Predigt

SPRICHT GOTT ?

Das Wort Gottes – was ist das eigentlich?

PredigttextHebräer 4,12-13
Kirche / Ort:Lutherkirche / Karlsruhe
Datum:31.01.2016
Kirchenjahr:Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor:Pfarrerin Ulrike Krumm

Predigttext: Hebräer 4,12-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Exegetische und homiletische Einführung

Das Wort Gottes wird in der Predigt laut. Es informiert nicht nur, es „geschieht“. Es spricht die Hörer an, stellt in die Entscheidung. Diese steilen Sätze aus dem EKK-Kommentar von Erich Grässer (EKK XVII/1, 1990) zeigen, wie gut sich unsere Predigtverse entlang der Kategorien der dialektischen Theologie auslegen lassen. Als heutige Leserin habe ich das Gefühl, hinter all diese Sätze dicke Fragezeichen malen zu müssen. So fremd scheinen sie mir der Erfahrungswirklichkeit meiner Predigthörerinnen und -hörer zu sein. Menschen möchten „etwas mitnehmen“ aus der Predigt, die Predigt soll ihnen „etwas geben“. Solche geistliche Konsumorientierung und spirituelle Ökonomie unterscheidet sich kategorial von der Erfahrung, durch Gottes Wort „getroffen“ zu sein.

Dass die Bibel „Gottes Wort“ sei, wird zwar in schlichter Identifikation noch als erlerntes Wissen wiederholt – aber dahinter steht kaum noch Glaubenserfahrung. Wer kommt schon in den Gottesdienst, um dort infrage gestellt zu werden? Die Bibel ist Aufbewahrungsort christlichen Wissens, sie muss sich, wie der Koran, die Frage gefallen lassen, wie viel Gewaltpotenzial sie verkörpert, man kennt sich in ihr aus oder nicht – aber ist sie „Wort des lebendigen Gottes“? Sie wird daran gemessen, wie verständlich und zugänglich sie ist, aber für den Glauben spielt sie nur noch in sehr geringen Fällen eine Rolle. Viel wesentlicher ist die eigene Lebens- und Welterfahrung, aus der sich der Glaube speist. Das „Gott spricht“ hängt luftleer im Raum.

Ich kann die Predigtverse nicht bedenken, ohne mich nicht grundsätzlich an dieser Frage abzuarbeiten. Wie kann ich einen neuen Zugang zum Sprechen Gottes eröffnen? Spricht Gott nur durch die Bibel? Spricht Gott nicht viel mehr durch die Ereignisse, die uns beunruhigen oder beunruhigen könnten, von Köln bis zum Klimawandel? Fragen der Geschichtstheologie dringen in die Predigt ein. Wo und wie wird die Lebendigkeit Gottes erfahren?

Diese grundsätzlichen Fragen passen zur Position des Predigttextes, der einen Hauptteil (Hebr 3,7-4,11) abschließt und dem Proömium Hebr 1,1-3 korrespondiert. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass mit dem „Wort Gottes“ Christus bzw. Gott selbst gemeint ist. Die Eigenschaft „lebendig“ ist ein Gottesprädikat. Im Licht der Frage nach dem Gewaltpotenzial der Bibel ist festzustellen, dass das Schwert nicht zuerst tötende, sondern entlarvende Funktion hat. Auffällig nach den durchgefeilten Sätzen ist der abrupte Schluss vom menschlichen logos als Antwort auf den göttlichen, der über die Übersetzung mit “Rechenschaft“ m.E. hinaus geht.

Neuigkeiten

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Heinz Janssen
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