Pfingstgeist – notwendige Kraft
"Komm heiliger Geist und heile unsere Welt, die immer noch auf Frieden wartet ..."
Predigttext: Apostelgeschichte 2, 1-18 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
V. 1-14a:
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen:Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber:wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern:Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen:Sie sind voll von süßem Wein.
Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen:
V. 14b-18:
Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1- 5): »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.
Exegetische Impulse
Pfingsten leitet sich von „fünfzig“ ab (griechisch „pentecostä)“ ab, denn am 50. Tag nach dem Paschafest begingen die Juden das Gedächtnis an die Gesetzgebung und den Bundesschluss am Berg Sinai, das Fest Schawuot. Es ist wahrscheinlich, dass die Anhänger Jesu zum jüdischen Fest nach Jerusalem kamen und auch öffentlich aufgetreten sind. Seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert ist ein eigenes Pfingstfest bekannt, das inhaltlich auf die Berichte der Pfingsterzählung bei Lukas zurückgreift. Berichte über die Wirkung des Hl. Geistes sind im Neuen Testament nicht allein aus der Pfingstgeschichte bekannt. Bereits in der Taufe wird Jesus mit dem Heiligen Geist erfüllt. So wie Petrus im Anschluss an die Geistbegabung auftritt und predigt, lehrt auch Jesus „erfüllt von der Kraft des Geistes“ (Lk 4,14). Auch das Johannesevangelium erwähnt eine Geistbegabung der Jünger. Jesus haucht am Ostertag, als er seinen Jüngern erscheint, diese mit den Worten an: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22).
Der Hl. Geist verdeutlicht den Jüngern Jesu nicht nur, dass sie in einem heilgeschichtlichen Zusammenhang stehen, sondern er vermittelt ihnen auch die Kraft, sich in aller Öffentlichkeit zu Jesus zu bekennen. Alle diese Erfahrungen von Freiheit und neuer Kraft können nur im Kontext der Hebräischen Bibel gesehen und verstanden werden. Die Erfahrung, die die Jünger am Pfingsttag machen, interpretieren sie als Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen. Und deshalb zitiert Petrus nicht ohne Grund in seiner Predigt am Pfingsttag (Apg 2,14-36) ausdrücklich den Propheten Joel (vgl. Joel 3, 1-3).
Mit dem Pfingstfest treten die Jünger Jesu aus ihren Häusern und Wohnungen, in die sie sich nach Kreuz und Auferstehung zurückgezogen hatten, hervor und bekennen sich selbstbewusst zu ihrem Herrn Jesus Christus. Mit Pfingsten beginnt ihre öffentliche Wortverkündigung, die von der Parusie Jesu lebt. Die urchristliche Gemeinde erwartete die unmittelbare Wiederkunft Christi und das von ihm verheißene Reich Gottes. Doch als die unmittelbare Parusie ausbleibt, richtet sich die urchristliche Gemeinde in der Welt ein, die Gemeinde betreibt Mission, um, getreu dem Auftrag in Mt 28, den Menschen die frohe und heilbringende Botschaft Jesu nahe zu bringen. Erstes literarisches Dokument dieser Neuorientierung ist die Apostelgeschichte des Lukas. Die Jünger und Anhänger Jesu treten darin offen in seinem Namen auf und predigen den Anbruch der messianischen Heilszeit. Dabei richten sich die Anhänger Jesu zunächst an die Juden. Und auch alle Akteure sind Juden: Maria und die Apostel samt allen Jüngern und die Adressaten der Predigt sowie die ersten Getauften. Den ersten Heiden, der nicht vorher den jüdischen Glauben angenommen hatte, einen römischen Hauptmann, nimmt Petrus nach einer Vision in die Gemeinde auf (vgl. Apg. 10,44-48; 15,8).
