Predigt

Vom alten zum neuen Jahr - Abgeben und neu anfangen

Wieviel Glück kommt zu mir, wieviel Glück kann ich schenken?

PredigttextHebräer 13,8-9b (mit Exegese und liturgischen Texten)
Kirche / Ort:Aachen
Datum:31.12.2019
Kirchenjahr:Altjahresabend
Autor:Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: Hebräer 13,7-8b (Übersetzung nach Martin Luther)

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.

Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.

Exegetisch-homiletische Überlegungen

Homiletisch ist es immer eine spannende Frage, welchen Text wir bei welcher Gelegenheit lesen und auslegen. Der Hebräerbrief – wir begeben uns sozusagen an sein Ende – ist natürlich kein Text für irgendeinen Jahreswechsel. Trotzdem haben Menschen hier jene Worte entdeckt, die bei allen Wandlungs- und Veränderungserfahrungen eine Deutungshohheit und Deutungsvollmacht quasi von Anfang an haben. Wir sind Teil einer Geschichte, die gehalten und getragen ist. Was gestern war, heute ist, morgen sein wird, ist in Jesus Christus „in Ewigkeit“. Alles? Jedes? Der bekenntnisartige Satz wirft große Fragen auf: Darf etwas vergehen? Muss vielleicht etwas vergehen? Und dann nie mehr wiederkommen? Ist alles, was heute ist, erhaltenswert? Überhaupt wünschenswert und gut? Was morgen kommt, hat heute überhaupt auf weite Strecken apokalyptischen Zuschnitte. Darf die Welt untergehen? Müssen wir sie retten? Welche Welt wollen wir überhaupt für unsere Kinder und Enkel (um nicht noch weiter hinauszuschauen)? Die Vorstellung „in Ewigkeit“ kann entsetzliche Bilder evozieren. Was gemeint ist, muss, darf in der Predigt eine Hoffnungs- und Bewahrungsgeschichte freisetzen. „In Ewigkeit“ ist ein Gottesprädikat und erzählt von seiner Treue.

Der zweite Teil des Predigttextes ist eine Ermahnung, nicht durch mancherlei und fremde Lehren umgetrieben zu werden bzw. sich umtreiben zu lassen. Was sind mancherlei und fremde Lehren? Sie historisch festzumachen und damit als etwas Vergangenes zu charakterisieren, bekommt der Predigt nicht. Von V. 8 beleuchtet, müssen wir über Lehren, Systeme, Denkansätze reden, die das Herz nicht festmachen, sondern umtreiben und in Unruhe versetzen. Nach Augustinus ist das Herz des Menschen unruhig, bis es Ruhe findet in Gott. Nach dem Hebräerbrief gibt es eine Gewissheit, das Fremde zu benennen und auszusondern. Evangelische Gemeinden am 31.12.2019 – irgendwo, aber nicht nur in der deutschsprachigen Welt - kennen aber nicht nur Pluralität, sondern auch die ständige Herausforderung, Fremdes zu integrieren oder gar zu amalgamieren. Sind wir mit dem Hebräerbrief überhaupt auf einem Weg, der in die Zukunft führt?

Wenn Predigttexte nur aus 2 Versen (und dann auch noch gestückelt) bestehen, ist besondere Vorsicht geboten. Es ist ein künstlicher Ausschnitt. Schauen wir uns den Kontext an, treffen wir in Hebr. 13,1-7 auf die Vorgeschichte der beiden Predigt-Verse: Brüderliche Liebe, Gastfreiheit (was mehr ist als Gastfreundschat), Anteilhabe am Leben der Gefangenen und Misshandelten, Treue in der Ehe, kritische Distanz zu „Geld“, Achtung und Ehrfurcht vor denen, die uns das Wort Gottes lehrten. Zwei Dinge fallen in dieser Reihung auf: Einerseits das Wissen darum, noch „im Leibe“ zu sein, also irdisch und noch nicht im Himmel, andererseits die Gewissheit, dass der Herr mein Helfer ist und mir kein Mensch etwas anhaben kann. Referenz ist Psalm 118,6. Wichtige christliche Eigenheiten tauchen hier auf, die auch die Welterfahrungen nicht nur ansprechen, sondern zeichenhaft transzendieren. Distanz zur Welt wird ebenso sichtbar wie die Veränderung der Welt. Beides bedingt einander.

Jetzt kann der Predigttext in seiner Verwurzelung wahrgenommen und neu verortet werden.

