„Kind, ich wünsche Dir, dass Du nie einen Krieg erleben musst“.
I
Ich sitze beim Kirchcafé neben einer Frau. Sie kommt regelmäßig zum Gottesdienst, singt bei uns im Kirchenchor und hilft dann und wann aus, wenn es irgendwo notwendig ist. Sie ist um die fünfzig Jahre alt, die beiden Kinder sind gerade auf dem Weg ins Studium. Die freie Zeit, die nun hat, möchte sie gern in unserer Kirchengemeinde verbringen und ehrenamtlich mitarbeiten. Und nun sitzt sie im Kirchcafé neben mir und erinnert sich an Ihre Mutter.
„‘Kind, ich wünsche Dir, dass Du nie einen Krieg erleben musst.‘ Das hat sie immer zu mir gesagt. Und ich habe immer gedacht: das passiert mir doch sowieso nicht. Und jetzt haben wir schon 2 Jahre Krieg vor der Haustür.“ Dann sprechen wir über die Angst, die ihr dieser Krieg macht. Und wie sehr sie sich verunsichert fühlt. Und dass sie inzwischen zu ihren eigenen Kindern sagt: „Kind, ich wünsche Dir, dass Du nie einen Krieg erleben musst“. Und keine Hochwasserkatastrophe. Und keine neue Pandemie. Sie macht sich Sorgen um die Zukunft. Ihre eigene Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder. Und ihre Sorgen bekommen reichlich Nahrung durch die Krisen, die wir alle im Moment erleben.
II
Unser Predigttext möchte eine Antwort sein auf unsere Sorge um eine gute Zukunft. Er möchte Hilfe anbieten, wenn wir verunsichert sind und uns Sorgen machen. Er steht im 1. Petrusbrief. Die Christen zu dieser Zeit kannten unsere Sorgen um Frieden, Krankheiten und Naturkatastrophen vermutlich auch. Zudem wurden sie staatlich verfolgt und waren nicht überall willkommen. Gute Gründe also, unsicher und sorgenvoll in die Zukunft zu schauen.
Umso überraschender ist, was der Schreiber des Petrusbriefes seinen Christen und Christinnen empfiehlt. Hören wir den kleinen Ausschnitt aus dem 4. Kapitel.
(Lesung des Predigttextes 1. Petrus 4,7-11)
Die Liebe kann die Kraft zur Vergebung schenken. Davon ist unser Schreiber überzeugt. Und auch die Gastfreundschaft öffnet die Tür zu einer neuen Gemeinschaft. Wenn jeder sich mit seinen Begabungen einsetzt, wird die ganze Gemeinschaft gestärkt. Wenn man so miteinander redet, wie es Gott gefällt und so zusammenarbeitet, dass allen gedient wird, kann man daran die christliche Gemeinde erkennen. So nimmt unser Briefschreiber die Ängste und Verunsicherungen seiner Christen damals ernst und ermutigt sie, trotz ihrer Verunsicherung weiter christlich zu leben. Gerade so wird die christliche Gemeinschaft gestärkt.
Was würde wohl die Frau aus dem Kirchcafé sagen, wenn sie unseren Predigttext hört? Können Liebe, das Gebet und der Einsatz für andere eine Antwort auf die Sorgen um eine gute Zukunft sein? Zumindest helfen sie heraus aus dem Gefühl, nichts tun zu können. Sie sind ein Angebot, etwas tun zu können und der Entwicklung nicht ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Wer betet, tut etwas. Wer sich für andere einsetzt, verändert nicht die ganze Welt, aber die Welt des Menschen, für den er oder sie sich einsetzt. „Sharing is Caring“, sagt der Engländer: Wer teilt, sorgt für den anderen. „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ – sagt unser Predigttext.
III
Welche Gabe haben Sie empfangen? Was können Sie gut? Worin sind Sie stark? Vielleicht kommt Ihnen diese Frage seltsam vor. Denn wir sind normalerweise gut darin, unsere Schwächen zu kennen. Unsere Stärken machen wir uns selten bewusst. Hier aber werden wir dazu aufgefordert: Welche Gabe, welche Stärke bringst du ein in unsere Gemeinde? Es hieß damals noch nicht so, aber unser Autor spricht vom Ehrenamt. Die Gründe dafür, seine Gaben und Talente in der Gemeinde einzubringen, sind ganz unterschiedlich. Hören wir einmal vier Beispiele:
Jan, 18 Jahre, sagt: „Ich will coole Leute treffen!“Für Anna, 31 Jahre, ist wichtig: „Ich will meine Zeit sinnvoll nutzen!“Sigrid, 76 Jahre: „Als Christin sehe ich es als meine Aufgabe an, anderen zu helfen!“Und Gerd, 53 Jahre, sagt: „Ich will die Gesellschaft durch meine Ideen mitgestalten.“
Alle vier haben gute Gründe, sich zu engagieren. Und sie haben etwas davon. Aber sie bringen eben auch etwas ein. Sei es nun die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und Mitgefühl zu zeigen, oder das Talent, Wissen oder Fähigkeiten an andere weiterzugeben, z.B. bei Nachhilfe oder Schulungen. Oder technisches oder handwerkliches Geschick, das bei Renovierungsprojekten oder Reparaturen nützlich ist. Viele bringen musikalisches oder künstlerisches Talent ein, das bei Konzerten oder in der Arbeit mit Kindern zum Einsatz kommt. Wieder andere haben Kenntnisse im Umgang mit Finanzen, Buchhaltung oder Verwaltungstätigkeiten und unterstützen so die Leitung der Gemeinde. So vielfältig, wie die Menschen in der Gemeinde sind, so vielfältig sind auch die Begabungen, die sie mitbringen.
Hierzu gehören die Gemeindeleitung, Besuchsdienste, die Redaktion des Gemeindeblattes, die Betreuung der Gruppen und Kreise, die Musik und die Mitgestaltung von Freizeiten und vieles mehr. Da ist „mancherlei“, so sagt unser Predigttext. Allem nahen Ende zum Trotz ist die christliche Gemeinde lebendig und aktiv. Damals und heute auch.
Das Gebet und der Einsatz für andere sind dann eben auch eine Antwort auf die Herausforderungen, die unsere Zeit aktuell mit sich bringt. So bieten Christen in unseren Gemeinden aktuell immer noch Geflüchteten aus der Ukraine eine Perspektive: sie engagieren sich, indem sie Wohnraum anbieten, Essen, Gespräche, Gebet, Deutschunterricht und vieles mehr. Und unsere Frau aus dem Kirchcafé mit ihren Sorgen um eine gute Zukunft?
Trotzdem – sagt unser Predigttext. Die Sorgen sind da und sie bleiben echte Sorgen. Trotzdem sind Liebe, das Gebet und der Einsatz für andere in der christlichen Gemeinde Dinge, die die Welt verändern.
„Kind, ich wünsche Dir, dass Du nie einen Krieg erleben musst“. Wir hoffen alle, dass sich dieser Wunsch erfüllt. Aber wir können als Christen auch noch einen anderen Wunsch hinzufügen: „Kind, ich wünsche Dir, dass du Liebe, das Gebet und den Einsatz anderer für dich erlebst“. Denn darin spürt man, dass Gott sich um diese Welt kümmert.