In den rabbinischen Kommentaren zur Gesetzgebung am Sinai werden ähnliche Phänomene wie im Pfingstbericht beschrieben: Moses empfängt auf dem Berg Sinai das Gesetz aus der Hand Gottes. Der Berg liegt in Wolken, Gott steigt im Feuer herab und spricht zu Mose, während es donnert (vgl. Ex 19,16-19). In den Targumim, den rabbinischen Kommentaren, wird der Zusammenhang von Wort Gottes und Feuer betont. Die Worte Gottes sind wie brennende Pfeile und Feuerflammen. Und ebenso wird im Targum herausgestellt, dass jedes Volk die Worte in seiner Sprache verstehen kann. Das Sprachenwunder in Apg. 2, 1ff. wurde bereits in der Alten Kirche als Gegenstück zur Sprachverwirrung der Turmbaugeschichte zu Babel gesehen (vgl. Gen 11,1-9). Der Geist bewirkt, dass die Menschen sich wieder verstehen. Hier liegt allerdings ein Unterschied zum alttestamentlichen Text im Vergleich zur Apostelgeschichte, denn die Verschiedenheit der Sprachen wird durch den Geist nicht einfach aufgehoben. Erst die späteren christlichen Bibelausleger haben die Verbindung beider Texte hergestellt. Der Bericht der Apostelgeschichte will, dass Menschen in allen Sprachen den Glauben ausdrücken können und damit auch den universalen Anspruch der Botschaft Jesu ausdrücken.
Die Perikope Apg 2, 1-18 lässt in drei Abschnitte gliedern:
a) Das Kommen des Geistes (V. 1–4)
b) Die Wirkung des Geistes (V. 5–13)
c) Die Deutung des Geschehens durch die Predigt des Petrus (V. 14–18)
a) Die Verheißung, die im Alten Bund durch den Propheten Joel gegeben wurde, scheint jetzt am Pfingsttag erfüllt und damit wird auch eine neue Epoche Gottes mit seinem Volk eingeleitet. Das in V. 2 erwähnte Haus als Ort des wartenden Zusammenseins der Jünger könnte das Obergemach sein, das in Apg 1,13 erwähnt wurde. Doch das Kommen des Geistes stellt die Jünger nun räumlich in einen anderen Kontext, sie befinden sich in einer festlichen Versammlung (vermutlich im Tempel), so dass alle das Pfingstwunder miterleben können. Sie kommen heraus aus der Begrenztheit des Hauses in die Öffentlichkeit, weil die Sache Jesu nicht nur weitergeht, sondern gerade nach Öffentlichkeit ruft, es ist die freudige Botschaft, die sich nicht im Stillen, sondern vor aller Augen und Ohren ausbreitet, die in der Welt ist, weil Gott in dieser Welt ist und zu dieser Welt gehört. Der Geist bewirkt, dass sprachliche Grenzen aufgehoben werden. Die Jünger können durch Gottes Geist die frohe Jesusbotschaft, in ihnen bisher fremden Sprachen weitersagen.
b) Die Wirkung bleibt nicht aus, denn jeder von ihnen kann das Gesagte in seiner eigenen Sprache verstehen. Die an dieser Stelle eingefügte Völker- und Länderliste führt nur Gebiete mit starken jüdischen Bevölkerungsanteilen auf; in erster Linie waren dies Gebiete mit Diasporajuden, die mehrheitlich griechisch sprachen und so als Beispiele für sprachliche Unterschiedlichkeit eigentlich gar nicht in Frage kommen.
Die Liste ist eher als Dokument der frühgemeindlichen Mission zu verstehen, denn die frühchristliche Gemeinde betrieb zunächst Mission innerhalb des Judentums. Der Übergang zur Heidenmission und damit auch der Bezug zu anderen Sprachen kann erst nach dem berühmten Apostelkonzil des Jahres 48 n. Chr. festgemacht werden, als Paulus den Auftrag zur Heidenmission erhielt und Petrus und seine Gefolgsleute weiterhin an der Judenmission festhielten (mit den Hauptpunkten Einhaltung der Thora und Beschneidung vor dem Übertritt zum Christentum). Somit ist das „Kommen des Geistes“ Voraussetzung für die spätere weltweite, Sprach- und Ländergrenzen überwindende Völkermission. Alle Menschen sollen die Botschaft von den „großen Taten Gottes“ hören(V. 11). Die Reaktion auf die Botschaft ist keineswegs eindeutig. Da ist einerseits die Frage: „Was will nun werden?“ Und da ist andererseits die kritische Frage, in der auch bisschen Spott zu hören ist: Waren die alle betrunken? Lukas nimmt an dieser Stelle sicherlich zeitgenössische Reaktionen auf die Verkündigung der jesuanischen Botschaft auf, die sich immer wieder in solchen Ambivalenzen zeigten.
