“Von allen Seiten bedrängt …”
Viele Christen und Christinnen müssen auch heute wegen ihres Glaubens bitter leiden, viele sind auf dem Weg zu uns ...
Predigttext: 2.Korinther 4,6-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
6 Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.
9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.“
Zur Exegese des Predigttextes
Viele Male habe ich Paulustexte aus den Perikopen-Reihen gepredigt. Dabei habe ich es oft der Gemeinde zugemutet, mit mir den Gedanken-Gängen des Apostels in seinen Briefen an die jungen Gemeinden entlang zu gehen. Jeder, der sich heute dazu die Zeit nimmt und aufmerksam zu verstehen versucht, was Paulus geschrieben hat, wird daran in seiner Glaubenserkenntnis wachsen und in seinem Glauben reifen. Aber Predigten sollten in unserer Zeit näher an dem Erleben der Menschen heute dran sein. Predigten sollten geschöpft haben aus diesem besonderen biblischen Text, der für diesen Sonn- oder Feiertag vorgesehen ist. Sie sollten aber dann ihre eigene innere Logik haben und zugespitzt ihre Botschaft vermitteln. Dies versuche ich hier, wo ich deutlich mache, wie das mit dem „hellen Schein in unserem Herzen“ ist, der zu einem stillen Vergnügt-Sein führt.
In seinen frühen Aufsätzen äußert sich Otto Michel immer wieder zu 2. Kor 4:
„Hier kann Paulus noch reicher sprechen als Luther. Weil er nicht nur ein inneres, sondern auch ein äußeres Sterben durchmacht (2. Kor 4,7-18; Kol 1,24).“ O.M.: „Luthers ‚deus absconditus‘ und der Gottesgedanke des Paulus“ in: O.M., Dienst am Wort, Gesammelte Aufsätze, hg. v. K. Haacker, Neukirchen-Vluyn 1986, S. 11-15, S. 13,
Zu Johannes Busch, s. Johannes Busch. Ein Botschafter Jesu Christi – Sein Leben, erzählt von seinem Bruder Wilhelm Busch, Wuppertal, 28.-37. Tausend August 1957, S. 243-248
Zu Georg Neumark: Beate und Winrich Scheffbuch, Den Kummer sich von Herzen singen. So entstanden bekannte Lieder, Holzgerlingen 1998, 4. Auflage, S. 218-220. - Parallelen zu dem Vers 2 in dem Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ EG 369 von Georg Neumark, der anfängt: „Man halte nur ein wenig stille und sei doch in sich selbst vergnügt…“: EG 137,8: „Glaubensheiterkeit“, 386,1, 394,2; 450,5; 481,4
Der Wittener Pfarrer Johannes Busch leitete als Bundeswart den CVJM-Westbund von 1934 bis zu seinem Tode im Jahre 1956. Während dieser ganzen Zeit ist er auch Jugendpfarrer der westfälischen Landeskirche gewesen. Seine Leidenschaft war es, jungen Menschen das Evangelium zu verkündigen. So ist er am späten Abend des 28. Januar 1956 zusammen mit seinem jungen Fahrer unterwegs, um in Trier tags darauf auf einem Tag für junge Menschen zu predigen. Da fährt ihnen ein Mann mit seinem Mercedes auf der falschen Straßenseite entgegen und rast mit voller Wucht gegen den VW des Bundeswartes. Sein Fahrer ist sofort tot. Schwer verletzt wird Johannes Busch ins Krankenhaus gebracht. Man muss ihm das verletzte Bein abnehmen. Wochen lang bangt man um sein Leben. Kurz vor seinem Tod im April sagt er einem Besucher: „Die schrecklichen Schmerzen – das ist nur äußerlich. Innerlich bin ich ganz fröhlich.“
Dieser Mann war ein Mensch, in dessen Innersten ein heller Schein entzündet wurde. Bis in die Stunde hinein, in der Gott ihn heim rief, leuchtete dieses Licht in ihm, und er konnte mit anderen darüber sprechen.
Unser Gesangbuch lässt erkennen, dass auch andere dies erlebt haben. Georg Neumark war erst 20 Jahre alt. Er wollte mitten in dem verheerenden 30-jährigen Krieg nach Königsberg, um dort Jura zu studieren. Auf dieser Reise schloss er sich einem Kaufmannstross an. Aber dieser ganze Trupp wurde von Räubern überfallen und ausgeraubt. Georg Neumark verlor alles, was er hatte. Da besorgte ihm ein befreundeter Pfarrer eine Hauslehrerstelle. Das war für den jungen Georg Neumark ein großes Glück. Gerade da dichtete er sein Lied: „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. In der zweiten Strophe heißt es: „Man halte nur ein wenig stille und sein doch in sich selbst vergnügt.“ Trotz widriger Umstände in seinem Innersten Vergnügen zu empfinden, das ist ein großes Geschenk.
