Selbsterkenntnis

Auch als besonders fromme Menschen schaffen wir es nicht, immer das Richtige zu tun

Predigttext: Matthäus 21,28-32
Kirche / Ort: Johanneskirche / Johannes-Diakonie 74821 Mosbach
Datum: 27.08.2017
Kirchenjahr: 11. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Birgit Lallathin

Predigttext: Matthäus 21,28-32 (Übersetzung nach Martin Luther)

(Jesus spricht:) Was meint ihr aber? Es hatte ein Mann zwei  Söhne und ging zu dem Ersten und sprach: Mein Sohn, gehe hin und arbeite im Weinberg. Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht! danach reute es ihn und er ging hin.

Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr! Und ging nicht hin.

Wer von den Beiden hat des Vaters Willen getan? Sie (die Pharisäer) antworteten: Der erste. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.

Denn Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg und ihr glaubtet ihm nicht. Aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr es saht, tatet ihr dennoch nicht Buße, so dass ihr ihm dann auch geglaubt hättet.

 

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Es ist doch so einfach: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ Sie kennen alle diesen Spruch, ein richtiges Sprichwort.  Und es stimmt ja auch: Reden allein nutzt nichts! Es muss auch das Tun stimmen. Und schon sind wir in der Zwickmühle: Eigentlich soll man das Gute tun! Das Problem steckt im Wörtchen „eigentlich“. Warum tun wir denn  nicht, was wir tun sollen? Ist das denn so schwer?

In der Kirche hören wir oft von den 10 Geboten. Das sind die guten Lebensregeln. Wer die 10 Gebote befolgt, lebt in Frieden mit Gott, mit sich selber und seinen Mitmenschen. Um was geht es denn in den 10 Geboten? Gott bestimmt als erstes, dass nur er allein das Sagen hat. Alles, was Menschen tun, alles, was sie im Leben erleben, geschieht unter den Augen Gottes. Und Gott stellt deutlich klar: Neben ihm gibt es keinen anderen Gott, keine von Menschen gemachten Götterbilder, die irgendetwas bedeuten. Also: Menschen müssen sich verantworten, vor Gott nämlich. Nicht vor anderen Menschen müssen sie sich verantworten. Sie richten ihr Leben, ihr Tun an Gott aus. Und dann folgt, eigentlich ist das ganz logisch: Wir sollen achten, woher wir kommen und unsere Eltern ehren. Wir sollen nicht töten, wir sollen nicht mit irgendwem und selbstzerstörend Sex haben, wir sollen unsere Mitmenschen achten, wir sollen das achten, was ihnen gehört. Und natürlich, zu unserem eigenen Wohl, sollen wir auch die Ruhe achten und Gott ehren. Gute Lebensregeln sind das.

Was hält uns davon ab, nach den guten Lebensregeln zu leben? Jesus spricht in einem Beispiel: Gott wird wie ein Vater dargestellt. Er ist wie ein Mann, der einen Weinberg besitzt. Dieser Weinberg muss gut bearbeitet werden, sonst wachsen keine Früchte. Der Vater bittet den älteren Sohn, dass er zum Arbeiten in den Weinberg gehen soll. Der sagt aber überraschend: „Nein!“ Aber später überlegt er es sich anders und geht doch zum Arbeiten. Der Vater geht zum zweiten Sohn und bittet auch ihn, er soll im Weinberg arbeiten. Der ist nett, der sagt gleich „Ja“. Aber dann geht er doch nicht arbeiten.

Jesus hat diese Beispielgeschichte sehr frommen Menschen erzählt. Sie heißen Pharisäer und sie wollen immer ganz genau Gottes Willen tun.  Wie aber die Menschen sind: Auch diese besonders frommen Menschen schaffen es nicht, immer das Richtige zu tun. Jesus hat sie im Verdacht, dass sie nur so tun, als wären sie besonders gute Menschen. Und dann ärgert er sie richtig: Gerade die Menschen, auf die die Frommen, die Pharisäer, mit Abscheu herabblicken, sind näher bei Gott als sie selber. Denn im Beispiel hat der Vater ja zwei Söhne, die er beide gleich gern hat offensichtlich. Aber der erste sagt „Nein“, tut aber dann doch das, was der Vater fordert. Also ist er ein Guter, obwohl es erst gar nicht gut aussieht. Mit diesem Sohn vergleicht Jesus die angeblich schlechten Menschen, die Huren, also Prostituierte, und die  Zöllner. Sie ändern sich, werden gut und befolgen Gottes Willen. Also können sie auch in Gottes Reich kommen.

Der zweite Sohn redet dem Vater nach dem Mund, geht aber nicht arbeiten. Jesus meint mit ihm diese Frommen. Sie tun groß bei Gott, sind aber schlecht und ändern ihr Leben nicht! Auch sie hätten es nötig. Und dann erinnert Jesus an Johannes den Täufer. Der war ein sehr strenger Bußprediger. Alle Menschen sollten sich ändern, sonst kämen sie nicht in Gottes Reich. Aber die, die meinen, sie würden eh schon alles richtig machen, haben Johannes verachtet.

Jeder Mensch soll umkehren, auf Gottes Weg gehen. Jeder soll merken, wie oft er Fehler macht, wie oft er gegen Gottes Lebensregeln handelt. Nur dann nämlich kann man auch Gutes tun, sagt Jesus, wenn wir das vor Gott verantworten können. Gar nicht leicht so eine Umkehr. Aber es ist möglich, sagt Jesus. Es ist diese schlimme Blindheit und Selbstgerechtigkeit, die Jesus hier so deutlich anspricht. Die Leute fühlen sich so fromm und gut, dass sie keine Buße, keine Umkehr, keine Reue nötig haben.  Denn dann könnten sie wirklich Gutes tun. Deshalb ärgert sich Jesus ja so sehr über diese frommen Leute, die er für Heuchler hält.

