Predigt

Sollte uns Gott mit ihm nicht alles schenken?

Weihnachten einmal ganz anders

PredigttextJohannes 1,1-5.9-14 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Caritas-Altenzentrum St. Franziskus / Karlsruhe
Datum:25.12.2024
Kirchenjahr:Christfest (1)
Autor:Profesor Dr. Klaus Engelhardt, Landesbischof i. R.

Predigttext: Johannes 1,1-5.9-14 (Übersetzung nach Martin Luther)

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. 14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Exegetische Bemerkungen

Das Johannesevangelium macht gleich zu Beginn auf die Einzigartigkeit Jesu aufmerksam.

Im Prolog, diesem konzentriert gestalteten, poetischen Proömium, wird von Jesus und seiner Herkunft in hohen Tönen gesprochen. Es ist wie ein Gedicht, ein Hymnus und beginnt so steil, damit das Wunder der Menschwerdung Gottes nicht verkannt wird. Alles zielt auf Vers. 14 hin: „Und das Wort ward Fleisch … und wir sahen seine Herrlichkeit“. Wer begreift, was Gott mit der Menschwerdung Jesu der Welt geschenkt hat, wird sich nicht mit kargem Jesusverständnis begnügen. In V.16 ist von der Fülle dieses Geschenkes Gottes an die Welt die Rede. Dazu gehört das nie zu Ende kommende, immer wieder neu einsetzende Nachdenken über Jesus. Mich beeindruckt der große Kommentar von Hartwig Thyen. Lebenslang hat er dem Johannesevangelium nachgedacht, bis zuletzt in dankbarer Schülerschaft zu Rudolf Bultmann und doch mit der seinem Lehrer widersprechenden Grundthese, dass das Johannesevangelium ein kohärentes Buch ist, zu lesen in Intertextualität mit dem Alten Testament. „Am Anfang war das Wort“. Wem kommt nicht Gen. 1,1 in den Sinn?

Manfred Jeub hat darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Prolog Glaubenserfahrungen in passiven, rezeptiven Begriffen ausgesagt werden: aufnehmen(V.12), sehen (V.14), empfangen (V.16). Wir fragen: Wo bleibt unser Tun? Dieser Anfangstext des Johannesevangeliums macht uns darauf aufmerksam, dass wir dann von Jesus zu geringdenken, wenn wir nicht zuallererst uns durch Jesus beschenken lassen. Der Prolog stimmt darauf ein, dass Jesus als Licht und Leben, als Gnade und Wahrheit erscheint und dass wir Empfangende sind. Das gilt gegen den Versuch, sich selbst zu ermächtigen und so in der Finsternis zu bleiben, von der die Rede ist.

Die uns vertraute Erzählung von Jesu Geburt im Lukasevangelium und der Prolog im Johannesevangelium haben bei aller Unterschiedlichkeit in Denkstil und Sprache eine Gemeinsamkeit. „Sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“, heißt es bei Lukas “(Luk.2,7)– „Die Seinen nahmen ihn nicht auf“ bei Johannes (Joh. 1,11). Beide Male kein Platz für Jesus! Es sind nicht die Fremden oder erklärte Gegner oder atheistische Bestreiter, die ihm Bleibe verweigern. Es sind die „Seinen“, zu denen er gehört und die zu ihm gehören. Dass auch wir es sein können, seine Gemeinde, die in Gottesdiensten seine Geburt feiert, gehört zur Finsternis. „Doch die Finsternis hat das Licht nicht überwältigt“ (V.5). Thyen schreibt dazu: „Nicht Pessimismus, sondern Siegesgewissheit wird hier laut“ (S.72). Es ist überwältigend, dass Gott, der Schöpfer des Alls, in Jesus Mensch geworden ist, dass er dort seinen Platz gesucht hat, wo Finsternis, Gottesverdunkelung herrschen. Das schafft ganz neuen Durchblick. „Und wir sahen seine Herrlichkeit“. In Jesu irdischen Weg, der mit der Geburt beginnt und in seiner Hingabe am Kreuz endet und Gottes Liebe vollendet, erscheint seine göttliche doxa (Thyen S. 87). Menschwerdung Gottes, Wohlgefallen Gottes an den Menschen – welche Ehre für die Menschen! Luther in einer Weihnachtspredigt: „Denn es ist eine solche Ehre, dass, wenn einer ein Engel wäre, wünschen möchte, dass er ein Mensch wäre.“

Literatur

Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, 21. Aufl. 1986. - Manfred Jeub, in: Göttinger Predigtmeditationen 1984/85, S. 53ff. - Walter Mostert, Jesus Christus – wahrer Gott und wahrer Mensch, 2012. - Walter Thyen, Das Johannesevangelium, Handbuchzum Neuen Testament, 2. Aufl. 2015. - Ulrich Wilckens, Das Evangelium nach Johannes, Das Neue Testament Deutsch, Bd. 4, 1998.

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