Der Apostel Paulus hat es selbst erlebt, wie ihm, dem gehässigen Verfolger der jungen Christengemeinde, vor Damaskus Jesus in einer Lichterscheinung begegnete. Schon kurz danach sagte Jesus dem Ananias über ihn: „Ich will ihm zeigen, wieviel er leiden muss um meines Namens willen.“ Paulus hat es selbst mehrmals erlebt, wie man es ihm auf seinen Missionsreisen als Verkündiger des Evangeliums und als Bote Jesu Christi schwer gemacht hat. Immer wieder zählt er auf, wie man ihn verjagt hat und wie man ihm nach dem Leben trachtete. Hier schreibt er: „Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.“ (V. 9) Einmal hat man sogar versucht, ihn durch das Werfen von Steinen zu töten. In Lystra, in Kleinasien, wiegelten führende Mitglieder der jüdischen Gemeinde die Stadtbevölkerung auf, ihn zu töten. Sie „steinigten Paulus, und schleiften ihn zur Stadt hinaus und meinten, er wäre gestorben“ (Apg 14,19). Aber dann stand er wie durch ein Wunder vor den Augen seiner Jünger wieder auf und ging in die Stadt zurück.
In 2. Kor 11 zählt Paulus auf, wie er vierzig Geiselhiebe erhielt, dreimal mit Stöcken geschlagen wurde, einmal gesteinigt wurde und dreimal Schiffbruch erlitt (V.24f). In 2. Tim 3,11 nennt Paulus Landschaften und Orte, in denen man ihm und seinen Mitarbeitern übel mitgespielt hat und dann ruft Paulus aus: „Welche Verfolgungen ertrug ich da! Und aus allen hat mich der Herr erlöst.“ (2.Tim 3,10f) Wir können das heute nicht lesen, ohne an die vielen Menschen zu denken, die zurzeit in unserer Welt geschlagen, verurteilt, vertrieben, gemartert und getötet werden. Unter ihnen sind viele, viele Christen, die in unserer Zeit um ihres Glaubens an Jesus Christus willen bitter leiden müssen. Aus den Nachrichten und aus den Zeitungen wissen wir, in welchen Ländern Christinnen und Christen so ausgeliefert sind. Und viele sind auf dem Weg zu uns in Europa und in Deutschland. Sie gehören mit uns zur Familie Gottes; wir haben für sie in besonderer Weise da zu sein; sie können und werden unsere christlichen Gemeinden auf unserem Kontinent bereichern, die Kirchengemeinden der Landeskirchen und die freikirchlichen Gemeinden.
Seit mehr als zwei Jahren stehe ich in Kontakt mit einer koptischen Familie, die aus Kairo fliehen musste. Sie luden mich ein zu dem Koptischen Gottesdienst, der regelmäßig in einer der mittelalterlichen Kirchen unserer Stadt gefeiert wird. Zweimal habe ich miterlebt, wie innig und selbstverständlich diese Christen die Messe ihrer fast zweitausend Jahre alten Kirche feiern. Ganz gleich welche ermunternden und bedrückenden Nachrichten sie aus ihrem Heimatland erhalten und wie schwer es für sie auch ist, sich hier einzuleben, mit ihrem Singen und Beten stehen sie vor dem lebendigen Gott und empfangen neue Zuversicht.
Gerade in diesen fünf Versen des Predigttextes für diesen letzten Sonntag der Epiphanias-Zeit gebraucht Paulus mehrere starke Bilder für die Wirkung des Glaubens:
Das erste ist: Gott hat uns einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. Es ist die Botschaft der Epiphanias-Zeit: Gott wirkt nicht nur Umkehr; er lenkt einen Menschen nicht nur dahin, dass er glauben, hoffen und lieben kann; er schenkt es nicht nur, dass ein Mensch in seiner Erkenntnis wächst. Nein, Gott bewirkt es auch, dass es in einem Menschen aufleuchtet. Manchmal gewinnt ein Mensch, der an Jesus Christus glaubt eine ganz besondere Ausstrahlung. Ich denke hier bewusst immer wieder an Frauen und Männer, die gläubige Menschen sind und deren Gesicht in besonderer Weise strahlt.
Das zweite Bild ist: Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen. Unser Leben hier auf der Erde ist sterblich. Viele erleben es, dass Krankheiten an ihnen zehren, sie nicht mehr so können, wie sie möchten, und sie gebrechlich werden. Wir ein Gefäß aus Ton! Ein Stoß gegen dieses Gefäß, und es zerbricht. Ein irdenes Gefäß ist kein Stahltresor. Paulus selbst ist das beste Beispiel für diesen Schatz in irdenen Gefäßen. Er hat keine besondere Redegabe. Apollo kam viel besser an bei den Menschen. Sein Leben lang hat der Apostel mit schweren Belastungen zu kämpfen, wahrscheinlich mit einer Erkrankung seiner inneren Organe. Hätte Gott nicht für diesen seinen Apostel eine robuste Gesundheit, eine große Redebegabung und eine starke seelische Konstitution bereithalten müssen? Aber Gott will seine Ehre keinem anderen geben. Gott will sich auch durch den Glanz seiner Boten nicht beschatten lassen. So wirkte Gott gerade durch diesen Saulus-Paulus von Tarsus Großes. Gott tut es bis heute.
