Predigt

Notwendige Orientierung an Jesus von Nazareth

Ohne die Grundlagen des Christentums versinkt die Gesellschaft in Barbarei

PredigttextLukas 2,41-52
Kirche / Ort:09322 Penig
Datum:04.01.2015
Kirchenjahr:2. Sonntag nach dem Christfest
Autor:Pfarrerin i.R. Ursula Bürger

Predigttext Lukas 2,41-52 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Und seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest. Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten's nicht. Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn. Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm:Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sprach zu ihnen:Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte. Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan. Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen. Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

Meditation zum Predigttext

Die Feier der Geburt Jesu – übrigens das jüngste Fest der Christenheit, wenn man an den chronologischen Verlauf der Kirchengeschichte und der Feiertradition des Christentums denkt, liegt hinter der Gemeinde. Nun kommen logischerweise, biografisch gedacht, die Kindheits-und Jugendjahre Jesu. Der Evangelist Markus weiß nichts davon. Bei ihm beginnt das Evangelium mit der Taufe des erwachsenen Jesus, dem Beginn seines Wirkens. Auch der Evangelist Johannes kennt diese Erzähltradition wie Lukas und Matthäus nicht. Mk und Joh haben andere Gemeinden als Empfänger ihrer Evangelien als Lukas und Matthäus, auch andere Quellen, aus denen sie ihre Evangelien zusammenstellen. Der Evangelist Lukas ist bestrebt, Jesus in den großen weltgeschichtlichen Zusammenhang und ihn ebenbürtig neben die großen Magier, Politiker, religiöse Führer der Zeit zu stellen.

Die älteste Parallele zu der lukanischen Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel findet sich in der ägyptischen Erzählung von Setme Chamois. In der sehr beschädigten Einleitung wird erzählt, daß der Setme Chamois, ein Sohn König Ramses II. und Hoherpriester des Ptah von Memphis, und sein Weib Meh-Usechet lange Zeit kinderlos waren. Einst hatte Meh-Usechet einen Traum, sie würde nach dem Genuß einer bestimmten Frucht schwanger werden. Sie handelte danach. Bald darauf träumte Setme, daß ein Gott ihm befehle, das zu erwartende Kind Si-Osire zu nennen. Dieser Knabe ist, wie wir am Schluss der Erzählung erfahren, ein wieder auf die Welt zurückgekehrter Toter, Hor, Sohn des Penesche, ein Zauberer, der vor anderthalb Jahrtausenden gelebt hatte und jetzt auf seine Bitten von dem Totengott Osiris wieder in das Leben zurückgeschickt war, um die ägyptischen Zauberer vor der Schmach zu bewahren, durch einen Farbigen in ihrer Kunst besiegt zu werden. Im Text heißt es dann:

„Der Knabe wuchs heran und wurde kräftig. Er wurde (zur Schule) gesandt;( bald übertraf) er den Schreiber, dem er zum Unterricht anvertraut war....(Als nun der) Knabe Si-Osire zwölf Jahre alt geworden war, da war er so weit, daß ihm in Memphis kein (Schreiber oder Gelehrter gleichkam) im Lesen von Zauberbüchern übertreffen könnte"(R. Bultmann, Geschichte der synoptischen Tradition, 7.Aufl., Göttingen, S. 328). Es gibt noch andere parallele Geschichten aus dem Judentum, um Buddha, die vielleicht für Lukas als Quelle nicht in Betracht kommen, aber doch verblüffen in ihrer Ähnlichkeit mit der biblischen Geschichte. Lukas befriedigt offenbar ein Bedürfnis der jungen Christenheit, Jesus als Geist-Held, als Wunderkind vorzustellen. Den Wunsch, mehr aus dem Leben eines Großen zu erfahren, kennen wir. Er taucht immer dann auf, wenn sich die Größe schon erwiesen hat und der Heros schon tot ist. (Luther, Marx, Schweitzer, Gandhi...) Und meist erfährt man enttäuschende Einzelheiten, eine Ent-Mythisierung findet statt.

Die neutestamentlichen Apokryphen treiben den Mythos Jesus weiter bis ins Groteske. Im Kindheitsevangelium des Thomas finden sich Begebenheiten aus der Kindheit Jesu, die einem Leser das Kind Jesus nicht gerade sympathisch machen. Bei Thomas findet sich das Kind Jesus auch im Tempel und seine verblüffende Weisheit wird betont. In EvThomInf 19,4-5 ist er aktiver an der Debatte über das Gesetz beteiligt als beim EvLk, und es wird ausführlicher berichtet, worum es in der Diskussion geht. (P. Foster, Die apokryphen Evangelien, Stuttgart, Reclam, 2011, S.97). Mit dem zwölfjährigen im Tempel endet das Thomasevangelium. Auch sie will, wie der Evangelist Lukas, die zwei Pointen zur Geltung bringen: 1. Die überraschende Weisheit des jugendlichen Jesus und 2. Sein Weilen im Tempel, das seine religiöse Bestimmung kundtut. Für beide Motive gibt es Parallelen in der außer-und vorchristlichen Literatur, die Lukas wahrscheinlich gekannt hat und nun sein Bestreben unterstützt, Jesus in den kulturellen Zusammenhang mit den geistigen, politischen und religiösen Führern der Zeit zu stellen, ihn ebenbürtig den Großen zu machen, das offenbare Bedürfnis der Christen bis heute. Nur verwenden Theologen/innen heute andere kulturelle Aussagen als z.Zt. des Lukas, diesen Zweck zu erreichen.

Heute finde ich z.B. die Hochschätzung der Bergpredigt für das Überleben der Menschheit, Jesu Betonung der Nächstenliebe als unabdingbar für das Zusammenleben der Menschen, die Einordnung der Religion als geistige Komponente jeder Gesellschaft und Kultur. Ich bin überzeugt, dass ohne die Grundlagen des Christentums die Gesellschaft in Barbarei versinkt, wie ja lange Zeit die Ermahnung zu moralischem Handeln das Hauptanliegen der Kirche war. Es ist heute in Verruf gekommen – Gardinenpredigt! - aber wer belogen, betrogen, hintergangen und geschädigt wird, weiß den Wert moralischen Handelns zu schätzen. Lukas stellt uns den zwölfjährigen Jesus als einen schon mit Weisheit begabten vor, der im Kreis der Gelehrten seinen Platz hat, Gelehrte, die die „Weisungen der Tora“ studieren und weitergeben. Und er lässt uns schon ahnen, wie dieser Junge einmal als Erwachsener sein wird, der mit seinem Tod seine Lehre verifiziert.

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Heinz Janssen
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