Predigt

"Sei getrost und unverzagt …"

Mit Gottvertrauen weitergehen in das Neue Jahr

PredigttextJosua 1,1-9 (mit Exegese und liturgischen Bausteinen)
Kirche / Ort:Trinitatiskirche / Berlin-Charlottenburg
Datum:01.01.2018
Kirchenjahr:Neujahrstag
Autor:Pfarrer Mag. theol. Ulrich Hutter-Wolandt

Predigttext: Josua 1, 1-9 (Übersetzung nach Martin Luther 2017)

1 Nachdem Mose, der Knecht des HERRN, gestorben war, sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: 2 Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gebe. 3 Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe. 4 Von der Wüste bis zum Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hetiter, soll euer Gebiet sein. 5 Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. 6 Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe. 7 Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zur Rechten noch zur Linken, auf dass du es recht ausrichten kannst, wohin du auch gehst. 8 Und lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem, was darin geschrieben steht. Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen, und du wirst es recht ausrichten. 9 Habe ich dir nicht geboten: Sei getrost und unverzagt? Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.

Exegetische und homiletische Erwägungen

Jos 1,1–9 gehört in den Erzählzusammenhang vom Exodus bis zur Landnahme. Der Text mit Ermutigungsformel, Auftrag und Beistandszusage lässt Bezüge zu den Berufungserzählungen aus Jes und Jer vermuten, unterscheidet sich aber doch davon, weil es nicht um einem Erstauftrag und um ein Gespräch zwischen einem zögernden Josua und Gott geht. Jos 1,1–9 bietet keine Darstellung historischer Fakten, sondern ist als theologische Deutung der Geschichte im Rahmen des deuteronomistischen Geschichtswerks zu verstehen. Diese Deutung erfolgt aus der Sicht des zu Ende gegangenen Exils und aus einer scheinbar überwundenen Krisensituation. Die Zusagen und Mahnungen des Textes wollen auf die Kontinuität des Handelns Gottes an seinem Volk hinweisen, es sind Grundsatzaussagen, die Gültigkeit haben und die Zeit überdauern. Auch das Neue Testament spricht vom „Mit-Sein Gottes“, das Hoffnung und Zukunft ermöglicht. Ganz besonders wird dies im Christus-Geschehen deutlich, wo sich uns Gott als der in Christus Mit-Leidende und die Tiefen unserer menschlichen Existenz Mit-Tragende zeigt.

V. 1–4 zählen zum ursprünglichen Bestand, die folgenden Verse weisen dagegen auf deuteronomistischen Sprachgebrauch und deuteronomistische Redaktion hin.

V. 5–9 ist keine geschlossene Einheit, sondern es sind unterschiedliche deuteronomistische Überarbeitungen erkennbar.

V. 1 verweist wegen des Todes Mose auf eine Krisensituation, in diese Situation hinein spricht Gott. Mose wird als Knecht Gottes bezeichnet, während Josua Diener des Mose (vgl. 2. Mose 24,13; 33,11; 4. Mose 11,28) ist.

V. 2 Die Israeliten werden neben Josua in den Blick genommen, das Volk gilt als der eigentliche Ansprechpartner. Das vor den Israeliten sich auftuende Land wird mehrfach als das Land herausgehoben, das Gott JHWH seinem Volk Israel geben will. Der Gebrauch der Partizipien in V. 2f zeigt, dass die Landnahme noch nicht erfolgt ist, aber von Seiten Gottes wird dieses Versprechen nicht mehr zurückgenommen. Um diese Tatsache noch einmal deutlich zu machen, wird an das Versprechen Gottes Mose gegenüber erinnert. Das Faktum des Landbesitzes in V. 6 will deutlich machen, dass das Land zum Erbe erklärt wurde, weil Gott schon den Vätern dieses Land versprochen hat.

Die V. 3f beschreiben das zugesagte Land näher und erinnern dabei an Formulierungen aus 5. Mose 11,24 auf. Die Größe des Landes gleicht dem israelitischen Reich unter David und Salomo, d.h. also jenes Gebiet zwischen dem Mittelmeer im Westen und der syrisch-jordanischen Steppe im Osten, dem Libanon im Norden und der Wüste im Süden. Angesichts der schwierigen, fast unmöglich erscheinenden Situation, die sich nach dem Tod des Mose ergibt, scheint Ermutigung für Josua und dem ihm anvertrauten Volk geradezu unausweichlich. Gott spricht diese Ermutigung als „mit-sein“ aus, es ist jenes Trostbild, das sich in vielen Texten zeigt: der Gott Israels ist kein statischer Gott, sondern ein Gott, der mit seinem Volk mitgeht, der es begleitet, behütet und beschützt.

