Predigt

Stehen bleiben und hinschauen …

Wohltuende Veränderungen

PredigttextApostelgeschichte 3,1-9
Kirche / Ort:Schornsheim/Udenhem (Rheinhessen)
Datum:08.09.2019
Kirchenjahr:12. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrer Kurt Rainer Klein

Predigttext: Apostelgeschichte 3,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

3 Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. 2 Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. 3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. 4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! 5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. 6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! 7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, 8 er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben.

Lese-Ergänzung:

E. Drewermann erzählt (Markus-Kommentar zu Mk 2):

>Es war gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts, als in der medizinischen Literatur zum erstenmal ein Fall bekannt wurde, in dem eine Frau von Gelähmtheit geheilt wurde nur durch seelische Beeinflussung.

Zu dem Wiener Nervenarzt Sigmund Freud war eine Patientin gebracht worden, deren Gelähmtheit am Krankenbett ihres Vaters entstanden war. Sie hatte den todkranken Mann wochenlang gepflegt und ernährt und war an sein Bett gefesselt durch Fürsorge und Pflicht. Zur gleichen Zeit aber drängte es sie zum Leben. Erst vor kurzem hatte sie die Bekanntschaft mit einem jungen Mann gemacht, um dessen Gunst sie fürchten musste, wenn zuviel Zeit in die beginnende Beziehung sich dazwischenschieben drohte; hin- und hergerissen zwischen Verantwortungsgefühl und Wunsch, zwischen der Pflicht gegenüber ihrem Vater und, wenn man so will, der Pflicht gegenüber ihrem eigenen Leben, wurde die Frau völlig bewegungslos. Sie konnte beides nicht mehr wahrnehmen; wie wenn gleichzeitig an zwei Seiten gleich stark in gegensätzliche Richtung an ihr gezogen würde, stand ihr Leben seelisch wie körperlich völlig unbeweglich auf der Stelle, gelähmt durch einen zerreißenden inneren Widerspruch.

Es war ein langer Weg, den sie zurückzulegen hatte, ehe sie den Gebrauch der eigenen Gliedmaßen wiedererlangen konnte. Ein ganzes Bündel einander widersprechender und sich verwirrender Gefühle war in ihr freizulegen, Gefühle, derer sie sich zutiefst schämte, für die sie sich schuldig wusste, die sie am liebsten gar nicht zugelassen, geschweige denn mitgeteilt hätte.

Ein ganzes Geflecht von Selbstanklagen, Schuldgefühlen und Empfindungen der Angst und Einsamkeit lähmten sie.<

Liturgie:

Eingangsspruch

Jesus sagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.! Das ist das Gesetz und die Propheten. (Matthäus 7,13)

Sündenbekenntnis

Herr, wir sind manchmal wie gelähmt: Wenn uns ein Problem überfordert und wir keine Lösung erkennen.

Wenn wir nach Hilfe suchen und uns allein gelassen vorkommen.

Wenn wir den Ansprüchen andere nicht genügen können.

Wenn uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird und wir haltlos geworden sind.

Herr, dann gib Du uns die Kraft, kleine neue Schritte zu wagen. Herr, erbarme dich!

Gnadenzuspruch

Bei Johannes heißt es: „Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“(1. Joh. 4,10)

Gebet

Herr, wir kommen heute zu Dir, weil wir den Zuspruch in unserem Leben suchen. Wir brauchen das ermutigende Wort, das unsere Lähmungen überwindet und uns kraftvolle Schritte ermöglicht. Du gibst uns Mut und Zuversicht. Du stärkst uns, wenn wir uns ohnmächtig und lahm fühlen.

Schriftlesung-Jesaja 29,17-24

Fürbitte

Gott, wir haben heute Morgen von einem lahmen Menschen gehört. Petrus und Johannes haben ihn angeschaut und ihm ein Ansehen gegeben. Sie haben ihn als Mensch gesehen und ihm seine Würde gegeben. Sie haben ihn aufgerichtet und sein Selbstvertrauen geweckt.

Auch wir, Gott, sind manchmal wie gelähmt und fühlen uns erstarrt und steif geworden.

- Gott, es lähmt uns, wenn wir hören, wie Kinder in ihren Familien vernachlässigt werden und nicht das von ihren Eltern bekommen, was sie brauchen, sondern verwahrlosen.

- Gott, es lähmt uns, wenn wir sehen, wie Menschen respektlos und unwürdig miteinander umgehen, sich immer wieder im Ton vergreifen und keine Achtung voreinander zeigen.

- Gott, es lähmt uns, wenn wir mit den Erkrankten leiden, die uns nahe stehen und die nicht wissen, wie es weitergeht und was morgen auf sie zukommen wird.

- Gott, es lähmt uns, wenn wir tagtäglich das Elend in der Welt mitbekommen, durch Hass und Verbohrtheit, durch religiösen Fanatismus und Rassenwahn, durch Terror und Krieg.

- Gott, es lähmt uns, wenn wir von unserem Mitmenschen nicht ernstgenommen werden und andere über uns lästern, weil sie eine Schwachstelle bei uns entdeckt haben.

Wie gut tut es uns, wenn uns jemand anschaut und zulächelt, wenn uns jemand zuhört und versteht, wenn uns jemand aufrichtet und Mut zuspricht. Dann können wir neue Schritte wagen und unsere Lähmung hinter uns lassen.

Dann können wir uns darüber freuen, wenn Menschen füreinander da sind, wo Menschen sich unterstützen, wenn Beziehungen gelingen, wo Achtung und Respekt herrscht, wenn einer dem anderen verzeiht, wo Zuspruch mehr wert ist als „Gold und Silber“.

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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