Vertrauen
Wider das Übermaß an Misstrauen
Predigttext | Hebräer 10,32-39 - Zum Tag des Erzmärtyrers Stephanus |
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Kirche / Ort: | Lübeck |
Datum: | 26.12.2019 |
Kirchenjahr: | Christfest (2) |
Autor: | Pastor i.R. Heinz Rußmann |
Predigttext: Hebräer 10,(32)35-39 (Überstzung nach Martin Luther)
35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. (37 Denn »nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben. 38 Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm«.) 39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.
Vormerkung
Da ich kurzfristig jetzt fürs Predigtforum eingesprungen bin, eigne ich mir aus der mit Abstand besten mir bekannten Predigt zum Text von Prof. Gerd Theißen (in: Lebenszeichen, S. 181 ff ) die Gliederung an und die Geschichte vom Torhüter (nach U. Tworuschka: Himmel ist überall). Ich hoffe, dass meine Aneignung und Ergänzung seiner Predigt einigermaßen echt und stimmig überzeugen kann.
Exegetische Informationen zum Predigttext
Der Verfasser des Predigttextes ist unbekannt. Wahrscheinlich hat ein prominenter und verfolgter Christ eine Predigt in Briefform-Anklängen an seine Heimatgemeinde geschickt. Trotz der vielen Zitate aus dem Alten Testament ist der Brief an eine verfolgte heidenchristliche Gemeinde gerichtet.
Wahrscheinlich ist der Brief um 90 n.Chr. zur Zeit der Verfolgung des Domitian verfasst. Er ermahnt und tröstet. Gegen beginnende Resignation setzt er das Vertrauen. Er ermahnt die Christen auf das Wort Gottes zu hören, am Bekenntnis festzuhalten, im rechten Glauben zu wandeln. Im Mittelpunkt stehen Jesus als Hohepriester zur Rechten Gottes und seine Wiederkunft. Er ist Anfänger und Vollender des Glaubens. Er ist uns nach dem Kreuz vorausgegangen in die Vollendung und schon am Ziel.
Keine Krise ist deswegen so schwer, dass wir das Vertrauen verlieren müssen. Die große Perspektive und Vision trösten die Christen im Hebräerbrief ähnlich wie der erhöhte Christus bei Paulus, Johannes und in der Offenbarung des Johannes! Der moderne Begriff vom kosmischen Christus taucht dem Sinn nach schon im Hebräerbrief auf! Der zentrale griechische Begriff parraesia schillert in den Übersetzungen z.B. zwischen: Vertrauen, Zuversicht, Glaubensmut, Mut, Freimut, freudige Zuversicht, Höpen und Vertruen, confidence, assurance, confianzia.
Homiletisches Hauptthema für die Predigt ist die Ermahnung und die Verheißung zu vertrauen, weil das zum guten Ziel führt. Für uns Christen in verschiedenen Anfechtungen und Zweifeln, mit vielfachen persönlichen und globalen Katastrophen-Ängsten ist diese Botschaft sehr aktuell: Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat! Der Psychologie-Professor Schulz von Thun macht sehr weise darauf aufmerksam: „Des Guten zuviel kann jede Tugend zu einer Störquelle des Miteinander werden lassen“. So ist Vertrauensseligkeit ohne Aufmerksamkeit sicher nicht ungefährlich. Heute steht aber sicher übertriebenes Misstrauen im Vordergrund! Ohne gesundes Vertrauen aber kann unser Leben nicht gelingen! Wer heute nur noch vorwiegend misstrauisch sein kann, ist arm dran.