Predigt

Unerwartete Wende

Menschliche Existenz in Gottes segensreichem Handeln

PredigttextPredigttext: Johannes 6,1-15 (mit exegetischen und homiletischen Hinweisen)
Kirche / Ort:Magdeburg
Datum:31.07.2022
Kirchenjahr:7. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pastor Dr. habil. theol. Günter Scholz

Predigttext: Johannes 6,1-15 (nach Martin Luther, Revision 2017)

1 Danach ging Jesus weg ans andere Ufer des Galiläischen Meeres, das auch See von Tiberias heißt. 2 Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. 3 Jesus aber ging hinauf auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. 4 Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. 5 Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? 6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. 7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder auch nur ein wenig bekomme. 8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele? 10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. 11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. 12 Als sie aber satt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. 13 Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren. 14 Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. 15 Da Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er allein.

Exegetische Bemerkungen

Johannes erzählt das Brotwunder in typischer Abweichung von der synoptischen Darstellung. Steht bei dieser das Wort Jesu „Gebt ihr ihnen zu essen“ als Überraschungseffekt im Zentrum, so bei Johannes das Mysterium, eingeläutet schon durch das Erscheinen eines „göttlichen Kindes“. Geht es in der synoptischen Fassung darum, dass die Jünger aufgefordert werden, das Werk Jesu fortzusetzen (vgl. Mk 6,7-13 / Lk 9,1-6), und zwar sozial, eucharistisch und kerygmatisch, so bei Johannes um das Geheimnis des Wundertäters, der, da er göttlicher Natur ist (übernatürliches Wissen und Können), mit menschlichen Kategorien nicht erfasst werden kann (6,14.15). Da die Wundertaten bei Johannes zugleich ausdrücklich „Zeichen“-Charakter haben (hier z.B. 6,2), weisen sie über sich selbst hinaus auf den Grund menschlicher Existenz in Gottes segensreichem Handeln.

Homiletische Bemerkungen

In Erkenntnis der Brotmetaphorik dieser Geschichte legt sich mir die Frage nahe: Wovon lebt der Mensch? Darauf, meine ich, will die Wundergeschichte antworten. Um die Antwort zu Gehör zu bringen, glaube ich, zunächst selbst nach einer Formulierung suchen zu müssen, die sowohl dem heutigen Menschen als auch der Intention der Geschichte adäquat ist. Christliche Existenz versteht sich als Gehalten-Sein, Geführt-Werden, Getragen-Werden, kurz: als Leben im Vertrauen. Eine Wundergeschichte betont darüber hinaus eine unerwartete Wende. Wovon also lebt der Mensch? Außer vom Brot aus dem Vertrauen – hier: aus dem Vertrauen auf eine unerwartete Wende. Dass diese in und mit Jesus jederzeit gegeben ist, darauf möchte ich hinaus.

Die Predigt könnte auch in eine andere Richtung gehen: Wir leben aus der Mahlgemeinschaft mit Jesus Christus, in der er selbst Geber und Gabe ist (Jh 6,35). Obwohl Johannes offensichtlich nicht das letzte Mahl als Vermächtnis darstellt, sondern stattdessen die Fußwaschung, sind kultisch-liturgische Anklänge in dieser Geschichte vorhanden (nahm, dankte, gab, desgleichen auch) (vgl. auch Jh 21,13). So könnte die Predigt in eine Doxologie der Mahlgemeinschaft münden mit anschließendem Vollzug derselben. So erreiche ich freilich nur den Binnenraum der Gemeinde.

Will ich auch die „Zaungäste“ ansprechen, sollte ich mich nicht zu sehr auf das Abendmahl konzentrieren. Wer es dennoch tun will, sollte authentische Erfahrungen beibringen. Verwiesen sei auf einen Gemeindebriefartikel der Kirchengemeinden Jork und Borstel (Glockenschlag 44/2022 Nr. 2) von Pastor Paul Henke: „Abendmahl – Das Mahl der Hoffnung und Freude“ (https://www.kirche-borstel.de/damfiles/default/kg_borstel/Gemeindeleben/09-Glockenschlag/Web-Glockenschlag/GL_2022_02_06_DRUCK_WEB.pdf-70c6c3f40a10638569f6288773fbb818.pdf) (Zugriff: 20.06.2022)

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Heinz Janssen
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