Ich werde im Gottesdienst auch einen Jahresrückblick mit Bildern zeigen. Einige Passagen in der Predigt spielen darauf an, sind aber so formuliert, dass sie auch ohne Bilder „gesehen“ werden können.

Sündenbekenntnis

Herr, dir vertrauen wir 365 Tage an. Viele von ihnen sind einfach verflogen. Viele liegen uns auf dem Magen. Herr, erbarme dich.

Christus, du vertraust uns 365 Tage neu an. Sie liegen wie ein weites Land vor uns. Wir werden uns wieder aneinander versündigen. Christus, erbarme dich.

Herr, die Sonne geht jeden Morgen neu auf. Deine Barmherzigkeit macht unser Leben hell. Dir befehlen wir unsere guten Vorsätze. Herr, erbarme dich.

Tagesgebet

Treuer Gott, das Jahr 2019 legen wir in deine Hand zurück, ein ganzes Jahrzehnt befehlen wir dir. Wir haben viel Liebe empfangen und manchen Streit ausgefochten, wir haben Porzellan zerschlagen und große Ideen vor uns hergetragen. Wir haben mit Menschen gespielt und sie mit unseren Erwartungen überfordert. Lass gut werden, was wir nicht übersehen. Dir danken wir für Phantasie, Lebensmut und Vertrauen. Wir danken dir auch für die Menschen, die uns ertragen haben, die mit uns feierten und manchmal auch einfach nur da waren. Begleite uns mit deiner Barmherzigkeit in das neue Jahr. Lass uns alle Herausforderungen menschlich und weise bestehen; hilf uns, miteinander gut zu leben. Um einen klaren Kopf bitten wir dich, um weite Herzen und um einen großen Glauben. Bei dir geht uns das Licht auf. In Christus, unserem Herrn.

Fürbitten

An dem alten Jahr können wir nichts mehr ändern oder bessern. Es wird uns so abgenommen wie wir es abzugeben haben.

Gott, dir befehlen wir die Menschen, die uns in diesem Jahr begegnet sind. Die, deren Namen wir kennen, deren Namen einen guten Klang für uns hat, aber auch die, für die wir keinen Namen haben, die in den Nachrichten vorbeizogen und in Katastrophen untergingen. Wir rufen zu dir: Schenke uns ein festes Herz! Dir befehlen wir die Menschen, die etwas zu sagen hatten. In den Parlamenten und Kabinetten, in den Medien, in den Gerichtssälen. Die Entscheidungen treffen mussten ohne zu wissen, was daraus wird. Wir rufen zu dir: Schenke uns ein festes Herz!

Das neue Jahr erwarten wir mit Spannung. Was es uns bringt oder nimmt, liegt in deiner guten Hand.

Gott, Dir befehlen wir die Menschen, bei denen alles nur besser werden kann. Mit einer neuen Arbeit,Neiner guten ärztlichen Auskunft, mit gewachsenem Selbstvertrauen und Mut. Die es kaum erwarten können, richtig anzufangen. Wir rufen zu dir: Schenke uns ein festes Herz!

Dir befehlen wir die Menschen, die einen schweren Weg vor sich haben. Die fertig werden müssen mit einer Diagnose über Leben oder Tod. Die ihre Arbeit verlieren. Die sich voneinander trennen. Die in einem Gerichtsverfahren ein Urteil erwarten. Wir rufen zu dir: Schenke uns ein festes Herz!

Du, Herr, hast unsere Geschichten, unsere Tage, unsere Aussichten in deinem Herzen geborgen. Vor allem Anfang, nach jedem Ende. Schenke uns gute Gedanken, lass Hoffnung wachsen, erwecke Vertrauen und Barmherzigkeit. Dann macht das neue Jahr uns reich. Auf dem Weg zu dir.

Gebet nach dem Abendmahl

Du, Gott, hast uns Jahr 2019 anvertraut. Wir danken dir, dass du uns dein Wort immer wieder gegeben und uns zu deinem Mahl immer wieder eingeladen hast. Wir haben deine Freundlichkeit erfahren, wir waren nie allein auf unseren Wegen, im Zweifel hast du uns deine Treue bewahrt. Wir bitten dich um deinen Segen für uns, für unsere Lieben, für alle Menschen. Das Jahr 2020 legst du in unsere Hände. Schenke uns jeden Tag die Kraft, liebevoll und verantwortlich mit einander umzugehen, Probleme zu meistern und ein herzliches Lachen für einander zu haben. Durch Jesus, der für uns deine Ewigkeit und Treue ist. Sein Glanz liegt über unserem Leben.

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Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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