke aus den aktuellen Predigtstudien (2015/16 II ed W. Gräb, Freiburg 2016) lässt mich nicht los: Von welchem Gesetz redet Paulus? Von der Thora, vom Naturgesetz oder vom Weltgesetz? Unter welches Gesetz stellen wir uns? Das Gesetz des Marktes und der Globalisierung? Vieles ist ja heute angeblich alternativlos. Für alle, die Jesus Christus als Maßstab ihres Denkens und Handelns anerkennen, müssten sich doch Alternativen auftun. Mindestens im Denken kann christliche Anarchie nicht schaden. Populismus bringen andere. Das sogenannte „Gutmenschentum“ möchte ich mir auch nicht zu eigen machen. So versuche ich mich darin Denkanstöße zu liefern, statt fertige Antworten.
Die Geheimdienste dieser Welt hören oder lesen mit, was über Telefon und Internet kommuniziert wird. Das wissen wir seit Edward Snowdon die Machenschaften der amerikanischen NSA öffentlich gemacht hat. Mitlesen oder mithören heißt: Computerprogramme durchsuchen die Kommunikation nach bestimmten Stichworten. Fragen Sie mich nicht, welche Stichworte das sind. „Dschihad“, vielleicht und „Zünder“, „TNT“ was weiß ich. Bestimmt sind auch Stichworte darunter, die Hinweise darauf liefern, dass ein Staatswesen untergraben werden soll. In seinem Brief an die christliche Gemeinde in Rom spricht Paulus ständig vom „Ende des Gesetzes“. Mit diesem Stichwort wäre er sicher auf dem Radar eines Geheimdienstes aufgetaucht. Und er hat ja auch mehr als einmal im Gefängnis gesessen, weil um ihn mehr als einmal Unruhe war. Seine Gedanken waren quer zu vielem, was in der damaligen Welt als richtig und gut galt. So gesehen war Paulus ein Anarchist. Bevor ich mich mit dem Stichwort „Ende des Gesetzes“ beschäftige, eine andere Sache:
Bei Paulus steht und fällt alles mit dem Glauben an Jesus Christus. Der Glaube ist alternativlos. „Wenn ihr mit dem Mund bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, werdet ihr gerettet.“ Paulus betrachtet den Menschen nicht in einem Zeitraum von der Wiege bis zur Bahre. Für Paulus ist das allenfalls der Zeitraum in dem sich der Glaube entfalten kann und sich bewährt. Aber das eigentlich Ziel kommt erst danach: Vom Tod errettet und bei Christus sein! Deshalb ist es so wichtig für Paulus „im Herzen zu glauben, dass Jesus von Gott auferweckt ist“. Nur wenn nach dem Tod noch was kommt, macht Glaube Sinn. Wenn mit dem Tod alles aus ist, kann man den Glauben in die Tonne treten, – zitiere ich den Apostel mal sehr frei. Wenn ich auf Christus vertraue, komme ich ans Ziel, werde ich gerettet – daran ist Paulus gelegen. Und darin liegt auch heute noch ein Stück Anarchie. Oder besser: Auf Christus vertrauen gibt Freiheit.
Wer mit dem Mund bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, der kommt ans Ziel. Das Ziel liegt außerhalb dieses Lebens. Das gibt einen neuen Blick auf dieses Leben. Ein bisschen von oben herab sozusagen: Wenn die Bayern die Deutsche Fußball Meisterschaft mal wieder am 30. Spieltag sicher haben, gehen sie ganz locker in die letzten Partien. Also „Wer mit dem Herzen glaubt, wird von Gott als gerecht anerkannt; und wer mit dem Mund bekennt, wird im letzten Gericht gerettet.“ Das eigentlich ist durch den Glauben schon – fast- erreicht. Um das große Ziel zu erreichen, ist der Glaube alternativlos. Aber lassen Sie mich noch einmal einen Schritt zurückgehen, zum „Ende des Gesetzes“. Das Gesetz ist laut Paulus durch den Glauben an Jesus Christus überholt. Bisher habe ich bei Gesetz immer an das jüdische Gesetz gedacht: an Reinheitsgebote, Opfergesetze und Speisevorschriften. Dass ich mir Gott nicht gewogen machen kann, indem ich bestimmte Dinge nicht esse oder am Sonntag keine Wäsche wasche, das ist evangelischer Glaube seit 500 Jahren. Aber ich frage mich: Bin ich wirklich frei vom Gesetz?