Ein drittes Bild: Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde. Ein Priester besuchte in einem katholischen Krankenhaus einen schwer kranken Mann, der spürte, wie es mit ihm zu Ende ging und sich ganz elend fühlte. Aber über ihm hing ein Kruzifix. An einer Stelle des Gespräches zeigte der Mann auf dieses Kreuz und sagte in seiner wortkargen Art: „Aber der versteht mich.“ Er stand vor den Toren der Ewigkeit. Bald würde alles Irdische von ihm abfallen. Er würde in das Leben eintauchen, dem der Tod, das Leid und der Schmerz nichts mehr anhaben kann.
Und ich nehme ein viertes Bild aus diesem Kapitel des 2. Korintherbriefes dazu: „Wenn auch unser äußerer Mensch zerfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“ (V.16) Wenn es September wird, trocknen die Blätter an den Bäumen aus. Das Laub fällt dann bald nieder und muss dann in unseren Gärten zusammen geharkt werden. Wir wissen das: Jedes Jahr im Herbst ist das Laubharken dran. Aber ebenso wird der Same der Bäume ausgestreut, er ruht im Winter in dem Boden; und er geht im neuen Jahr auf. Mehrmals in unserer Bibel wird das Bild beschrieben und weiter gereicht: „Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“ (Jes 40,6-8; 1. Petr 1,24f; Psalm 103,14-17) Wer diesem Wort vertraut, erlebt, was Glaubensheiterkeit ist und wie man in sich selbst vergnügt sein kann. Er kann erfahren, wie sich der innere Mensch Tag für Tag erneuert und wie da dieser ganz besondere innere Schein in unseren Herzen aufleuchtet.
Früher hat Pfarrer Frische an den Gedankengängen des Paulus entlang über Paulus-Texte gepredigt. Predigten sollten heute aber näher beim Erleben der Zeitgenossen sein. Deswegen bringt er viele Beispiele von Christen. Sein Thema ist dabei mit Paulus: – Gott hat durch Jesus einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. Wir sind bange, aber wir verzagen nicht. Er spricht zuerst vom bekannten Pfarrer Johannes Busch, der bei schrecklichen Schmerzen nach einem Autounfall sagen konnte: Innerlich bin ich ganz fröhlich. Ähnlich hat der Liederbuchdichter Georg Neumark gedichtet: Wer nur den lieben Gott läßt walten … Man halte stille und sei in sich selbst vergnügt über Gottes Gnaden-Willen. Nach dieser anrührenden Einstimmung spricht der Prediger über die Leiden des Paulus: Verfolgung, Steinigung, Geisselhiebe, Schiffbruch … Trotzdem missioniert Paulus unglaublich mutig und getrost weiter. Gleich anschließend kommt der Pfarrer danach auf die Leiden besonders der Christen heute zu sprechen: Vertreibung, Folter und Mord (Syrer und Kopten ….). Die tröstlichen Wirkungen des Glaubens werden im zweiten Teil mit vier Bildern des Paulus nahegebracht: Durch Christus gewinnen Christen eine besondere, helle Ausstrahlung. Wir Christen haben oft besondere Belastungen, unsere Gesundheit ist oft nicht besonders robust, und wir sind oft zerbrechlich wie irdene Gefäße. Aber Gott bewirkt oft gerade durch Christen große Taten. Ergänzen möchte ich, dass Paulus – trotz epileptischer Anfälle – zusammen mit Christus und Mohammed für Historiker zu den drei wichtigsten Menschen der Geschichte gehört. Christen leben getrost damit, dass sie zum gekreuzigten Gottessohn dazugehören. Als letztes abschließendes Trostbeispiel bekräftigt Pfarrer Frische, dass wir Christen trotz Tod und Leid innerlich still vergnügt sein können, weil Gott durch Jesus einen inneren Schein in unsere Herzen schickt. Ganz mitreissend, warmherzig und packend ist diese Predigt gewiss. Sie ist einerseits ungemein tröstlich, ermutigend und positiv. Während zu positive Predigten meist abstoßen als zu naiv, lässt der Prediger erkennen, dass er um die Leiden der Christen heute weiß. Dadurch ist diese Predigt ungemein tröstlich und verbreitet und bekräftigt, dass wir Christen trotz allem innerlich vergnügt sein können. Eine Predigt zum Kopieren und Weiterverteilen.