Die V. 7ff sprechen ein neues Thema an: es geht um Standfestigkeit, Tatkraft und um das Festhalten am Gesetz. Ursprünglich haben sich im Text Worte und Aufforderungen des Mose befunden, die jedoch deuteronomistisch mit der Gesetzesthematik verbunden wurden. Denn nach deuteronomistischem Verständnis gibt es einen kausalen Zusammenhang vom Festhalten an der Tora und dem Gelingen von Geschichte.

In V. 8 wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang angesprochen. Unser Fehlverhalten, unser eigenes Ergehen, aber auch das einer Gemeinschaft können aufs Spiel gesetzt werden, doch wir können uns Gottes Hilfe nicht verdienen. Denn Gott spricht uns in seiner Güte trotz unseres Fehlverhaltens Vergebung zu, und erst dann folgt die Mahnung, sich an der Tora zu orientieren. V. 9 greift dann noch einmal zusammenfassend auf die V. 5–7 zurück.

Welche Funktion hatte diese Perikope? Der Text bietet eine Art Leseanleitung für das Verstehen des Josuabuches aus der Sicht des Deuteronomisten. So werden wichtige Themen hier bereits angesprochen, die im Laufe des Josua-Buches entfaltet werden: das Mit-Sein Gottes und die Befolgung der Tora des Mose. In V. 2 wird auf Josuas Führung hingewiesen (vgl. Jos 1–12) und in V. 6 wird ein Hinweis auf die Landverteilung gegeben, die dann in Jos 13–21 ausgeführt wird. Es ist ein pädagogischer Text, denn angesichts neuer Hoffnungen auf bzw. durch abermalige Landnahme erfolgt die Mahnung, dass sich das Volk und seine Führer am Willen Gottes orientieren müssen, damit nicht das von Gott geschenkte Heilsgut Landnahme erneut aufs Spiel gesetzt wird. Das Volk erhält aber auch die Zusage Gottes, dass er es nicht verlässt, sondern zukünftig immer wieder begleiten und beschützen wird.

Der Neujahrstag gilt für viele Menschen als ein Tag, sich auf das vor uns liegende neue Jahr zu besinnen. Die Zuhörer sind an diesen Tag besonders darauf bedacht, sich der Bereitschaft für das Neue zu öffnen, aber auch die Unsicherheit vor dem Kommenden, die Hoffnungen und Befürchtungen, die Frage nach der rechten Orientierung werden nicht aus dem Blick genommen.

Ähnlich wie damals im alten Israel haben die Menschen auch heute Angst vor der Zukunft. Wie geht es mit der Regierungsbildung in unserem Land weiter, haben wir bis Ostern eine neue beständige Regierung, die unserem Land Orientierung gibt? Wie gehen wir weiter mit den Flüchtlingen in unserem Land um, schaffen wir ein Kultur des miteinander? Nehmen der Rechtsextremismus und der Antisemitismus weiter zu? Wie gestalten wir unser Verhältnis zum Islam? Alles Fragen, die beim Hören des Textes kommen.

Nicht vergessen werden darf beim Text Jos 1, 1-9, dass er als Einleitung eines Buches gelesen werden muss, das auch die kriegerische Landnahme des Volkes Israel zum Thema hat. Dieser Kontext muss bedacht werden, doch es besteht ein großer Kontrast zu den Erwartungen, die die Menschen am Neujahrstag haben, weil viele noch im Weihnachtsmodus sind und auf ein friedliches neues Jahr hoffen. Der Predigttext kann als Grundmuster dafür dienen, dass Gott in Umbruch- und Krisensituationen den Menschen hoffnungsvoll und treu zur Seite steht.

Lieder

EG 58, Nun lasst uns gehen und treten EG 62, Jesus soll die Losung sein EG 65, Von guten Mächten EG 61, Hilf, Herr Jesu, lass gelingen EG 157, Laß mich dein sein und bleiben.

Eingangsgebet

Am Anfang dieses Jahres kommen wir zu dir, Herr. Wir wollen uns stärken und segnen lassen, du bist derselbe in Zeit und Ewigkeit. Du bist unser Fels, unsere Burg, unser Schutz. Wir wissen, dass wir uns auf dich verlassen können.

