Predigt

"Peter und Paul"

Soll man sein Christsein offensiv oder diplomatisch leben?

PredigttextGalater 2,11-16 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Magdebirg
Datum:29.06.2024
Kirchenjahr:Sonstige Anlässe
Autor:Pastor em. Dr. habil. theol. Günter Scholz

Predigttext: Galater 2,11-16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

11 Als aber Kephas nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er hatte sich ins Unrecht gesetzt. 12 Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. 13 Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden, sodass selbst Barnabas verführt wurde, mit ihnen zu heucheln. 14 Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Kephas öffentlich vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben? 15 Wir sind von Geburt Juden und nicht Sünder aus den Heiden. 16 Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes (Gott) nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir (Gott) gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch (Gott) gerecht.

Exegetische Bemerkungen

Gal 2,11-16 gibt uns einen authentischen Einblick in die Auseinandersetzung Pauli mit Petrus in Antiochien. Sie mündet in eine Grundsatzerklärung des Paulus über die Wahrheit des Evangeliums (2,16). Den Auslegern / Auslegerinnen gibt sie eine Antwort auf das, was die „Wahrheit des Evangeliums“ sei.

Paulus greift auf die Auseinandersetzung in Antiochia zurück, um den abtrünnigen Galatern (1,6; 3,1) seinen Standpunkt, seine Standfestigkeit und seine Kampfbereitschaft auch jetzt beispielhaft vor Augen zu führen. Ein weiteres Beispiel seines Kampfes um das wahre Evangelium ist der Rekurs auf seinen zweiten Besuch in Jerusalem (2,1-5).

Die Galater fallen offenbar nach ihrer Missionierung durch Paulus in ein Leben unter dem Gesetz, seien es Gesetze der Astrologie (4,10) oder jüdische Ritualgesetze (5,1-6), zurück. So verraten sie die Wahrheit des Evangeliums.

Die Wahrheit des Evangeliums ist die Dahingabe des Gottessohnes am Kreuz und damit die Insuffizienz des Gesetzes als Heilsweg. Der einzig mögliche Weg zum Heil ist der Glaube, der dem Weg des Gottessohnes vertraut und sich ihm anvertraut. Nur so werden sie Gott gerecht. Der Abschnitt Gal 2,11-16 gliedert sich in drei Teile: Beschreibung der Situation (2,11-13), Zurechtweisung des Petrus (2,14), Grundsatzerklärung (2,15-16).

Die Situation: Petrus hält mit den Heiden(christen) Mahlgemeinschaft, für Paulus und Barnabas selbstverständlich, für orthodoxe Juden(christen) Verunreinigung. Als solche dazukommen, zieht er sich von den Heiden(christen) zurück. Letztlich geht es um die Frage: Muss man Jude sein oder werden, um „Christ“ zu werden, oder ist statt der Beschneidung der Christusglaube konstitutiv? Nach Jes 56,2-7 gilt für „Fremde“, die hinzukommen: Sie müssen den Sabbat halten und sich beschneiden lassen („Bund halten“). Petrus, der zur Mission unter den Juden bestellt ist, lehnt letztere Tradition nicht ab.

Zurechtweisung: Paulus radikalisiert die Position des Petrus. Der habe zwar sein eigenes orthodoxes Judesein überwunden, zwinge aber durch sein Verhalten die Heiden(christen) in die orthodoxe Richtung. Das sei inkonsequent und inakzeptabel, wahrscheinlich nicht zuletzt auch deswegen, weil Paulus dadurch sein Konzept der Heidenmission in Frage gestellt sieht (vgl. auch Gal 1,15-17; 1,18; 2,2).

Grundsatzerklärung: Durch die Einleitung „wir wissen“ macht Paulus den Glaubenssatz zum Dogma und den Fall Petrus zu einem casus stantis et cadentis ecclesiae.

Homiletische Überlegungen

In der von Paulus zitierten Situation geht es um die Identität des Christseins. Diese Frage muss jede christliche Generation für sich selbst beantworten: Wie zeige ich, wie lebe ich mein Christsein? Das ist ohne Bezug auf Christus, auf das Kreuz, nicht möglich; ansonsten ist man allenfalls „gottgläubig“. In einer nichtchristlichen Umwelt fragt sich: Soll man sein Christsein offensiv oder diplomatisch leben? Das war zu Pauli und Petri Zeiten so, das war auch 2016 so, als Bischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx in Jerusalem ihr Kreuz abnahmen und dafür massive Kritik auf sich zogen.

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