c) Im ersten Teil der Predigt des Petrus (V. 14–18) nimmt er den Vorwurf seiner Skeptiker auf: Was da passiert ist, hat nichts mit übermäßigem Weingenuss zu tun, sondern es ist die Erfüllung der Schrift, in der der Prophet Joel die Endzeit ankündigt. Die neue Welt Gottes wird in Ansätzen sichtbar; der Mensch ist nicht mehr im Tod gefangen, weil sich mit dem Geist Gottes neue Perspektiven auftun; die endzeitliche Freiheit der Kinder Gottes wird in der aus allen Völkern zusammengeführten universalen Heilsgemeinde Wirklichkeit.
Lieder
"Komm, heiliger Geist" (EG 125, WL)
"Geist des Glaubens" (EG 137)
"Schmückt das Fest mit Maien" (EG 135)
EG 127, 1-3, 5-6 zum Predigttext Apg 2, 1ff.);
"Nun bitten wir den Heiligen Geist" (EG 124)
Gebete
Eingangsgebet
Ewiger Gott, öffne unsere Herzen für deinen heiligen Geist, erleuchte uns und mache uns eins im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Komm, und verwandle die Erde und erneuere die Menschen mit der Kraft deiner Liebe und der Sprache, in der dich alle Völker verstehen. Das bitten wir durch deinen Sohn, Jesus Christus, nicht nur an diesem festlichen Pfingsttag, sondern auch für alle Tage, die kommen. Amen.
Schlussgebet
Komm heiliger Geist und schau nach dem Rechten, in unserer immer noch ungerechten Welt. Lass deinen Funken in uns Lebendigkeit bewirken und reiße all unsere Mauern nieder, die Menschen immer noch trennen und entzweien, ob in West und Ost, in Nord und Süd, in Arm und Reich, in Jung und Alt, in Krank und Gesund, in Behindert und Unbehindert. Bewirke du guter Geist Gerechtigkeit auf dieser Welt. Wir rufen zu dir: Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft (Singt Jubilate. Lieder und Gesänge für die Gemeinde, München-Berlin 2012, Nr.26)
Komm heiliger Geist und heile unsere Welt, die immer noch auf Frieden in vielen Regionen wartet, auf äußeren Frieden aber auch auf inneren Frieden. Mach unsere manchmal krummen Seelen gerade. Halte sie lebendig, damit sie immer wieder den Nächsten und den lebendigen dreieinigen Gott suchen. Mache die Menschen friedlicher und gelöster, so wie es die ersten Christeninnen und Christen waren. Wir rufen zu dir: Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft
Komm heiliger Geist und blase die alten Gedanken aus unserem verkrusteten und vertrockneten Denken. Hole uns heraus aus unseren eingefahrenen sicheren Wegen. Treib uns an zu ganz neuem Handeln. Gib uns neue Gedanken, neue Worte, und befähige uns zu neuen Taten. Mach uns jeden Tag neu.
Wir rufen: Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft.
Gebetsstille
Vater Unser.
Zeitgenössische Texte
Der heilige geist ist ein bunter vogel
der heilige geist
er ist nicht schwarz
er ist nicht blau
er ist nicht rot
er ist nicht gelb
er ist nicht weiss
der heilige geist ist ein bunter vogel
er ist da
wo einer den andern trägt
der heilige geist ist da
wo die welt bunt ist
wo das denken bunt ist
wo das denken und reden und leben gut ist
der heilige geist lässt sich nicht einsperren
in katholische käfige
nicht in evangelische käfige
der heilige geist ist auch kein papagei der nachplappert
was ihm vorgekaut wird
auch keine dogmatische walze
die alles platt walzt
der heilige geist
ist spontan
er ist bunt
sehr bunt
und er duldet keine uniformen
er liebt die phantasie
er liebt das unberechenbare
er ist selbst unberechenbar
(Wilhelm Willms, roter faden glück. lichtblicke, Kevelaer 1988)
Pfingsten
Sie sammelten die Reste
Ihrer Freundschaft ein.
Es reichte nicht aus,
unterm Kreuz bei ihm zu sein.
Sie sassen weitab
Mit angstvollen Augen,
während Er starb.
Ernüchtert bis zum Ekel,
enttäuscht bis in die Wurzel des Herzens hinein,
Wesen zwischen Welt und Unterwelt,
Jünger, Apostel, Erwählte,
Sehende, die doch nichts sahen,
Hörende, die doch nichts hörten,
Glaubende, die doch nichts glaubten,
unerweckt, unerleuchtet,
Opfer der Angst,
Erben eines Gekreuzigten.
Bis der Geist kam
Und ihre Bilder von Jesus verbrannte
Und ihre Träume von Macht
Verwehte.
Da erhob sich der schmerzscheue Petrus
Und begann lebensgefährlich zu reden
Wie Isaias und Jeremias zuvor,
und kein Kreuz konnte ihn hindern daran,
allen Menschen zu sagen:
Der Gekreuzigte lebt.
(Martin Gutl, in: Auferstehung, Biblische Texte verfremdet 12, München, 1990).
Die neue Hoffnung
Es ist nicht zu leugnen:
was viele Jahrhunderte galt,
schwindet dahin. Der Glaube,
höre ich sagen, verdunstet.
Gewiss, die wohlverschlossene
Flasche könnte das Wasser
bewahren. Anders die offene
Schale: sie bietet an.
Zugegeben, nach einiger Zeit
findest du trocken die Schale,
das Wasser schwand. Aber merke:
die Luft ist jetzt feucht.
Wenn der Glaube verdunstet,
sprechen alle bekümmert von
einem Verlust. Und wer von
uns wollte dem widersprechen!
Und doch: einige wagen trotz
allem zu hoffen. Sie sagen:
Spürt ihr’s noch nicht?
Glaube liegt in der Luft!
(Lothar Zenetti, Auf seiner Spur, Mainz 2000).
Literatur
Otto Bauernfeind, Kommentar und Studien zur Apostelgeschichte mit einer Einleitung von Martin Hengel. Hg. von Volker Metelmann, Tübingen 1980. - Erich Gräßer, Das Problem der Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte, Berlin-New York 1977 (3. Aufl.). - Ernst Haenchen, Die Apostelgeschichte (KEK 3), Göttingen 1977. - Jacob Jerwell, Die Apostelgeschichte (KEK 3), Göttingen 1998.- Jakob Kremer, Pfingstbericht und Pfingstgeschehen. Eine exegetische Untersuchung zu Apg 2, 1-13, Stuttgart 1973. - Eduard Lohse, Die Bedeutung des Pfingstberichtes im Rahmen des lukanischen Geschichtswerkes, in: EvTh 13/1953, 422-436. - Gerd Lüdemann, Das frühe Christentum nach den Traditionen der Apostelgeschichte. Ein Kommentar, Göttingen 1987. - Ilse Müllner, Peter Dschulnigg, Jüdische und christliche Feste. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments (NEB.Themen 9), Würzburg 2002. - Claus Schedl, Als sich der Pfingsttag erfüllte. Erklärung der Pfingstperikope Apg 2, 1-47, Wien 1982. - Thomas Söding, Der Gottessohn aus Nazareth. Das Menschsein Jesu im Neuen Testament, Freiburg - Basel - Wien 2008, 224-228; ders., Der Gottesdienst der Urgemeinde. Perspektiven des lukanischen Bildes in Apg 2,42, in: A. Raffelt (Hg.), Weg und Weite. FS K. Lehmann, Freiburg - Basel - Wien 2001, 81-96. - Christoph Stenscke, Zu den Zahlenangaben in Apg 2 und 4, den Orten der Zusammenkünfte der Urgemeinde und ihrem materiellen Auskommen, in: Jahrbuch für evangelikale Theologie 20 (2006) 177-183. - Alfons Weiser, Die Apostelgeschichte I [ÖTK 5/1], Gütersloh 1981.
