Suchen und Fragen
Sich Zeit lassen
Predigttext: 2. Korintger 4, 3-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
3 Ist aber unser Evangelium verdeckt, so ist’s denen verdeckt, die verloren werden,
4 den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes.
5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen.
6 Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. (Lutherbibel 2017)
Exegetische und homiletische Einführung
Ich veröffentliche hier eine kleine schriftliche Andacht zum Epiphaniastag. Während der Corona-Pandemie habe ich begonnen, in einer meiner Gemeinden so genannte „Samstagsbriefe“ zu verteilen. Sie folgen einem festgelegten Aufbau: Erst kommt ein Bild (Quelle: i.d.R. pixabay), dann ein paar meditative Gedanken zu diesem Bild, danach der eigentliche „Brief“ in Gestalt einer Andacht. Ich denke, dass in vielen Gemeinden der Epiphaniastag nicht mit einem eigenen Gottesdienst begangen sondern am Sonntag danach quasi „nachgeholt“ wird. Dazu kann die Andacht vielleicht ein paar Anregungen geben.
Ich bringe dabei die Erzählung von den Königen bzw. Magiern mit dem Predigtabschnitt zum Epiphaniastag zusammen. Die Predigtmeditation in den „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext“ entwickelt aus dem Predigtabschnitt drei Begriffspaare, die in dynamischer Spannung und Ergänzung zueinander stehen: Licht und Dunkelheit – sichtbar und verdeckt – Vertrauen und Zerbrechlichkeit. Ich fand es sehr spannend, diese Begriffspaare mit den Geschenken der Könige und dadurch mit ihnen selbst in Verbindung zu bringen.
Meditation
Sie lassen sich Zeit. Sie haben keine Eile.
Die drei Könige auf dem Weg zum Kind.
Sie haben schon einen langen Weg hinter sich –
wie die meisten von uns auch – einen langen Lebens-Weg.
Welchem Stern sind wir gefolgt? Welchem folgen wir?
Die Kamele auf ihren hohen dünnen Beinen –
es scheint, als ob sie trotzdem sicher gehen und ihre Last sicher tragen.
Auch unser Leben ist manchmal ein Balance-Akt,
aber wir kommen vorwärts. Vielleicht dank des Sterns.
Die Könige wirken wie ein Scherenschnitt,
ganz schwarz vor dem blauen Nachthimmel.
Man sieht nicht in sie hinein. Was denken und fühlen sie?
Andacht
Auf dem Bild von den Heiligen Drei Königen ist der Stern etwas anders gezeichnet als sonst. Nicht gelb, wie wir es gewohnt sind, sondern weiß. Die Umrisse nicht so scharf umrissen. Und der Kometenschweif nicht gebogen, sondern gerade. Fast wie die Kondensstreifen eines Fliegers. Der Stern wirkt leicht und voller Bewegung. Man sieht, dass er wirklich die Könige führt, zielgerichtet und dynamisch.
Man weiß wenig über diese drei Könige – eigentlich sollen es ja Magier gewesen sein, Weise und Sternkundige. Wenn man wenig über sie weiß, kann man um so mehr in sie hinein lesen. Das haben viele Autoren in vielen Geschichten getan. Sie haben oft sich selbst in die Charaktere der Könige hinein geschrieben. Das ist nach biblisch-kirchlicher Tradition auch ganz legitim. Denn die drei Könige gelten als Repräsentanten der Menschheit. Weisen die Hirten auf das nahe Umfeld in Bethlehem und damit auf Israel hin, so zeigen die Könige, dass Gott wirklich für die ganze Welt Mensch wurde. Der Dreikönigstag ist also sozusagen „Weihnachten global“.
Der Weg der Könige
Die Könige auf dem Bild wirken so, als hätten sie schon einen langen Weg hinter sich. Und tatsächlich beginnt ihr Suchen in vielen Geschichten über sie nicht erst mit dem Erscheinen des besonderen Sterns. Sie werden überhaupt als Suchende dargestellt. Als Menschen, die die großen Fragen des Lebens nicht in Ruhe lassen. Die auf der Suche sind – mal nach sich selbst, mal nach der Wahrheit des menschlichen Lebens, mal nach dem Frieden, den sie vermissen.
Die Könige gehören also zu denen, die noch nicht aufgehört haben, Fragen zu stellen – die sich mit dem was sie sehen und erleben nicht zufrieden geben. Ein bekannter Pädagoge hat ein neues Buch für Religionslehrer herausgegeben, in dem er einfach nur die Fragen gesammelt hat, die Jesus in den Evangelien gestellt hat: Fragen an seine Jünger, an die Pharisäer, an viele Menschen. Der Pädagoge will Kinder dazu ermutigen, Fragen zu stellen und auch die eigenen Fragen zuzulassen. „Suchen und fragen …“, so beginnt ein neueres Kirchenlied. Wer fragt, macht sich auf den Weg – wie die Könige.
Fragen heißt Antworten suchen
Fragen ist nur nicht so leicht. Wer fragt, gibt damit zu, dass er nicht immer gleich eine Antwort hat. Und vor allem, dass es vielleicht gar keine Antwort gibt. Für Kinder ist das noch nicht so schlimm. Sie fragen, und entwickeln ihre eigenen Antworten. Die brauchen noch nicht vollkommen zu sein, aber sie reichen für den Moment. Als Erwachsene wollen wir es dann ganz genau wissen. Und wenn wir merken, dass das nicht geht, hören wir auf zu fragen. Und sagen: „Darauf gibt es doch eh keine Antwort.“
Es gibt Fragen, auf die können wir uns die Antwort nicht selber geben. Es gibt andere Fragen, auf die müssen wir uns die Antwort selber geben, und kommen nicht daran vorbei: „Wie will ich leben?“, zum Beispiel. „Was nehme ich mir vor?“ „Bin ich glücklich?“ „Was ist für mich Glück?“ „Glaube ich an das Gute im Menschen?“ „Glaube ich an Gott?“ Das sind Fragen, die einen langen Weg brauchen.
Die drei Geschenke
Orientierung auf diesem Weg können uns die Geschenke der drei Könige geben. Nur wegen der Geschenke kommt man ja darauf, dass es drei Könige sind – ihre Anzahl wird in der Bibel nicht genannt. Wohl aber die ihrer Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Ich verstehe sie als Symbole im Angesicht unserer vieler Fragen:
Gold: Symbol des Reichtums. Was macht uns reich, wo fühlen wir uns arm? Was brauchen wir, worauf können wir verzichten? Worin besteht unsere Macht, und worin besteht unsere Ohnmacht? Wie wertvoll ist in unseren Augen unser Leben? Wo glänzt es? Wo glänzen wir?
Weihrauch: Symbol der Verbindung zum Himmel. Wie stark ist unsere Verbindung zu Gott, unser Vertrauen? Muss es stark sein? Der Duft des Weihrauchs ist leicht, wenn er zum Himmel steigt. Gott ist nah und verborgen zugleich. Rauch bildet Formen und zerfließt wieder. Aber was meine ich von Gott erkannt zu haben?
Myrrhe: Das ist ein Arzneimittel. Es gilt unserem Körper. Der braucht manchmal Arznei. Wie erfahren wir Krankheit und Gesundheit, Stärke und Schwäche? Das Wort „vulnerabel“ ist neu in unseren Wortschatz eingedrungen. Aber wir dürfen auch das Wunder der Heilung erleben und dankbar sein!
Manchmal fallen Antworten vom Himmel wie Sterne. Sie können uns eine Weile tragen, wie die Kamele die Könige.