„Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft…“
Bittrufe um Gottes Eingreifen und Hilfe - Eine Liedpredigt zum Sonntag Kantate
Predigttext | „Bewahre uns, Gott“, Lied Ev. Gesangbuch Nr. 171 |
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Kirche / Ort: | Nünschweiler und Windsberg |
Datum: | 15.05.2022 |
Kirchenjahr: | Kantate (4. Sonntag nach Ostern) |
Autor: | Pfarrerin Anke A. Rheinheimer |
Predigttext: „Bewahre uns, Gott“, Lied Ev. Gesangbuch Nr. 171
Liedpredigt
Heute ist der Sonntag Kantate, der Sonntag der Kirchenmusik. „Kantate“ heißt „singet!“. Auch der Wochenpsalm, den wir vorhin miteinander gebetet haben, hat uns dazu eingeladen: „Singet dem Herrn ein neues Lied“ heißt es darin. Gerade an Kantate sollen wir singen aus vollem Herzen. Singen befreit! Singen tut gut! – Ob allein daheim unter der Dusche respektive in der Badewanne oder in Gemeinschaft, sei es im Chor oder wie hier, in unserer Kirche, im Gottesdienst.
Was ist ein Gottesdienst und was wäre die evangelische Kirche ohne Musik, ohne Lieder und ohne Chormusik?! Was uns ohne sie fehlt, haben wir in der Corona-Zeit gemerkt, als wir monatelang auf Gemeindegesang verzichten mussten. Viel zu lange lag wegen Corona auch 2020 und 2021 die Chorarbeit brach. Es steht zu befürchten: Mancher Gesangverein hat die Pandemie und das Probenverbot leider nicht überlebt und sich aufgelöst. Gott sei Dank aber nicht unser hiesiger GV „HarmonieNünschweiler“! Lange lag auch die Instrumentalmusik in all den Blas- und Streichorchestern brach und der Musik- und Gesangsunterricht in Gruppen war zeitweise verboten. Das war für viele ProfimusikerInnen, für die die Musik ihr Beruf ist, eine schwere Bürde.Aber auch Hobby-MusikerInnen und Menschen, die gerne singen, sehnten sich danach, endlich wieder ihrem Hobby und ihrer Leidenschaft nachgehen zu können. Dass das Singen und das Musizieren in der Öffentlichkeit endlich wieder möglich ist sollten wir darum umso mehr schätzen.
Musik ist ein Geschenk. Musik tut gut, selbst wenn man sie nur passiv im Radio hört. Sie macht beschwingt und heiter, sie tröstet und beruhigt. Darum ist Musik, sind Lieder auch so wichtig in der Kirche. Was wäre der christliche Gottesdienst ohne Singen und Musik? Und was ohne die vielen begabten Liederdichter und Liedermacher, die sie uns geschenkt haben. – In früheren Zeiten, von Martin Luther angefangen, bis heute. Sie haben Lieder geschaffen, deren Melodie man gerne mitsingt und die uns auch textlich, also von ihrem Inhalt her etwas zu sagen haben.
So wie das Lied, das wir vor der Predigt miteinander gesungen haben und das ich Ihnen jetzt in einer kurzen Liedpredigt auslegen möchte: „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott.“ Es stammt von dem ev. Sportpfarrer und Musiker Eugen Eckert, der als Stadionpfarrer in der Stadionkappelle der Commerzbank-Arena in Frankfurt a.M. und EKD-Referent für Kirche und Sport arbeitet. Er hat gleichermaßen eine Leidenschaft für die Musik und für den Fußball. Er schreibt Lieder, die den Weg mittlerweile in unser Ev. Gesangbuch gefunden haben und ist Musiker in der Frankfurter Band „Habakuk“. Ganz besonders anrührend und aussagestark finde ich sein Lied „Bewahre uns Gott“ in dem es in der ersten Strophe heißt:
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns auf unsern Wegen. Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen, sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen.
Gottes Segen steht für Geborgenheit und seine heilsame Nähe. Für das gute Gefühl, dass er bei uns ist und mit uns geht. In unserem Leben erreichen uns immer wieder Glück- und Segenswünsche, z.B. am Geburtstag oder auch bei einer bestandenen Prüfung. Solche Segenswünsche tun gut! Denn Segen, er steht für Gutes, Heilvolles, Warmes und Helles; für den Glanz von Glück in unserem Leben. Wir haben darum immer wieder Sehnsucht nach Heil und Segen für unser Leben. Darum singen wir auch solche Segenslieder wie das von Eugen Eckert in unserer Kirche. Ganz oft auch gegen Ende des Gottesdienstes als Schlusslied, denn der Segen soll mit uns gehen in unseren Alltag.
Wunderbar ist: Nie müssen wir einen Gottesdienst verlassen ohne einen Segen. Denn ganz am Schluss, als letzter Akt vor dem Orgelnachspiel kommt immer der Segen – sei es der uns wohlvertraute sog. Aaronitische Segen „Der Herr segne dich und behüte dich“ oder der sog. trinitarische „So segne euch Gott, der allmächtige und barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“ Und wenn gilt, was Martin Luther einmal schrieb, „wer singt betet doppelt!“, dann gilt sicher auch „wer ein Segenslied singt, bittet doppelt um Gottes Segen!“ – mit Worten und mit Tönen und Klängen.