Professor Dr. Günter Klein (12. 1. 1926 – 27.12. 2015) in memoriam
Wenn wir ehrlich sind, haben wir mit dem Pfingstfest so unsere Schwierigkeiten. Da ist es mit Weihnachten doch ganz anders. Da liegt ein kleines Kind in der Krippe. Da wird ein Mensch geboren. Da geschieht etwas. Da sieht und hört man etwas. Auch Ostern können wir noch eher verstehen. Es stirbt Jesus am Kreuz. Dann finden die Frauen am Ostermorgen ein leeres Grab vor. Wenn wir dazu sicher auch viele Fragen haben, so entstehen da doch Bilder in unseren Köpfen, da kommt unsere Phantasie in Gang und wir beginnen uns auch etwas dazu vorzustellen. Aber an Pfingsten? – Wie kann man sich dazu ein Bild machen? Der „Heilige Geist“ ist doch unsichtbar. Gewiss, Künstler haben in der christlichen Kunst immer wieder versucht, diesen Geist Gottes darzustellen. Ob als Taube oder mit Feuerflammen auf den Köpfen der Jünger. Und doch bleibt es schwierig. Vielleicht liegt ja darin auch der Grund, warum die Gemeinde unserer Tage an Weihnachten und Ostern noch zahlreich in die Kirche kommt, doch zu Pfingsten?!
Wenn sie gleich den Predigttext für diesen Pfingstsonntag hören, werden sie sicher noch einmal in diesem Denken bestätigt. Vor 2000 Jahren hat Jesus gelebt, in einem Land weit weg von uns. Er hat seine Sprache gesprochen, die wir nicht verstehen würden. Trotzdem kann er uns nahe sein. Trotzdem können wir ihn verstehen. Christinnen und Christen gibt es überall auf der Welt. Den meisten von ihnen werden wir nie begegnen. Die meisten von ihnen sprechen eine Sprache, die wir nicht verstehen. Trotzdem sind wir mit ihnen allen verbunden. Hören wir am heutigen Pfingstsonntag die Geschichte über den Ursprung der christlichen Gemeinschaft. Sie steht im 2. Kapitel der Apostelgeschichte, Verse 1-18.
(Lesung des Predigttextes, von zwei Sprechern / Sprecherinnen gelesen, Spr. 1: V.1-14a, Spr. 2: V.14b-18)
Es sind gewaltige Bilder, die im Text vorkommen! Wenn ich die Jünger vor mir sehe, nehme ich die großen Erwartungen wahr, die ihnen entgegenschlagen. Von den Jüngern wird tatsächlich erwartet, dass sie mit den Menschen mitgehen, sich an ihre Seite stellen und immer gute und tröstende Worte finden. Die also mithelfen, dass Menschen nicht alleine sind, nicht alleine gelassen und schon gar nicht fallen gelassen werden. Die Schweigen und Grauzonen aushalten. Die sich mit den Mächtigen in der Politik anlegen. Die sich den Mund verbrennen, aber ihn sich nicht verbieten lassen. Die sich die Finger schmutzig machen. Es hört sich an wie ein Traum, wie eine Sehnsucht. Und da höre ich Jesus, wie er seine Jünger ermutigt. Sie waren nur kurz mit ihm unterwegs gewesen, haben gehört, was er gesagt hat, nahmen Anteil an dem, was er tat, als er Menschen gesund machte, als er mit Ausgegrenzten zu Tisch saß, als er sich der Frauen annahm, mit denen damals keiner so richtig etwas zu tun haben wollte. Alles Vergangenheit. Denn sie haben ihn, allen voran Petrus, in seiner dunkelsten Stunde allein gelassen. Mutterseelenallein. Sie sind geflüchtet. Und später haben sie sich zurückgezogen, haben die Türen und Fenster hinter sich zu gemacht. Und traurig waren sie. Werden sie in ihr altes Leben zurückgehen? Was ist mit der Nachfolge Jesu? War das alles nur eine Episode?
