Österliche Entgrenzung
Über Mauern springen, Trennendes hinter sich lassen
Predigttext | Apostelgeschichte 10,34a.36-43 |
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Kirche / Ort: | 09322 Penig |
Datum: | 21.04.2014 |
Kirchenjahr: | Ostermontag |
Autor: | Pfarrerin i.R. Ursula Bürger |
Predigttext: Apostelgeschichte 10,34a.36-43 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansieht; 35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm. 36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle. 37 Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, 38 wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. 39 Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. 40 Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, 41 nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten. 42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. 43 Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.
Gedanken zum Predigttext
Die Verse 34-43 im 10.Kapitel der Apostelgeschichte beinhalten eine Rede des Petrus, des ersten der Jünger und Säule der "altgläubigen" Jerusalemer Gemeinde. Lukas, ob es derselbe ist wie der Schreiber des Lukasevangeliums sei dahingestellt, gebraucht das Stilmittel der Rede, um die gegenwärtigen Zuhörer anzureden. Am Ostermontag 2014 predigen wir über eine Predigt. Hier wird deutlich, was für das gesamte Neue Testament gilt: Wir heute legen Predigten der ersten Christen aus. Das ist wohl das, was Bultmann "die Auferstehung Jesu ins Kerygma" nannte. Unser Glaube kommt aus dem Hören. Und Ostern ist die Brücke zwischen dem vorösterlichen Jesus und nachösterlichen Christus. Ostern hat das Jesusgeschehen verkündbar und universal gemacht, ohne die leibhafte Gegenwart Jesu notwendig zu haben. Es geschah eine Entgrenzung, inhaltlich, räumlich.
Das ganze 10.Kapitel der Apg erzählt einen Entgrenzungsvorgang, wie mühsam und mit welchen Mitteln Gott da vorgehen muß. Und ausgerechnet Petrus, die Säule der "rechtgläubigen" Gemeinde wird ausgewählt. Lukas zeichnet ein Bild der Gemeinde: Es gibt Presbyter, die durch Handauflegung der Apostel ihre Ämter übertragen bekommen. In Missionsgebieten müssen Paulus und Barnabas die Presbyter auswählen und sie in ihre Ämter einsetzen. Bald werden auch Heiden in die christliche Gemeinde aufgenommen. Die Entgrenzung, Übergang der christlichen Botschaft in "alle"Welt geht seinen Gang. Nun werden auch römische Soldaten, wie der Centurio Cornelius, in die christliche Gemeinde aufgenommen. Das neue Leben, das mit dem auferstandenen Christus in die Welt gekommen ist, geht um die Welt. Und welche Schwierigkeiten die junge Christenheit zu bewältigen hatte,wird an unserer Perikope deutlich. Das "Semper reformanda" wird am Wandel des Petrus erzählt. Ich denke, wir können das heute gut nachempfinden, denn auch wir haben unsere "alt- und rechtgläubigen" Ansichten, die sich hartnäckig behaupten. Auch wir brauchten solche Träume wie der Petrus, um die Einladungen aus den Reihen der Corneliusse annehmen zu können.
Diese Petruspredigt ist eigentlich eine Taufunterweisung, denn es läuft ja alles auf die Taufe des Cornelius und "seines Hauses" hinaus. Obwohl er ein Sympathisant der jüdischen Gemeinde war, muss er die Botschaft von Jesus Christus übermittelt bekommen, damit er weiß, worauf er getauft wird. Er muss das Christuskerygma kennen lernen.Und wir predigen zu Ostern über eine Osterpredigt der frühen Christenheit. Für uns kommt der Glaube aus dem Hören, wie bei den vielen Christen vor uns. Und für jeden von uns hat der so wiedergegebene Glaube die Färbung, die wir von denen erhalten haben, die uns von Jesus erzählt haben – Eltern, Lehrer, Freunde, Pfarrer.....Auch deshalb gibt es die vielen verschiedenen christlichen Kirchen und Gruppen, Auffassungen und Lebensmodelle. Und Jesus Christus in allen!
Der Schreiber der Apostelgeschichte war nicht der erste Prediger des Evangeliums, aber er will den neuen Glauben aus der Schmuddelecke des Sektierertums holen und ihm seinen Platz in der großen Menschheitsgeschichte sichern. Rom und Athen sollen aufhorchen. Wir erleben hier den Übergang des christlichen Glaubens von einer innerjüdischen Erneuerungsbewegung zur Weltreligion. Der Fischer Simon vom See Genezareth konnte nicht wissen, dass er viele Jahrhunderte später im Petersdom in Rom als der Apostelfürst Petrus angebetet werden würde und die Christenheit die Probleme des untergegangenen Römischen Reiches erben würde. Die Pax Romana war doch etwas anderes als der Frieden, der mit Jesus in die Welt gekommen war. Und auch da waren Christen wie Petrus, eher zögerlich, den Christusfrieden für alle Menschen gelten zu lassen. Und bis heute fällt uns Christen das interreligiöse Denken und Handeln schwer. Dabei sollte doch seit dem ersaten Ostern in Jerusalem alles Trennende, alle Schranken zwischen den Menschen aufgehoben sein. Ostern gilt als das Fest der Entgrenzung. Petrus muss mit einem Traumgesicht überzeugt werden, daß die alten Kultvorschriften, die Einteilung des Lebens in Rein und Unrein nicht mehr gelten, von Gott selber abgeschafft sind.
Durch den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus werden Menschen zu Brüdern und Schwestern und befähigt, miteinander zu leben. Ostern ist die Überwindung von Hindernissen, die unüberwindlich schienen. Aber wenn ich unsere Lebenswelt anschaue, ist immer noch Passion, die auf Ostern wartet. Heute gibt es, genau wie damals für Petrus, Menschen wie Cornelius, die auf uns, auf die Gute Nachricht warten. Wenn wir durch Mission unser Koordinatensystem verändern, werden auch wir andere, österliche Menschen. Petrus mutet seiner Gemeinde die Entgrenzung des christlichen Glaubens zu: Rasse, Klasse, Religion, Besitz, Geschlecht....Osterglaube versöhnt und eint. Das Leben wird wieder neu. Deshalb können wir fröhlich sein.