Predigt

Unter dem schützenden Arm des Gekreuzigten

Nicht jedes Leiden, jeder Spott und jeder Schicksalsschlag ist eine Strafe Gottes

PredigttextPredigttext: Lukas 23,33-49 - mit Exegese
Kirche / Ort:Ev. Friedrichsgemeinde / 67547 Worms
Datum:14.04.2017
Kirchenjahr:Karfreitag
Autor:Pfarrerin Dorothea Zager

Predigttext: Lk 23,33-49 (Übersetzung nach Martin Luther) 33 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. 34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. 35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig 37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! 38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. 39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! 40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. 44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, 45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. 46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen! 48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.

Exegetisches zu den Worten Jesu am Kreuz nach Lukas - Das Lukasevangelium als frohe Botschaft für die Verlassenen und Verlorenen

(nach: Werner Zager, Die vierfache Botschaft, in: Sonntagsblatt-THEMA Ausgabe 2/2008, Geheimnis der Evangelien, S. 16-21; Gerhard Barth, Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, Neukirchen-Vlyn 1992, S. 131-138)

Während die Evangelien Markus, Matthäus und Johannes in sich abgeschlossene Einzelschriften sind, handelt es sich beim Lukas-Evangelium um den ersten Teil eines Doppelwerks, in dem die Apostelgeschichte die Fortsetzung des Evangeliums bildet. Bereits in den einleitenden Worten seines Evangeliums (1,1-4) gibt sich Lukas als Historiker zu verstehen. Dazu passt, dass er die Geschichte Jesu durch Querverweise auf die allgemeine Geschichte (1,5; 2,1 f.; 3,1 f.) historisch verortet. Die im Evangelium erzählte Geschichte ist Teil der Heilsgeschichte Gottes, die mit der Erwählung Israels begann und dann in der Zeit der Kirche weitergeht.

Im Lukas-Evangelium verbindet Jesus seine Sendung mit der Umkehr der Verlorenen: „Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten“ (Lk 5,32; vgl. 19,10). Daher stehen im Mittelpunkt des Evangeliums die drei Gleichnisse vom Verlorenen: vom verlorenen Schaf, verlorenen Groschen und verlorenen Sohn (Kap. 15). Dabei soll die Freude im Himmel über die Umkehr eines Sünders zur Mitfreude auf Erden führen.Während den Reichen das Gericht angedroht wird (6,24-26; 12,16-21; 16,19-31), gilt den Armen, Hungernden und Weinenden Jesu bedingungslose Seligpreisung (6,20 f.). Dies entspricht Jesu „Antrittspredigt“ in Nazareth (4,14-22), wo er die Erfüllung der Weissagung Jes 61,1 f. proklamiert: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen das Evangelium zu verkündigen. Er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit und Blinden das Augenlicht zu verkündigen, Geknechtete in die Freiheit zu entlassen, zu verkünden ein Gnadenjahr des Herrn.“ (Werner Zager)

Auf den Tod Jesu wird zwar in den Missionsreden des Paulus in der Apostelgeschichte Bezug genommen, auch ist die Passionsgeschichte im Lukasevangelium weiter ausgestaltet als im Markusevangelium – aber im Unterschied zu diesem bestimmt der Tod Jesu die Verkündigung des Lukas nicht in soteriologischem Sinne (Gerhard Barth). Es fällt auf, dass bei Lukas der Tod Jesu ohne Erwähnung der Heilsbedeutung seines Todes als Sühne, Stellvertretung, Loskauf usw. dargestellt wird. Lediglich in den Abendmahlsworten (Lk 22,15-20) und in der Abschiedsrede des Paulus (Apg 20,28) findet der Sühnegedanke Erwähnung. Der Begriff der Sühne durch den Tod Christi tritt im Denken des Lukas in den Hintergrund (François Bovon). Die Bedeutung des Todes Jesu wird durch Lk 24,26 stark eingeschränkt: Es ist nur ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur Herrlichkeit (Gerhard Barth).

„Wenn der Tod Jesu auch nicht in seiner soteriologischen Relevanz aufgezeigt wird, so heißt das nicht, dass die Passion Jesu unwichtig würde. Nicht nur ist sie nach Lk 24,26 der notwendige Durchgang zur Herrlichkeit, ihre Darstellung erfährt auch eine besondere Ausgestaltung, und zwar als ein vorbildliches Geschehen.“ (Gerhard Barth) Lukas schildert in seiner Passionsgeschichte den Vorbildcharakter des leidenden Frommen und Gerechten: die Fürbitte für seine Henker, die Zuwendung zu denen, die mit ihm gekreuzigt werden, und das vertrauensvolle Sich-Ausliefern in die Hände Gottes.

Das Besondere der Jesusworte am Kreuz im Lukasevangelium

Wenn man in der kirchlichen Tradition die in den Kreuzigungsberichten enthaltenen Worte Jesu am Kreuz auch gerne miteinander zur Siebenzahl vereinigt hat, muss man wissen, dass mit den einzelnen Worten sehr unterschiedliche Deutungen des Passionsgeschehens verknüpft sind. Im markinischen Kreuzigungsbericht heißt es im Anschluss an die in der sechsten Stunde (d.h. um 12 Uhr) eingetretene Verfinsterung der ganzen Erde: „Und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lema sabachthani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34) Dabei handelt es sich um den Beginn des 22. Psalms, wiedergegeben in Aramäisch. Es ist der Schrei des völlig, selbst von Gott verlassenen leidenden Gerechten.

Matthäus hat mit kleineren sprachlichen Veränderungen seine Markusvorlage übernommen (Mt 27,46). Sowohl bei Markus als auch bei Matthäus folgt dann noch ein wortloser lauter Schrei Jesu unmittelbar vor dessen Tod. Anders dagegen ist Lukas verfahren. Er hat den Verlassenheitsruf Jesu, der ihm bedenklich erschienen ist, ersetzt durch ein Sterbegebet, das an Psalm 31,6 angelehnt ist: „Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ (Lk 23,46) Darüber hinaus hat Lukas dem Gekreuzigten zuvor noch zwei weitere Worte in den Mund gelegt: zum einen im Anschluss an die Kreuzigungsnotiz das Gebet für die Henker: „Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34a);

zum anderen Jesu Antwort an den einen Mitgekreuzigten: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,43) Mit diesem Wort an den Schächer wird die zeitliche Naherwartung von Reich Gottes und Wiederkunft Christi, die durch die erfahrene Verzögerung problematisch geworden ist, von Lukas in eine himmlische Heilshoffnung überführt.

Bei einer Predigt über die Kreuzigungsgeschichte nach Lukas möchte ich darauf achten, dass das genuin Lukanische in dieser Schilderung zum Ausdruck kommt. Daher lege ich der Predigt auch das Bild von Roland Peter Litzenburger „Schutzmantelchristus“ von 1971 zugrunde. Die Gottesdienstteilnehmenden haben ein solches Bild in den Händen, das ich während der Predigt meditiere.

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