Und was macht Gott? Nimmt er sich dieser verschreckten und traurigen Gruppe von Jüngern an? Ja, Gott kommt, er kommt plötzlich und wirklich, als Beistand, als Tröster, er steckt an, motiviert, macht lebendig, reißt mit. Gott als „Tröster“, der die Menschen hält und trägt. Die Jünger sind in diesem Moment nicht mehr allein gelassen und sie werden sich auch gegenseitig nicht mehr allein lassen. Die Pfingstgeschichte, diese farbenprächtige und überwältigende Geschichte, ist nicht nur eine Erinnerung an die „gute alte Zeit“ der frühen Christengemeinde, sondern sie macht uns heute deutlich, mit welchen Problemen wir in der Kirche unserer Tage zu kämpfen haben. Glaube und Christsein sind heute keine selbstverständlichen Kategorien mehr. Viele Zeitgenossen haben Schwierigkeiten, sich in der Kirche zu engagieren, gar viele sind auch der Kirche fremd geworden. Können wir als Kirche diesen Prozess aufhalten, wo doch heute mehr Menschen denn je fragen, was wahr ist und was trägt? Es ist dieser gute Geist, der den Blick auf Jesus zurücklenkt. Er konnte Worte finden, die befreiten und neues Vertrauen ermöglichten. Von dem Geist, den Jesus uns verheißen hat, geht etwas aus, das uns mit Gottes neuer Welt in Verbindung bringt: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.“
Die Geschichte von Pfingsten erzählt nicht nur von einer Sehnsucht, sie erzählt vom Kommen Gottes. Ein kleines Wort lässt aufhorchen: „Plötzlich“. Gott kommt nicht über einen Hintereingang, er braucht auch nicht den Schutz der Nacht. Plötzlich, stürmend, bestürmend, himmelstürmend, lodernd, leidenschaftlich, brennend. Plötzlich! Ich mag Texte, in denen Menschen mitreißend und ansteckend ihre Begegnung mit Gottes gutem Geist ausdrücken. Der niederländische Dichter und Theologe Huub Oosterhuis hat einen solchen Text verfasst. Er heißt: „Litanei von der Gegenwart Gottes“:
„…Sei hier zugegen, stark wie ein Feuer. Flamme und Leben, Gott bei den Menschen.
Komm und befreie uns, damit wir leben. Komm uns zu retten wie Licht in der Frühe.
Komm wie der helle Tag, Licht unsern Augen. Sei hier zugegen mit deinem Leben
Send deinen Geist aus, Neues zu schaffen. Flamme des Lebens, Licht unsres Lichtes.
Send deinen Geist aus, neu uns zu schaffen. Tiefe des Herzens, Licht unsres Lichtes.
Send deinen Geist aus, uns neu zu schaffen. Gib dieser Erde ein neues Angesicht…“
Und der Geist Gottes, der uns birgt und trägt, bewahre unsre Herzen und Sinne,
in Christus Jesus, unserem Herrn”.
