Predigt

„Vertragt Euch!“ – Einheit in Vielfalt

„Der Gott der Liebe und des Friedens“ - Grundsätzliches über christliche Streitkultur

Predigttext 2. Korinther 13,11-13 (mit exegetischen und homiletischen Anmerkungen)
Kirche / Ort:66989 Nünschweiler
Datum:16.06.2019
Kirchenjahr:Trinitatis (Dreieinigkeitsfest)
Autor:Pfarrerin Anke Andrea Rheinheimer

Predigttext: 2. Korinther 13,11-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

11 Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. 12 Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. 13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Exegetische und homiletische Anmerkungen

Im Hintergrund des Predigttextes mit seinen Mahnungen zur Einheit, Versöhnlichkeit und zum Frieden stehen die massiven Konflikte innerhalb der korinthischen Gemeinde und mit Paulus, ihrem Gründervater. Beide Konfliktlagen bedingen einander und werden von Paulus in aller Schärfe und Polemik, zugleich mit Ironie und Selbstbescheidung bearbeitet. Die Gründe der innergemeindlichen Auseinandersetzungen sind vielfältig und liegen in der gemeindlichen Disparität und Divergenz. Angesichts von deren Zusammensetzung sind sie fast zwangsläufig: Zum einen bergen die sozialen Gegensätze zwischen Gemeindegliedern aus der reichen Oberschicht und solchen aus den niedrigen Ständen der Ex-Sklaven und aus dem Tagelöhner-, Arbeiter- und Handwerkermilieu Konfliktpotential, das u.a. beim Herrnmahl zutage tritt, wo die Reichen keine Rücksicht auf die arbeitenden Armen nehmen und nicht auf sie warten.

Die Gemeinde ist außerdem ein Spiegelbild der bunt zusammengesetzten örtlichen Bevölkerung in dieser multiethnischen, multikulturellen und multireligiösen quirligen Hafen-, Industrie- und prosperierenden Handelsstadt. Nach ihrer Zerstörung war sie von Julius Cäsar neu gegründet worden, der dort römische Kriegsveteranen und andere Bevölkerungsgruppen angesiedelt hatte. Bunt war das Treiben und teilweise lasterhaft: „Im Schwange waren Genußsucht und Prostitution und überhaupt galt damals ein ausschweifendes und lasterhaftes Leben als typisch korinthisch.“ (Hahn, S. 88).

In der Gemeinde trafen Judenchristen zusammen mit Heidenchristen, viele von ihnen Proselyten, Gottesfürchtige, die sich zuvor schon an die örtliche jüdische Synagogengemeinde annähert hatten. Religiös und soziologisch gesehen verwundert es also nicht, dass die Glaubens- wie die Moralvorstellungen innerhalb der christlichen Gemeinde weit auseinandergingen und zu persönlichen Streitigkeiten und Verhaltensunsicherheit führten, bis hin zu moralischem Fehlverhalten einzelner Gemeindeglieder, sogar einem gravierenden Fall von Unzucht.

Paulus sah sich angesichts dieser Spannungen genötigt einzuschreiten. Erschwerend kam dazu, dass er selbst in Korinth persönlich von einem Gemeindeglied angegriffen worden war und dort aufgetretene, wandernde Missionare, ruhmessüchtige „Super-Apostel“ und Irrlehrer gegen ihn polemisiert und seine apostolische Autorität und persönliche Integrität in Frage gestellt hatten. Versöhnungsversuche durch seinen Mitarbeiter Titus waren leider nur bedingt erfolgreich. So spiegelt sich in seinem sog. „Tränenbrief“ (2. Kor 10-13), dem weiteren Kontext unseres Predigttextes, der Kampf von Paulus gegen seine Gegner in Korinth und sein Ringen um seine Gemeinde, gegenüber der er sogar auf Unterhalt verzichtet hatte, um seine Lauterkeit und Uneigennützigkeit unter Beweis zu stellen.

Trotz persönlicher Kränkung und Ehrverletzung, Trübsal und Verärgerung (7,8) versucht Paulus bei aller Schärfe seiner Kritik an den Korinthern stets, die Verbindung zur Gemeinde zu halten. Er wirbt um sie, weil er seine und ihre christliche Existenz doxologisch hingeordnet sieht auf Gott, der ein „Gott der Liebe und des Friedens“ ist (13,13). In dieser trinitarischen Benediktion („A full triadic benediction found nowhere else in Paul’s letters“, The Jewish annotated New Testament, S. 331) mündet unser Predigttext, der mit Grüßen und Segenswünschen den Tränenbrief und das Gesamtkompositum des 2. Korintherbriefs beschließt, das aus mehreren, einst getrennten Briefen redaktionell zusammengesetzt wurde.

Die vorgelegte Predigt nimmt die Thematik des 2. Korintherbriefs von Konflikt und der Suche nach Ausgleich im Widerstreit der Vielfalt von Meinungen homiletisch auf und wagt den Transfer vom urchristlichen Gemeindekontext auf andere spannungsreiche alltägliche Gemeinschaftssituationen.

Literatur: Hahn, Horst, Aus Jerusalem für alle Welt. Eine Einführung in das Neue Testament, Speyer 2017 - Klauck, Hans-Josef, 1.Korintherbrief/2. Korintherbrief, Leipzig 1990 (Lizenzausgabe) - The Jewish annotated New Testament. New Revised Standard Version, hg. von Amy-Jill Levine und Marc Zvi Brettler, New York 2011.

Lieder: Eingangslied: EG 139,1-3 „Gelobet sei der Herr“ (Wochenlied) Lied vor der Predigt: EG 251,1.5-7 „Herz und Herz vereint zusammen“ Lied nach der Predigt: EG 240,1-3 „Du hast uns, Herr, in dir verbunden“ Schlusslied: EG 140,1-5 „Brunn alles Heils, dich ehren wir“ (Wochenlied)

Psalm 113=EG 766 / EG.E 95 Schriftlesung: Römer 11,32-36

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

Herzlich willkommen!

Neuauftritt Heidelberger Predigt-Forum mehr lesen

Alle Neuigkeiten lesen

Spenden

Die Nutzung des Heidelberger Predigt-Forums ist kostenlos. Das Redaktionsteam arbeitet ehrenamtlich. Kosten entstehen für Hosting sowie professionelle Websitepflege. Durch Ihren Obolus helfen Sie uns bei der Finanzierung.

Überweisung jetzt per paypal und flattr möglich.
Vielen Dank.
Heinz Janssen
Heidelberger Predigt-Forum