Es ist immer die Selbsterkenntnis, die auch uns heute so schwer fällt. Vielleicht finden wir selber ja auch toll und gut, wie wir sind. Aber in Wirklichkeit fehlt noch viel zum Gutsein. Jesus will, dass wir wirklich Gottes Willen erkennen und tun sollen. Halbe Sachen mag er nicht. Ganz leicht können wir auch mit dem Finger auf andere Menschen zeigen. Wir können ganz schnell sagen, wer etwas richtig macht oder wer nur Mist baut. Die anderen, immer nur die anderen! Ich selber kann mich raushalten.

Schauen wir doch mal in die Politik. Viele lästern über die Politiker. „Die da oben in Berlin“, sagen wir schnell. Und dabei vergessen wir, dass jeder und jede von uns Verantwortung trägt. Zu jedem ist gesagt: „Tu Gutes und halte dich an die 10 Gebote“. Politiker und Politikerinnen bemühen sich um Gerechtigkeit, um sozialen Frieden, um vernünftige Verteilung des Geldes. Natürlich meint jeder Mensch in Deutschland, dass er oder sie immer zu kurz kommt.

Auch in der Frage, wie wir in Deutschland mit geflüchteten Menschen, die bei uns leben, zusammen kommen können, erleben wir aber ganz schnell Ausgrenzung. Haben wir vergessen, dass in den 10 Geboten von unseren „Nächsten“ gesprochen wird? Der „Nächste“, der hier gemeint ist, ist auch der Mann mit schwarzer Hautfarbe im Haus nebenan oder die Familie aus Syrien, bei denen es manchmal etwas turbulent zugeht. Lästig empfinden viele Menschen das Zusammenleben und vergessen die Ursprünge. Sie vergessen, warum Menschen zu uns über das Meer und durch Wüsten gekommen sind. Und dann wird nach der „Politik“ gerufen und „die da in Berlin“ sollen Lösungen schaffen. Und die Lösung heißt oft genug „Abschiebung“.

Wer aber hat sich denn schon die Mühe gemacht, mit den zugewanderten Menschen zu sprechen? Wer hilft ihnen? Politik ist die Aufgabe von Bürgern. Alle sind gefordert, sich für Gerechtigkeit, Menschenwürde und ein gutes Auskommen einzusetzen. Das ist nicht leicht. Viele Menschen, die schon viel geholfen haben, sind inzwischen müde und enttäuscht. Aber die, die nur reden, rumstehen und vielleicht noch gegen die Ausländer Hetzreden halten, die halte auch ich für Heuchler. Politiker werden schlecht dargestellt. Das ist empörend und beleidigend. Wer weiß denn schon, wie anstrengend das Leben als Abgeordneter wirklich ist? Wer hat schon mal Kontakt zu seinen Abgeordneten in Berlin gesucht? Wer hat ihnen seine Anliegen vorgebracht? Immer nur meckern und maulen ist zu einfach. Unter uns gibt es zu viele Heuchler. Wir alle können umkehren und uns bemühen, das Richtige zu tun. Selbsterkenntnis tut erst weh, aber dann geht es uns besser.

Vielleicht schmunzeln Sie mit mir über die Geschichte, die einmal jemand in einem Zug erlebt haben will: Da jammert ein Mann an jeder Station, wo der Zug anhält. Irgendwann fragt dann mitleidig ein Mitreisender, warum er denn immer so jammert. „Ja, sehen Sie“, klagt der Mann, bei jeder Station sehe ich, dass ich in die falsche Richtung fahre.“ „Warum steigen Sie nicht aus, kehren um mit dem Zug, der in die  Gegenrichtung fährt?“ „Ja, das ist ja Zwickmühle“, klagt der Mann weiter. „Wissen Sie nicht, wieviel Geld ich für die Fahrkarte schon gezahlt habe?“ Vielleicht geht es uns ja auch manchmal so. Wir erkennen, dass wir im falschen Zug sitzen, aber umkehren kommt nicht in Frage. Für den falschen Weg haben wir ja schließlich schon bezahlt!

 

 

 

 

 

 

 

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Ein Kommentar zu “Selbsterkenntnis

  1. Pastor i.R.Heinz Rußmann

    Mit dem verständlichen Sprichwort steigt Pfarrerin Lalathin ins Thema ein : Warum ist es so schwer, Gutes zu tun ? – In der Kirche hören wir von den Zehn Geboten. Es sind praktikable Lebensregeln. Was hält uns davon ab, nach diesen Regeln zu leben ? Jesus hat die Pharisär im Blick, die Gesetzestreuen, welche das Gute nicht oft genug getan haben , wie beim barmherzigen Samariter. Der Ausländer, Samariter und die Zöllner und Sünder haben oft das Gute getan gegen unserSelbstgerechtigkeit und unser Blindsein. Auch bei der Flüchtlings -Not können wir das Gottwohlgefällige tun, z.B. indem wir Kontakt suchen zu unseren Politikern und sie versuchen zu überzeugen für unsere Nächsten. Ganz humorig bekräftigt Pfarrerin Lalthin ihre verständliche, engagierte, menschfreundliche und schöne Predigt mit einer Anektdote zum Schluß.

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