Heute herrschen Gesetze, denen mich ich unterwerfe, ohne genau hinzusehen oder ohne als einzelne mich entziehen zu können. Heute ist das Leben dem Gesetz des Marktes und der Globalisierung unterworfen. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Das ist auf den ersten Blick in Ordnung. Aber wenn der Milchpreis so niedrig ist, dass ein Landwirt, wenn er zum Melken geht, das Geld in den Stall mitnehmen muss, dann ist doch etwas falsch. Pflegekräfte und Heilerzieher werden in Deutschland verglichen mit anderen Berufen schlecht bezahlt. Das heißt: Der Marktwert von Kindern, Kranken und Alten ist gering. Ein Spezialist für IT – Sicherheit dagegen diktiert seiner Firma, wo er arbeiten will. Der hat einen guten „Marktwert“. Wir können als Einzelne aus den Gesetzen des Marktes und der Globalisierung schlecht aussteigen. Aber sollen wir alle Gesetze des Marktes einfach hinnehmen als alternativlos? “Wenn ihr mit dem Mund bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, werdet ihr gerettet.“ Ich sehe nicht, dass die Erlösung der Welt durch die ungeschriebenen Gesetze des Marktes und der Globalisierung erfolgt. Jesus Christus setzt jedenfalls andere Maßstäbe – mit seiner Hinwendung zu den Kranken und Aussätzigen, mit seiner Liebe zu Fischern und Versagern.
„Wer Jesus glaubt und auf ihn vertraut, wird nicht zugrunde gehen. Das gilt ohne Unterschied für Juden und Nichtjuden.“ In den ersten Gemeinden kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Menschen mit jüdischem Hintergrund, Menschen, die vorher den römischen Göttern geopfert haben, Menschen, deren Religion heute fremdgeworden ist. Paulus bindet sie alle zusammen: “Wer Jesus glaubt und auf ihn vertraut, wird nicht zugrunde gehen. Das gilt ohne Unterschied.“ Hierarchien – sind nicht wichtig! Herkunft – zählt nicht! Staatsangehörigkeit, Hautfarbe, Geschlecht, Alter – alles gleichgültig. Wer auf Jesus vertraut, wird nicht zugrunde gehen, das gilt ohne Unterschied. Wer in einer Gemeinschaft der Unterschiedlichen lebt, wer gerettet ist, sieht die Welt mit anderen Augen. Er sieht den Menschen, den Mitchristen. Der Fremde, der andere ist jemand, der auch zu Christus gehört. Oder ein Mensch, der zu Christus gehören könnte und dem die gute Botschaft von Glauben noch zu Gehör zu bringen ist. Hier ist nicht Jude nicht Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau, ihr seid allesamt einer in Christus.
Im deutschen Grundgesetz hießt es in Artikel 3: (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. – Auf dem Papier steht es, aber in den Köpfen und Herzen vieler Menschen scheint mir das nicht angekommen zu sein. Im Augenblick wird öffentlich viel über Sicherheit diskutiert. Ein wichtiges Thema, zweifellos. Es lässt sich gut diskutieren, weil es alle betrifft. Wenn wir vom Mitmenschen ausgehen, der uns in Christus gleichgestellt ist, sollten wir lieber diskutieren über Jobs und Wohnungen und Chancen. Aber einen Flüchtling in Arbeit zu bringen, ist nicht so leicht. Das ist auch Arbeit, gut dass Ehrenamtliche und Behörden sich kümmern.
Populismus können alle. Mitmenschlich denken, quer und ein bisschen anarchistisch denken oder besser sehr frei denken, können Christen.
Denn: „Wenn ihr mit dem Mund bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, werdet ihr gerettet”. Christen sind nicht mehr ganz von dieser Welt. Jetzt habe ich diesen Vers schon oft wiederholt, aber eines noch nicht angesprochen: „Wenn ihr mit dem Mund bekennt, das Christus der Herr ist”. Sich als Christ bekennen gehört zum Christsein und zum Querdenken, ist aber nicht so einfach. Im geschützten Raum der Kirche und der Gottesdienste lässt sich über den Glauben reden. Pastorinnen dürfen das auch draußen. Ich habe quasi Narrenfreiheit. An der Werkbank, in der Schule und im Büro ist es aber nicht so leicht zu sagen: Ich gehöre noch zur Kirche. Oder gar: Ich gehöre zu Christus. Aber welche Freude ist es, wenn die Boten kommen und die Gute Nachricht bringen! Christus hat den Auftrag gegeben seine gute Botschaft weiterzusagen. Es ist eine gute Botschaft den Menschen zu sagen: „Der Glaube an Christus ist alternativlos!“
Vielleicht muss die Botschaft von Christus heute auch nicht mehr gesagt werden. Die Botschaft weiterzugeben geht heute wahrscheinlich besser über das allumspannende Netz der neuen Medien. Jemand zu mobben geht im Schutz der Anonymität des Netzes super. Umgekehrt müsste es auch gehen: Die gute Botschaft weiterzutragen über Facebook, Twitter und Whatsapp: “Wenn ihr mit dem I-Phon bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen vertraut, dass Gott Jesus vom Tod auferweckt hat, habt ihr grenzenloses Guthaben bei Gott”.