Umzug
Ewigkeitssonntag - Gott wird unsere Sehnsucht stillen
Predigttext: Jesaja 65,17-19.23-26 (Übersetzung nach Martin Luther)
Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zur Wonne und sein Volk zur Freude,
und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk.
Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des Herrn, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der Herr.
Können Sie sich noch erinnern, wie oft Sie in Ihrem Leben umgezogen sind? “Ach Du liebe Zeit!“ – werden die einen sagen – „Ich bin in meinem Leben so oft umgezogen; das kann man gar nicht mehr zählen! Und nicht alle Umzüge waren freiwillig.“ Andere werden sagen: „Nie. Ich bin noch nie umgezogen. In meinem Elternhaus bin ich groß geworden. In meinem Elternhaus bin ich erwachsenen geworden. Und in meinem Elternhaus will ich alt werden und bleiben bis zum Schluss. Hoffentlich bleibt mir ein Umzug in ein Seniorenheim mal erspart.“
Die meisten von uns liegen irgendwo dazwischen. Umgezogen sind wir fast alle schon. Und einfach war es nie. Es braucht enorm viel Kraft, alles was wir haben, von hier nach dort zu bringen. Und manches geht dabei zu Bruch. Und wie viel Kraft braucht man schließlich jedes Mal, am neuen Ort heimisch zu werden, Menschen kennenzulernen, sich zuhause zu fühlen! Sie erinnern sich sicher alle. Und jetzt führe ich meine Frage weiter: Wo haben Sie am liebsten gewohnt? Wo war es am Schönsten?
Im Haus meiner Kindheit, werden viele sagen. Da war ich unbeschwert und glücklich. Ich brauchte mich um nichts kümmern, musste keine Verantwortung tragen – weder für’s Essen, noch für die Kleidung, noch um einen geregelten Tagesablauf. Meine Eltern haben sich um das alles gekümmert. Und ich fühlte mich geliebt und geborgen. Ja, das war mein schönstes Zuhause.
Andere denken eher an die Zeit ihrer jungen Liebe. Das Haus, das ich mit meinem Ehepartner gebaut, die Wohnung, die wir zusammen eingerichtet haben. Als die Kinder kamen eins nach dem anderen, und wir tatendurstig und gesund in jeden neuen Tag gestartet sind. Wir hatten das Leben noch vor uns und waren glücklich.
Das war meine Heimat. Dort war ich rundherum glücklich – oder bin es sogar noch. Ja, ich bin zuhause angekommen.
Reiner Kunze hat einmal die folgenden ausdrucksstarken Zeilen geprägt: Heimat ist für mich dort, wo ein Mensch ist, zu dem ich immer kommen kann, ohne gefragt zu werden, warum ich da bin.
Der mir einen Tee anbietet, weil er weiß, dass ich gerne Tee trinke.
Und wo ich bei dieser Tasse Tee schweigen darf. – Treffender kann man Heimat nicht beschreiben. Da ist einer da, der mich kennt. Der mich lieb hat. Der mich ein bisschen verwöhnt. Und bei dem ich so sein kann, wie ich bin. Der mir Frieden schenkt. Äußerlich und innerlich. So könnte man Heimat – Zuhause – beschreiben.
Nun sind wir heute hier, um an die Menschen zu denken, die im vergangenen Jahr aus unserer Gemeinde – aus Ihrer Familie und aus Ihrem Freundeskreis verstorben sind. Auch sie hatten ihre Heimat bei uns. Die einen durften – wenn sie Glück hatten – sie bis zum Übergang in den Tod in ihrem Zuhause im Kreis ihrer Lieben bleiben.
Andere sind ihren letzten Weg im Krankenhaus gegangen oder in einem unserer Pflegeheime der Arbeiterwohlfahrt oder des Roten Kreuzes. Wir sagen dann gewöhnlich – und auf uns selbst bezogen nicht ohne Furcht und Grauen: Der Weg in den Tod die letzte Reise. Die Intensivstation im Klinikum oder das Altenheim ist die letzte Station.