Die Melodie von Eugen Eckerts Segenslied kommt dabei nachdenklich, aber gleichzeitig leicht und fröhlich daher, im Dreiviertel-Takt. Mal wird sie langsamer gesungen, mal fröhlich hüpfend – je nach Situation, in der wir das Lied singen. Und das kann auch eine bedenkliche Situation sein, denn auch damit finden wir uns in dem Lied wieder, wenn dort die Rede ist von Wüstennot, von Leiden und schweren Zeiten. So wie in der zweiten Strophe:
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten, voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten.
Die Wüstennot, die Rede von den schweren Zeiten erinnert biblisch an die Zeit, die Israel in der Wüste verbrachte, die Zeit nach der großen Befreiung aus Ägypten, an die das Pessachfest und damit Jesu Feier des letzten Abendmahls erinnern. Auf die neu gewonnene Freiheit folgte damals nochmal eine lange Wüstenzeit für das Volk Israel. – So wie für uns gegenwärtig nach der zu Dreiviertel überstandenen Corona-Krise jetzt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Wir, unsere eigene Zeit ist also miterfasst und gerade die Menschen, die momentan die Wüstennot am härtesten erleben und Gott um Hilfe anflehen.
Damals beim Volk Israel war es auch die Bitte um ganz praktischen, leiblichen Segen, nämlich den von Wasser und Brot. So wie auch wir heute ein Segen sein können durch praktische, soziale Hilfe für unverschuldet bedürftige Menschen in Form von Sach- oder Geldspenden oder dem Einsatz für die vertriebenen Menschen aus der Ukraine, die bei uns stranden, so dass die unschuldigen Opfer von Krieg und Gewalt das Nötigste zum Leben bekommen, ganz besonders die Kinder.
Schön auch, dass in unserem Lied die Rede ist von „Wärme und Licht in schweren Zeiten“. Wie gut, dass jetzt endlich Frühling ist und wir von Sonnenstrahlen begleitet werden. Wärme und Licht in diesen Tagen als Segen zu nehmen, auch das tut uns gut! So erleben wir einen Frühlingsanfang, der an beides erinnert: daran, dass neues Leben wie in jedem Jahr beginnt und daran, dass leider auch dieses Jahr von neuem, jetzt von Kriegsleid überschattet ist, wo das Krankheitsleid durch Corona kaum überstanden ist …Wärme und Licht in diesem Frühling sind darum ein Hoffnungsschimmer für uns und alle Menschen. Und das ist so, auch wenn wir wissen und in unserem Lied in der dritten Strophesingen vom Bösen in der Welt:
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns vor allem Bösen. Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft, sei in uns, uns zu erlösen, sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft, sei in uns, uns zu erlösen.
Ja, das Böse ist ein Teil der Welt. Gerade das menschengemachte Böse wie Krieg, Zerstörung und Gewalt. Von diesem Bösen erlöst zu werden, das wäre wahrlich ein Segen. Nichts wäre schöner in dieser Zeit, als wenn der Krieg in der Ukraine so schnell wieder aufhören würde, wie er begonnen hat. Bis dahin brauchen wir Hilfe und Kraft, brauchen wir willige Menschen, einflussreiche Kräfte, PolitikerInnen und Militärs, die Frieden schaffen wollen, statt ihn zu verhindern und die kriegerischen Handlungen zu verlängern.
Die Welt, liebe Geschwister in Christus, ist wie sie ist. Sie ist und sie bleibt friedensbedürftig, so wie wir als Menschen liebensbedürftig sind und d.h. immer auch segensbedürftig bleiben. Wir sehen uns nach Gutem, Glücklichem, Heilvollem, nach gutem Miteinander, nach Gemeinschaft, Herzlichkeit und Freundlichkeit, nach Liebe, nach Wärme und Licht, denn das tut uns gut. Wenn wir singend darum bitten, so wie mit Eugen Eckerts Lied, dann ist es ein doppeltes Beten und Bitten, eine gesungene Bitte in Worten und in Tönen. So dürfen wir voll miteinstimmen in die letzte Segensbitte des Liedes in seiner vierten Strophe. Denn wir glauben an einen Gott, der das Leben will. Einen Gott, der seinen Sohn für uns sterben ließ, damit wir begreifen, dass er sein kostbarstes Gut gibt, damit wir hoffnungsvoll leben können. Nicht dass wir mit Gold überschüttet werden wie die Goldmarie, aber so, dass wir Segen erfahren und das warme und sichere Gefühl in uns spüren, dass Gott in uns ist mit seinem guten Geist, dass er bei uns, für uns und neben uns ist auf allen Wegen, mitten in der Welt wie sie ist – mit ihrem Glück und ihrem Leid:
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns durch deinen Segen. Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen, dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen.