Predigt

„… um Gott aus dem Himmel zu holen“

Ein Gott der Befreiung - es gibt keinen, der so wohl tut denen, die auf ihn hoffen

PredigttextJesaja 63, 15-64,3
Kirche / Ort:Trinitatiskirche / Karlsruhe-Durlach
Datum:05.12.2021
Kirchenjahr:2. Sonntag im Advent
Autor:Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Predigttext: Jesaja 63, 15-64,3 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich. 16Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, Herr, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name. 17Warum lässt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind! Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersachen haben dein Heiligtum zertreten. Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde. wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, 2wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen! 3Von alters her hat man es nicht vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.

Gedanken zur Einführung

Ein Kollege, der mehrere Iraner auf ihrem Weg zur Taufe begleitet hat, erzählte von einem der Taufbewerber, dass er als Grund für seinen Glaubensweg die biblische Hiobsgestalt angab. Dass Gott mit sich reden lässt, selbst im Schmerz und der Bitterkeit, selbst im Vorwurf und in Verzweiflung, das schien ihm so ungeheuer neu und anziehend, dass er dem nachgehen wollte.

Eine ähnliche Gestalt finden wir in dem namenlosen Propheten und Beter des Klagepsalms in Jesaja 63/64. Alles kreist um die doppelte Erfahrung von erfahrener Nähe und erlebter Distanz, von historischer Verbundenheit und empfundener Einsamkeit derer, die sich von Gott verlassenen erleben. Es tut gut, dass im Vorfeld allzu vollmundiger Weihnachtsbotschaft (Erlöser! Frieden! Heiland der Welt!) auch Ratlosigkeit ihren Platz behalten darf. Sollte nicht Gott selbst Schmerz und Trauer empfinden über die Entfremdung zwischen ihm und den Seinen, soviel, dass er den Himmel zerreißen könnte in einer gewaltigen, kosmischen Trauergebärde, um zu erscheinen in seiner Theophanie, um gerade so sich zu zeigen und zu offenbaren?! Der Prophet und Psalmbeter weiß, was er riskiert mit der Bitte um Theophanie und geht das Risiko gerne und bewusst ein um der Gottesnähe willen.

Von Vergeltung, wie es in der Einleitung des Perikopenbuch zum Sonntag und den Jesajatexten zugeschrieben wird (gezielt ist vermutlich Jes 35,4) ist nichts zu sehen! Stattdessen vielmehr alle Bereitschaft zur Umkehr, in die der Prophet stellvertretend für sein Volk und als Fürbitter in der Nachfolge eines Abraham und Mose eintritt.

Und: mit dem Wochenspruch sollen biblisch ja nicht zuerst „die Christen … sich nicht ängstlich ducken“, wie das Perikopenbuch suggeriert – Jesus richtet das Wort von der nahenden Erlösung den Menschen im Tempel Jerusalems, seinen jüdischen Glaubensgenossen, Gottes Volk, Israel. Am letzten Tag von Chanukka können wir unseren Gemeinden solches mit gutem Gewissen allenfalls weitergeben, wenn wir zugleich davon ausgehen, dass auch die jüdischen Gemeinden und Menschen in aller Welt erhobenen Hauptes in den Feiertag gehen können.

Lieder

Natürlich „O Heiland reiß die Himmel auf“ (EG 7), vielleicht findet ganz am Ende korrespondierend doch noch die Freude Platz, die „kein Aug… je gespürt, kein Ohr … mehr gehört“ hat.

Es steht ja auch fest: „Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt“ (11, 5).

„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld“ (16,4-5), stimmt Jochen Klepper dem kritischen Blick auf den Menschen zu.

Über die Distanz hinweg erhofft sich das Kommen Gottes EG 19: „O komm, o komm du Morgenstern …“

Neuigkeiten

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Heinz Janssen
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