Herr Jesus Christus, wir vertrauen deiner Zusage, dass du bei uns alle Tage bis ans Ende aller Tage bist. Das macht uns Mut, daran wollen wir uns auch in diesem neuen Jahr halten.

Wir danken dir, dass wir uns immer wieder auf deine Zusage verlassen können. Hab Dank dafür. Amen.

Fürbitten

Zu Beginn dieses neuen Jahres sieht es nicht anders in der Welt aus als gestern oder vorgestern. Herr, du weißt, wie es um uns Menschen bestellt ist.

Du weißt, wie wir Menschen miteinander umgehen. Du weißt, wie macht- und geldgierig Menschen sind. Dass Menschen oft keine Skrupel haben, anderen Menschen zu schaden. Dass sie keine Skrupel haben, Menschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben, um noch mehr Geld mit ihren Immobilien zu verdienen.

Herr, du siehst wie deine Werte und Maßstäbe immer wieder mit Füßen getreten werden und wie Mensch und Tier leiden. Guter, treusorgender und gnädiger Gott, wir vertrauen dir, lass uns nicht los. Hilf uns im neuen Jahr, mehr deinem Licht und deiner Botschaft zu vertrauen. Stärke du uns mit deinem Wort und deiner Liebe. Zeige du uns, wo wir in dieser Gesellschaft aufstehen und handeln müssen, damit das Böse nicht die Oberhand gewinnt, sondern Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit siegen.

Lass uns in deinen Händen geborgen sein und gib du uns Zuversicht und Kraft zum Glauben und Handeln in diesem neuen Jahr 2018.

Segen

Gott, segne uns auf den Wegen, die wir gehen: Schenk uns Geduld, damit wir warten können auf das, was erst noch wachsen muss. Gott, segne uns das neue Jahr, das vor uns liegt: Schenk uns offene Augen, damit wir deinen Stern entdecken in den Herausforderungen, die uns das Leben stellt. Gott segne und behüte unsere Schritte: Schenk uns Vertrauen ins Leben, Mut, für das Gute einzustehen, und die Zuversicht, dass nie umsonst ist, was wir in deinem Namen tun.

Gott segne uns mit Frieden: Schenk uns die Kraft, auf dein Wort zu hören, deinem Klang zu folgen und zu wachsen in Glaube, Hoffnung und Liebe, damit unser Leben Frucht bringt. So segne uns Gott, durch Christus, im Hl. Geist.

Literarische Texte

Alles beginnt mit der Sehnsucht Immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres und Größeres. Immerfort sich hinstrecken auf ein Kommendes – das ist des Menschen Größe und Not. Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft, und Liebe. Und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf: dass es so bleibe, dass es nicht vorübergehe. Fing nicht auch die Menschwerdung, Gott mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an? So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, dich zu suchen, und lass sie damit enden, dich gefunden zu haben. Nelly Sachs

Zeichen setzen

Die Türen des Jahres öffnen sich, wie die der Sprache, dem Unbekannten entgegen. Gestern abend sagtest du mir: Morgen gilt es, ein paar Zeichen zu setzen, eine Landschaft zu skizzieren, einen Plan zu entwerfen auf der Doppelseite des Papiers und des Tages. Morgen gilt es, aufs Neue die Wirklichkeit dieser Welt zu erfinden. Octavio Paz, In mir der Baum, Suhrkamp Verlag Frankfurt a./M. 1990.

Literatur

A. Alt, Josua (1936), in: ders., Kleine Schriften I, München 1953, 176-192; K. Bieberstein, Josua – Jordan – Jericho. Archäologie. Geschichte und Theologie der Landnahmeerzählungen 1-6 (OBO 143), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1995; V. Fritz, Das Buch Josua (HAT 1/7), Tübingen 1994; ders., Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jahrhundert v.Chr. (BE 2), Stuttgart 1996; H.-W. Hertzberg, Die Bücher Josua, Richter, Ruth, ATD 9, Göttingen 1969 (4. Aufl.); Ernst Axel Knauf, Josua (ZBK 6), Zürich 2008; N. Lohfink, Landeroberung und Heimkehr. Hermeneutisches zum heutigen Umgang mit dem Josuabuch (JBTh 12), Neukirchen-Vluyn 1998, 3-24; M. Noth, Das Buch Josua (HAT (1/7), Tübingen 1953 (3. Aufl.).

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Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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