Predigt

„Package deal“

Bilanzen - wer zieht den Schlussstrich?

PredigttextJeremia 20, 7-13
Kirche / Ort:Lutherkirche / Karlsruhe / Evangelische Landeskirche in Baden
Datum:03.03.2013
Kirchenjahr:Okuli (3. Sonntag der Passionszeit)
Autor:Pfarrerin Ulrike Krumm

Predigttext: Jeremia 20, 7-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

7 Herr, du hast mich überredet, und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich. 8 Denn sooft ich rede, muss ich schreien; „Frevel und Gewalt!“ muss ich rufen. Denn des Herrn Wort ist mir zu Hohn und Spott geworden täglich. 9 Da dachte ich: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich's nicht ertragen konnte; ich wäre schier vergangen. 10 Denn ich höre, wie viele heimlich reden: „Schrecken ist um und um!“ „Verklagt ihn!“ „Wir wollen ihn verklagen!“ Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: „Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.“ 11 Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen ganz zuschanden werden, weil es ihnen nicht gelingt: Ewig wird ihre Schande sein und nie vergessen werden. 12 Und nun, Herr Zebaoth, der du die Gerechten prüfst, Nieren und Herz durchschaust: „Lass mich deine Vergeltung an ihnen sehen; denn ich habe dir meine Sache befohlen. 13 Singet dem Herrn, rühmet den Herrn, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften errettet!

Exegetische und homiletische Einführung

Am Sonntag Okuli geht es um die Blickrichtung. Welchen Fixpunkt wählen die Augen, um nicht aus Takt und Rhythmus zu kommen? Ps 25,5 ist Leitwort: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn; denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.“ Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt: „Meine Augen lassen Adonaj nicht aus dem Blick.“ Darin spiegelt sich die Anstrengung, gegen das anzukommen, was den Blick ablenken und den Menschen ängstlich machen will. Das Evangelium Lk 9,57-62 fordert andere Einseitigkeit: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück (Wochenspruch). Der Blick auf Gott fordert und bringt in Gefahr. Andere Blickrichtungen sind ausgeschlossen, denn das Auge ist verführbar. Das lernte schon Eva.

Jeremia vereint beide Perspektiven: Gott rief ihn zum Propheten. Er leidet, weil er dem Wort nicht ausweichen kann. Aber nur bei diesem fordernden Gott ist Hilfe zu finden. Dramatisch ist die Wortwahl. „Überreden“ heißt eigentlich „betören“ oder „verführen“: Gott nutzt die Unerfahrenheit seines Boten aus, so wie ein Mensch die Liebe – oder die Armut - eines anderen Menschen ausnutzt. „Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten; spricht der Herr“: das war die Vertragsgrundlage gewesen, die Gott spätestens seit der Gefangensetzung durch Paschhur (Jer 20,1ff) scheinbar verlassen hat. Gottes Zugriff fühlt Jeremia am ganzen Leib (V.7b). Der Midrasch findet in diesem Vers Gottes Bundesschluss mit Israel wieder und wirft damit die Frage auf, warum es „lohnt“, sich an Gott und seine Gebote zu halten. Spott erntet Jeremia, weil seine düsteren Prophezeiungen (noch) nicht eintreffen. Mit „Frevel und Gewalt“ (V.8) schreit er heraus, was ihm widerfährt.

So wie Jeremia Gottes Macht nicht nur in Worten, sondern am ganzen Leib spürt, so spürt er seine eigene völlige Unterlegenheit, wenn er das Wort verschweigen will (V.9). Die Vertrautesten wenden sich gegen ihn und kreisen ihn mit ihrem Schrecken ein (V.10, vgl. Ps 31,14). Hier ist Jeremias Klage an der tiefsten Stelle angelangt. Und genau von hier aus wächst ihm wieder Vertrauen zu. Wo ihn nichts mehr hält, prägt sich ihm Gottes Nähe und Hilfe ein. Wie in Jer 11,20 nennt er Gott den, der die Gerechten auf Herz und Nieren prüft. Der Gerechte verzichtet auf Rache, weil er auf Gottes Eingreifen hofft. Von Angst und Rachephantasien befreit kann Jeremia am Ende in Jubel ausbrechen (V.13). Ich will in Jeremia nicht Jesu Leiden vorgezeichnet sehen, sondern sehe den Zusammenhang zwischen Jeremia und Jesu Nachfolgern, die mit Täuschungen und Enttäuschungen lernen müssen zu leben.

Literatur: Roland Gradwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen, Band 2, Stuttgart 1995.

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