Überlebenslange Beziehung

Der Kraft der Taufe etwas zutrauen

Predigttext: Kolosser 2,12-15
Kirche / Ort: Christuskirche / Karlsruhe
Datum: 15.04.2012
Kirchenjahr: Quasimodogeniti (1. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Privatdozent Pfarrer Dr. Wolfgang Vögele

Predigttext: Kolosser 2,12-15 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

Vorbemerkungen

Die begeisterten Worte des Kolosserbrief lohnen das Nachdenken darüber. Für den Einstieg habe ich das Beispiel des Fußballfans gewählt, weil es mir darum ging, die Begeisterung von Menschen für einen Verein oder für eine andere Sache aufzunehmen. Ein zentraler Teil der Predigt ist der Taufe gewidmet, da es sich bei dem Predigttext dieses Sonntags um einen der wichtigsten Texte der Tauftheologie des Kolosserbriefs handelt. Sofern die Konfirmation nicht schon vor Ostern stattgefunden hat, liegen hier nochmals Anknüpfungspunkte, auch den Konfirmanden etwas über die Bedeutung der Taufe und der Konfirmation zu sagen. Die Verknüpfung zwischen Getauften und Christus erscheint mir als das zentrale Band, dem es predigend und meditierend nachzugehen gilt.

 

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Noch sieben Stunden bis zum Spiel. Den Fußballfan ergreift schon jetzt eine Mischung aus Unruhe und Vorfreude. Ist das Trikot gewaschen, der Schal bereitgelegt? Wo liegt das Hemd, das der Fan immer zu den Spielen anzieht? Denn er denkt, das verwaschene, zerfledderte Hemd sei ein Glücksbringer, der seine Mannschaft gewinnen lässt. Der Fan zieht sich an, kostümiert sich mit seiner Fußballuniform. Seine Freunde im Stadion sind genau wie er Anhänger seines Clubs, der heute die Meisterschaft gewinnen könnte. Alle haben ihre Fahnen in den Vereinsfarben mitgebracht.  Sie feuern die Blau-Weißen an. Sie bejubeln jedes ihrer Tore. Wenn sie verlieren, wehen ihre Fahnen nicht mehr. Fußballfans leben mit ihrem Verein. Fußball ist selbst halbwegs zu einer Religion geworden. Mir kommt es auf die Begeisterung an und auf das kleine Wörtchen „Mit“.

“Mit”

Das kleine Wörtchen „Mit“ ist für die Taufe wichtig, für die Gemeinde wichtig und für diese Predigt wichtig. Ich spüre manchmal eine große Sehnsucht nach einer geistlichen Kraft jenseits aller Streitereien innerhalb und außerhalb der Gemeinde. In der Regel werden solche Streitereien im kleinen Karo ausgetragen. Ich spüre die Sehnsucht nach der Kraft des Heiligen Geistes. Wenn diese Geisteskraft im Menschen ankommt, weckt sie einhellige Begeisterung, ein wenig vergleichbar der Begeisterung von Fußballfans, trotz aller Unterschiede zwischen Glaube und Sport, zwischen Torjubel und Jubilieren zur Ehre Gottes. Aus dem Predigttext, aus dem ganzen Kolosserbrief heraus, ist diese Begeisterung für den Glauben zu spüren, aus jedem Wort und genauso zwischen den Zeilen. Diese Begeisterung, dieser Enthusiasmus für den Glauben, entsteht aus einem kleinen Verbindungs- und Verknüpfungswort, aus dem „Mit“. Für den Kolosserbrief gilt: Christen leben mit und für Christus. Aus dem Brief wird deutlich: Es gibt eine „Mit“-Verbindung, die alle anderen „Mit“- Verbindungen in Familie und Gesellschaft überbietet und übertrumpft. Das ist die Verbindung mit Christus. Christen leben mit Christus. Nun stellen sich drei Fragen: Woraus entsteht diese christliche „Mit“-Verbindung? –  Was ist ihr Fundament und ihr Grund? – Welche Folgerungen ergeben sich aus dieser Verknüpfung?

Anfang

Den Anfang macht die Taufe. Es ist die Taufe, welche die unauflösbare Verknüpfung zwischen Christus und den Christen herstellt. Viele Christen sehen in der Taufe nur ein Aufnahmeritual, das eben die Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Gemeinde ist. Viele denken so trotz Konfirmandenunterricht und Konfirmation, etwa: Dass ich als Baby getauft wurde, das habe ich gar nicht gemerkt, und weil ich es nicht bemerkt habe, bedeutet es mir auch nichts. Der Autor des Kolosserbriefs denkt da anders. Richtig ist, dass er vermutlich die Praxis der Taufe kleiner Kinder nicht kannte. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass er sich gegen die Kindertaufe gewandt hätte. Er hätte diese Zustimmung mit der Bedingung verknüpft: Denkt nicht zu klein von der Taufe. Sie ist vieles zugleich: Das getaufte Kind wird von der Sünde gereinigt. Alles, was Gott widerspricht, wird abgewaschen. Es wird in die Gemeinde aufgenommen. Es wird gesegnet. Vor allem aber stellt die Taufe einen Anfang dar. Dieser Anfang findet ein Glaubensleben lang zu keinem Ende.