Sehen Sie, genau hier fängt christliche Hoffnung an. Unser letztes Zuhause hier auf der Erde wird nicht die letzte Station sein. Es stimmt eben nicht, dass danach nichts mehr kommt. Es kommt etwas Neues – etwas völlig anderes auf uns zu. Die Autoren in unserer Bibel haben dieses „Neue“, was da auf uns zukommen wird, beschrieben. Im Gleichnis von den Jungfrauen, das wir vorhin als Evangeliumslesung gehört haben, wird diese neue Zukunft mit einer Hochzeit verglichen, zu der nur die hineindürfen, die aufmerksam und wachsam geblieben sind.
Christus vergleicht – so schreibt es das Johannesevangelium – d s neue Leben mit einem Haus, in dem für uns alle, die wir glauben, ein Platz bereitsteht, an dem wir dann für immer zuhause sein dürfen.
Und der Prophet Jesaja beschreibt es mit dem Bild eines völlig neuen Himmel und einer von Grund auf neu geschaffenen Erde.
(Lesung des Predigttextes)
Jesaja beschreibt das „Neue“, das Gott uns verheißen wird als das schlechthin völlig Andere als das, was wir hier zu erleben gewohnt sind. Im neuen Himmel und auf der neuen Erde wird nirgendwo mehr Böses getan werden. Fressfeinde und deren Opfer – wie zum Beispiel Wolf und Lamm – werden einander friedlich zugetan sein.
Gefahren und Schuld werden entschärft und außer Kraft gesetzt – als Beispiel wird hier die Schlange genannt, als Inbegriff der Versuchung und des Bösen. Kein Einziger wird mehr weinen oder klagen oder Tränen vergießen; denn es wird dafür keinen Grund mehr geben. In diesem neuen Himmel und dieser neuen Erde wird es nur noch eines geben: die unbändige Freude – Jesaja verwendet das schöne Wort „Wonne“ dafür – darüber, Gott so nahe zu sein, dass er uns schon hört, bevor wir beten.
Ganz ehrlich? Solch einen Himmel und eine solche Erde – solche Zustände – können wir uns nicht vorstellen. Möglicherweise wird es auch ganz anders sein – auch Jesaja war ja nur ein Mensch. Und er hat aufgeschrieben, wie es ihm sein gläubiges Herz zu schreiben gesagt hat. Wie wird es denn wirklich sein? Können wir das überhaupt beantworten?
Darum, liebe Gemeinde, habe ich Sie vorhin danach gefragt: Wo waren Sie am liebsten zuhause? Wo waren oder sind Sie am glücklichsten? Wo war oder ist Ihre Heimat? Ihre eigene, ganz persönliche Antwort auf diese Frage, ist auch die Antwort auf die Frage: Wie wird Gottes neuer Himmel und neue Erde sein? Der Platz in der Heimat bei Gott wird sich genauso anfühlen wie die Heimat, die wir hier lieben. Nur noch schöner. (Ich sage Ihnen nachher in zwei Punkten, worin diese Steigerung besteht.)
Wir werden zuhause sein. Gott wird uns kennen – so gut kennen, dass er uns schon versteht, ohne dass wir es aussprechen müssen. Dort dürfen wir so sein, wie wir sind. Gottes Geschöpfe. Gottes Kinder, die er genauso gewollt und erschaffen hat, wie wir sind. Gott wird uns mit Liebe beschenken. So beschenken, wie wir es früher bei unseren Eltern erlebt haben: Liebe, die auch dann liebt, wenn wir Schuld auf uns geladen haben. Auf solch ein Zuhause gehen wir zu. Und in zwei Dingen wird dieses Zuhause das noch übertreffen, das wir als unsere schönste Heimat hier in unserem Leben in Erinnerung haben:
– Was uns belastet werden wir hier zurücklassen. Schmerz, Krankheit, Traurigkeiten, Schuld und verpasste Augenblicke, all das wird auf die Erde und in die Erde zurücksinken. Bei unserem letzten Umzug werden wir mit leichtem Gepäck reisen: nur unser Herz voller Sehnsucht werden wir mitnehmen. Wir werden es Gott hinstrecken und er wird es behutsam in seine Hände nehmen. Alles andere lassen wir zurück.
– Die Liebe, die Gott uns schenken wird, wird uns niemand jemals wieder wegnehmen können. Das ist ja gerade das Schmerzliche in unserem hiesigen Leben: Wenn wir lieben, haben wir immer auch Angst. Angst, diese Liebe zu verlieren. Und Angst um diejenigen, die wir lieben. Im neuen Himmel und auf der neuen Erde werden wir Liebe erfahren, die nicht mehr in Gefahr ist. Ewige Liebe heißt: unverlierbar, unzerstörbar, für alle Zeit.
Sehen Sie: Deshalb müssen wir heute auch gar nicht traurig sein, wenn wir die Namen derer nennen und hören, die von uns gegangen sind:
Sie alle, wenn sie in diesem Leben auf Gott vertraut haben, sind jetzt bereits in dieser neuen Welt, die Gott uns versprochen hat. In einer Welt ohne Lasten, ohne Altlasten, ohne Krankheit und Angst. Einer Welt voller Liebe und Geborgenheit, schöner als jedes Zuhause, das wir kennen. Und auch wir gehen auf dieses Zuhause zu. Ein Umzug mindestens steht uns noch bevor. Aber haben Sie keine Angst. Das Gepäck, mit dem wir reisen, ist leicht. Es ist unser Herz voller Liebe und Sehnsucht nach unserem Schöpfer. Und er wird unsere Sehnsucht stillen.
Keine Predigt habe ich bisher gehört oder gelesen, die so warmherzig, mitfühlend und liebevoll vom ewigen Leben bei Gott spricht wie diese Predigt von Pfarrerin Zager. Sie beginnt die Predigt mit der Erfahrung des Umzugs und der bisher liebsten Wohnung von uns. Das war wohl das Haus unserer Kindheit und der ersten Liebe. Dort hatten wir eine Heimat und ein glückliches Zuhaus. Reiner Kunze beschreibt sehr freundlich den Frieden in der Heimat. Am Ewigkeitssonntag denken wir an den letzten Umzug und den Weg in den Tod und an die neue Heimat. Das sagt die christliche Hoffnung nach Jesus. Und Jesaja spricht vom neuen Himmel und der neuen Erde. Das beschreibt er mit Bildern, besonders vom Wolf und daneben einem Lamm. Christen werden, wie die Pfarrerin schon am Anfang ausgeführt hatte, eine neue Heimat des Friedens haben. Wir werden Liebe und ein Zuhause haben. Gottes Liebe wird immer bleiben. Das ist der Trost, wenn wir an die Verstorbenen denken: sie leben schon in der neuen Welt und Schöpfung Gottes. Unser letzter Umzug steht noch bevor. Aber unser Herz ist voll Liebessehnsucht ,die Gott stillen wird. Wie gesagt, die liebevollste Predigt zum Tod. Ich habe sie so gern und begeistert gelesen. Allerdings stellt sich die Frage, ob sie für tief Trauernde jetzt zu intensiv ist.
Glaubensgewissheit kann manche/n sensible/n Trauernde/n verschrecken – da mögen Sie Recht haben.
Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Trauernde sich an (zugegebenermaßen etwas) steilen Aussagen über die Ewigkeitshoffnung eher festhalten können als an einem zu vorsichtigen “Vielleicht” christlicher Zukunftshoffnung.
Dieses “Vielleicht” bekommt man in diesen dunklen Tagen auf manchen Friedhöfen und Kanzeln zu hören – ich aber bin davon überzeugt, dass wir mehr Mut haben sollten, das “ganz gewiss” offener zu predigen.
Ich wünsche allen Predigenden an Ewigkeitssonntag Gottes Segen für ihren morgigen Verkündigungsdienst!