Predigt

Schnur, die nicht zerreißt

Eine Geschichte voller Hintersinn und Witz, voller Glück und Tiefe

PredigttextMarkus 12,28-43
Kirche / Ort:Luther-Melanchthonkirche / Karlsruhe-Durlach
Datum:25.08.2019
Kirchenjahr:10. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Markus 12,28-43

Und es trat zu ihm einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? 29 Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften« (5.Mose 6,4-5). 31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese. 32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; 33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.

Hinführung zum Predigttext

Sowenig – wie zu befürchten ist - in den im Ferienmodus befindlichen Pfarreien der Israelsonntag am 10. nach Trinitatis als solcher gefeiert werden mag, soviel liegt an Variationsmöglichkeiten vor. Bei gleichem Wochenspruch kann der Akzent gelegt werden auf „Israel und die Kirche“ (begleitet von grünem Parament) – dazu gehört eben Mk 12, 28-34.

Oder auf „Gedenktag der Zerstörung Jerusalems“ (mit violettem) in mehr oder weniger hilfreichem oder solidarischem Bezug zum großen jüdischen Feiertag Tischa bAv, dem 9. Tag im Monat Av, an dem der Zerstörung beider Tempel, aber auch anderer Unglücke gedacht wird, etwa des unglücklichen Endes des Bar-Kochba-Aufstandes oder der Deportationen aus dem Warschauer Ghetto nach Treblinka.

Möge die Tradition hässlichen christlichen Triumphes wegen vermeintlicher Strafe Gottes und angeblicher Aufkündigung des Bundes zu diesem und jedem anderen Tag endgültig zu Ende gekommen sein. Obwohl der vorliegende Abschnitt auch bisher schon bei Predigten zum Israelsonntag zugrunde gelegt wurde, war er bis zur Perikopenrevision Teil der Predigtordnung am 18. Sonntag nach Trinitatis, wo es um Gebote und bzw. Gebote zur Nächstenliebe geht.

Der Frage, ob und wie die biblischen Bezüge des Israelsonntags in Ferien- und Vertretungszeiten überhaupt aufgegriffen werden können, schließt sich als nächste die Frage der Rezeption an. Wird Antisemitismus und Antijudaismus auch in der Öffentlichkeit oder gezielt an den Evangelischen Akademien verhandelt, so ist das Bewusstsein des christlichen Beitrags (Klaus Müller: Antijudaismus als christlicher Antisemitismus) in den Gemeinden schätzungsweise eher gering.

Das historische Wissen, ob etwa die eigene Gemeinde mehrheitlich den Deutschen Christen angehörte, ist nur marginal. Die Arbeit daran lässt sich wohl nur als langsames Bohren harter Bretter verstehen. Eine eher zufällig zusammengekommene Gemeinde, vielleicht vor allem bestimmt durch Trau-, Tauf- und vor allem Bestattungsabkündigung soll ja nicht nur irritiert werden.

Der Predigttext selbst ist zunächst geprägt von Einverständnis und Gemeinschaft. Wie lässt sich solche vermitteln und nicht etwa zerstört liegen gelassen? Zu den eher subtilen Verweisen im Text findet sich Material in Bernd Schröders Predigtmeditation (Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe 1, Berlin 2018):

Die „Kaskade von Infragestellungen Jesu“ zwischen Mk 11,27 und 12,28 und ihr Abschluss im Predigttext. Die dezidierte „Erweiterung im Gebot der Gottesliebe (durch) ein viertes Element“ von etwas Verstandesmäßigem. Parallelen etwa bei Philo oder im Talmud. Wichtig in Bezug auf die Homiletik sind seine Warnung vor einer Rückprojektion eindeutig erkennbarer jüdischer sowie klar getrennter christlicher und jüdischer Positionen in die biblische Zeit. Und sein Hinweis auf oft unbekannte heutige jüdische Kontexte wie die „Erklärung orthodoxer Rabbiner zum Christentum“ von 2015.

Die Gestaltung des 10. Sonntags nach Trinitatis sollte auf alle Fälle verstanden werden im Sinne der Charta Oecumenica, bei der evangelischen und katholischen Christen Europas ausdrücklich ans Herz gelegt wird (Pkt 10), die „Gemeinschaft mit dem Judentum (zu) vertiefen“.

Die Evang. Landeskirche in Baden hat die Charta unterzeichnet. Der 10. Sonntag nach Trinitatis bietet durchaus Gelegenheit, Dokumente (oder Teile davon) wie die Charta Oecumenica oder die Erklärung orthodoxer Rabbiner auszulegen und ihre Rezeption zu befördern.

Lieder

"Die güldne Sonne" (EG 449)

"Lobet und preiset, ihr Völker (!), den Herrn" (337)

"Nun danket Gott" (290)

"Wohl denen, die da wandeln" (295)

Besonders in Abendmahlsgottesdiensten: Credolied von Gerhard Bauer: „Wir glauben, Gott ist in der Welt“ auf die Melodie des Credoliedes 184 (Aus: Wo wir dich loben wachsen neue Lieder, 167)

Neuigkeiten

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Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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