Wer getauft wird, beginnt ein Leben im Horizont der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes. Wer getauft wird, der stellt eine Verbindung zu Gott her. Selbstverständlich sagen: Jedes neu geborene Kind ist ein Geschöpf Gottes. Aber wer sich taufen lässt, stellt nicht nur eine Verbindung zu Gott dem Schöpfer, sondern auch zu Gott dem Erlöser her. Wer sich taufen lässt, macht einen Anfang mit Gott. Wer sich taufen lässt, kann von sich sagen: Gott wird nicht aufhören, in meinem Leben immer wieder Neues mit mir anzufangen. Auch umgekehrt: Gerade weil ich getauft bin, kann auch ich stets neu auf Gott zugehen. Keine Krankheit, keine Katastrophe, kein Schuldigwerden, das den Getauften und Gott selbst daran hindern würde, die Beziehung oder Verknüpfung wieder neu anzufangen. Wer die Taufe nur als Ritual im Gottesdienst sieht, verfehlt ihren Sinn. Taufe ist der Beginn einer lebenslangen Beziehung mit Gott, nein  einer überlebenslangen Beziehung, denn sie reicht durch das Leben hindurch über Sterben und Tod hinaus bis in die Ewigkeit des Reiches Gottes.

Verbindung

Das neue Leben, das mit der Taufe beginnt, ist nicht einfach nur ein Leben im Schutze des Segens Gottes. Das kann man glauben, aber im Grunde denkt man so noch zu klein von Gott. Die Taufe stellt vielmehr eine „Mit“- Verbindung zu Christus her. Hier gewinnt das kleine, unscheinbare Wörtchen „Mit“ seine große, enthusiastische Glaubensbedeutung. Der Gott lobende Autor des Kolosserbriefs sagt es so: Die Christen sind mit Christus begraben worden. Sie sind mit ihm auferweckt worden von den Toten. Sie sind mit ihm lebendig gemacht worden. Wer sich taufen lässt, macht einen Schritt von sich selbst weg und einen Schritt auf Jesus Christus zu. Heute ist der erste Sonntag nach der Passionszeit, dem Karfreitag und dem Osterfest. Wir haben über Jesu Leiden und Sterben nachgedacht und über die Auferstehung gejubelt: Er ist wahrhaftig auferstanden. Dieser Sonntag nach Ostern heißt Quasimodogeniti. Das ist das lateinische Wort für den Anfang einer Stelle aus 1 Petr 2,2: „… und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil (…).“

Auf Passion, Karfreitag und Ostern folgt die Rede über die Neugeborenen, und das meint hier die Getauften, die immer wieder einen neuen Anfang im Glauben wagen. Die Geschichte des Leidens, des Sterbens und der Auferweckung Christi macht aus den Getauften und Glaubenden neue Menschen. Christen meinen nicht, nur aus sich selbst und für sich selbst leben zu können. Mit christlichem Glauben ist aber auch etwas anderes gemeint als das geistliche Zusammenleben in einer Gemeinde. Wer sich taufen läßt, der wird vielmehr hineingezogen in die Geschichte Gottes des Vaters mit seinem Sohn Jesus von Nazareth. Wer getauft ist, lebt in der Perspektive zukünftigen Heils, in der Perspektive der Auferstehung. Es wird nichts anderes passieren als das, was bereits Jesus Christus geschehen ist. Der Osterjubel gilt nicht nur dem einen Auferstandenen, er gilt auch allen Getauften, die noch auferstehen werden.

Energie

Der Kolosserbrief geht noch einen wichtigen Schritt weiter. Taufe ist nicht nur lebenslanger Neuanfang und Jubel über die kommende Auferstehung, sie ist auch gegenwärtige Kraft, Energie des heiligen Geistes. Der im Glauben begeisterte Autor des Kolosserbriefs denkt immer innerhalb dieser Verknüpfung von Christus und den Getauften. Beides geht ineinander über. Jeder, der getauft ist, kann dieser Kraft etwas zutrauen, auch wenn die Wirklichkeit davon bestimmt ist, dass ganz unterschiedliche Kräfte darin wirken, heilige und unheilige. Wir sehen vieles im Moment nur im Trüben, wie durch einen Spiegel, wie der Apostel Paulus an einer berühmten Stelle im 1. Korintherbrief gesagt hat. Aber manchmal gelingt das eben auch, das öffentliche zur Schau Stellen von Mächten und Gewalten, von dem der Autor des Kolosserbriefs so begeistert spricht. Natürlich würden wir das heute anders ausdrücken. Aber manchmal siegt die fromme Frechheit, und die Gemeinde wächst, wo niemand das erwartet hätte.Ich sehe die Kraft und die Energie des Heiligen Geistes dort am Werk, wo plötzlich die Begeisterung für Gottesdienste wieder wächst, wo Menschen sich für die Geschichten der Bibel interessieren, wo sie anfangen, theologisch über ihren Glauben nachzudenken. Taufe ist nicht nur einmaliges Ritual, sondern eine Kraft des Glaubens, die ein Leben lang wirkt.

 

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Ein Kommentar zu “Überlebenslange Beziehung

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Sehr originell baut Dr. Wolfgang Vögele aus dem dreifachen “mit ihm”, das heißt “mit Jesus Christus”, des Predigttextes seine Predigt auf. Im Zentrum steht, dass Christen “mit” und “für Christus” leben. Das ist die Grundlage aller Begeisterung für den Glauben. Einleitend einnert der Prediger an die quasi-religiöse Begeisterung auf dem Fußballplatz. Dann aber spricht er erstens darüber , dass mit der Taufe unsere Beziehung zu Gott beginnt. Ganz begeisternd wird Gott immer wieder Neues mit mir anfangen. Der Getaufte wird begeisternd verbunden mit dem zu Gott auferstandenen Christus. Er macht uns zu neuen Menschen. Der Getaufte erfährt auch begeisternd die gegenwärtige Kraft, Energie des Heiligen Geistes. Mit ihm siegt manchmal “die
    fromme Frechheit”, welche Begeisterung für Gottesdienst, Bibel und
    theologische Fragen wachsen lässt. Eine schwungvolle Predigt zum
    Taufsonntag Quasimodegeniti.

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