Pfingsten – weltumspannendes Fest. Vielfältig und bunt wie die leuchtende liturgische Farbe rot. Die Farben, die Sprachen, die Erfahrungen, die Geschichten, die Träume! Aber wir müssen bei diesem Fest auch immer wieder feststellen, wie zerrissen unsere Welt ist. Und dennoch ist Pfingsten für mich ein befreiendes Fest. Nicht einer herrscht über den anderen, wie das bisweilen bei uns ist. Die Botschaft von Pfingsten lässt sich so umschreiben: Die Menschen hören, was Gott will und können sich verstehen. In vielen kleinen Schritten lernen Menschen, aufeinander zu zugehen: Schöpfung bewahren, Frieden stiften, Gerechtigkeit herstellen. Manchmal ist das gar nicht so einfach, so zu leben. Denken wir nur an Jugendliche in unserer Stadt Berlin, denen alles zu viel ist, die keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation sehen, die dann randalieren, Passanten anpöbeln, Fensterscheiben einschlagen, weil sie zu allem „keinen Bock“ mehr haben. Ich frage: warum verhalten sich Jugendliche so? Welche Sprache verstehen sie? Wo finden sie ihren Platz in den Familien, in den Städten, in unseren Dörfern oder in unseren Gemeinden? Was bieten wir eigentlich den Jugendlichen an Geborgenheit, an Zuversicht und vor allem an Zeit? „Bei Gott bin ich geborgen, still wie ein Kind, bei ihm ist Trost und Heil“, heißt es in einem Lied. Gott lässt Alte wie Junge nicht allein mit ihren Sorgen und Nöten, mit den Aufgaben, die manchmal gar nicht bewältigt werden können. Zu Pfingsten sagen wir uns das immer wieder neu, dass Gott nicht allein für sich lebt und bleibt, sondern sich mit-teilt. Sein Geist bedeutet Lebendigkeit, Begeisterung, sein Geist belebt mich immer wieder neu und hilft mir, Verantwortung zu übernehmen. Pfingsten ermöglicht Veränderung und schafft neues wahres Leben. Diesen lebendigen Geist der Veränderung wünsche ich uns allen. Und darum: Frohe Pfingsten.
Mit dem Pfingstfest haben wir Schwierigkeiten. So beginnt die Predigt. Wohl deswegen hat Parrer Hutter-Wolandt vorher eine außergewöhnlich ausführliche, gründliche und hochwertige Predigt-Vorbereitung mit Gebeten und Literatur-Angaben vorangestellt. Gewaltige Bilder kommen im Text auf die Jünger und jetzt die Predigthörenden zu. Von den Jüngern werden viele und gute Taten erwartet. Es klingt wie eine Sehnsucht. Aber Jesus hat damals in seinem Leben seine Jünger ermutigt, diese aber haben vor Pfingsten ein schlechtes Gewissen, weil sie Jesus bei seiner Leidensgeschichte verlassen haben. Aber Gott schickt Pfingsten als Tröster den Heiligen Geist, der motiviert und lebendig macht. Auch wir haben heute Schwierigkeiten mit dem Glauben. Vielen Zeitgenossen sind bei uns in Deutschland der Kirche fremd geworden. Können wir den Prozess aufhalten? Pfingsten ist nicht eine Sehnsucht, sondern erzählt vom Kommen Gottes. Huub Osterhuis hat einen Text verfasst, der Mut macht: Gott kommt und befreit uns, sodass diese Erde ein neues Angesicht bekommt. Pfingsten will uns motivieren, dass wir aufeinander zugehen und uns verstehen. Sein Geist schafft neues und wahres Leben.
Sehr einleuchtend spricht Pfarrer Hutter-Wolandt über Pfingsten, es ist “ein weltumspannendes Fest”. Sollte man aber diese Dimension nicht sehr stark unterstützen und predigen? Erst waren es 11 Jünger, dann Pfngsten 120 und danach liessen sich 3.000 taufen und missionierten dann. Der Heilige Geist bewirkte später die Taufe des Paulus und die Heidenmission. In 300 Jahrhunderten wurde durch den Heiligen Geist und durch die Mission im römischen Reich und durchs Martyrium das Christentum Staatsreligion. Der Heilige Geist schuf das christliche Europa. Und wenn das Christenstum jetzt in Europa stagniert, missioniert der Heilige Geist heute weiter in Südamerika, Afrika. Inzwischen gibt es dreißig Millionen christliche Chinesen. Pfingsten sollte uns Mut machen unseren Glauben zu verbreiten und mehr Kurse für den Glauben geben.
Deutschland braucht mehr Heiligen Geist! Dazu gibt es am Sonntag bei http://www.HL-live.de einen Text von mir.