Predigt

Von Gottes Liebe gehalten und getragen

Die Gottesfrage gehört zur Menschheitsgeschichte

Predigttext1.Johannes 4,16b-21
Kirche / Ort:Magdeburg
Datum:29.05.2016
Kirchenjahr:1. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Dr. habil. Günter Scholz, Pastor i.R.

Predigttext: 1.Johannes 4,16b-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

16 b Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. 17 Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. 18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. 19 Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. 20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht. 21 Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.

Exegetische (I.) und homiletische (II.) Bemerkungen

I. Der 1.Johannesbrief ist „aus der Zuwendung des Verfassers an die christliche Gemeinde zu verstehen“ (G. Strecker, Die Johannesbriefe, Göttingen 1989, 31). Dogmatisch-polemische Einschübe haben keine bestimmten Gegner vor Augen, sondern heben den Glauben, die Liebe und die Hoffnung der Gemeinde noch einmal mehr von der „Finsternis“ (1,6) ab. Die Lehre lässt die Entwicklung hin zum trinitarischen Bekenntnis erkennen (5,6-8), die Paränese das Trikolon Glaube, Liebe und Hoffnung aufleuchten (z.B. 3,1-3).

Im Schnittpunkt beider Linien liegt der Predigttext. „Gott ist die Liebe“ ist für sich genommen ein dogmatischer Satz wie z.B. auch „Gott ist Licht“ (1,5). Beide Aussagen sind Gott als Geist zuzuordnen. Um den Geist Gottes, der sich in der Liebe untereinander konkretisiert, geht es in diesem Text. So mündet das Gottesbild in die Ekklesiologie mit praktisch-theologischen Konsequenzen (ungeheuchelte und uneigennützige Bruderliebe). Umgekehrt ist Ekklesiologie (4,19-21) nicht ohne pneumatologische Implikationen zu begründen (4,16b-18). Dass Gottes Liebe vornehmlich in seinem Sohn erschienen ist (4,9f), ist unbestrittene Voraussetzung, hier aber nicht das Thema.

Gottes Liebe ist nicht nur essentiell, sondern existentiell zu verstehen. Sie hält und trägt uns (wir „bleiben“ in Gott) und spornt uns zu Taten der Liebe an (Gott „bleibt“ in uns, vgl. auch 1,5-7). Gott und Gericht sind logischerweise zusammengedacht. Wo kein Gott, da kein Gericht und umgekehrt. Wer das Gericht leugnet, irrt (1,8-10). Die Liebe muss das Gericht nicht fürchten.

II. Die zunächst essentielle Aussage „Gott ist die Liebe“ regt mich an, die Gottesfrage aufzuwerfen. Sie ist in unserer Gesellschaft immer untergründig vorhanden, auch wenn behauptet wird, man könne mit dem Wort „Gott“ nichts mehr anfangen. Sie gehört zur Menschheitsgeschichte. Gott ist immer in Beziehung zum Menschen zu denken und umgekehrt. Zu dieser „Liebes“-Beziehung gehört das „Bleiben“, daraus folgend die guten Taten (in der Gemeinde) und das Gericht. Das möchte ich hervorheben als unverrückbaren Grundbestand unseres Glaubens. Wie der 1.JohBr keine konkreten Gegner kennt, sondern nur von einer atheistischen Gegenströmung weiß, so kann auch ich nur den bestehenden Glauben festigen und einen allgemeinen Atheismus als Negativfolie dagegen abheben. Dass das – zumindest hierzulande – nötig erscheint, beweist die Schrift des Philosophen Holm Tetens, Gott denken, Ein Versuch über rationale Theologie, 3.Aufl., Stuttgart 2015 (Reclam 19295). Wichtig ist mir auch, dass der Gerichtsgedanke nicht ausgeblendet wird. Gottes Liebe und sein Gericht sind kein Widerspruch. Das Gericht ist für den Glaubenden und Liebenden nicht zu fürchten; es gilt jedem und vollendet so Gerechtigkeit; es ist Trost, denn es führt die Wahrheit zum Sieg. Dem Negativbeispiel des Lagerkommandanten (Tetens, 56) möchte ich gern ein Positivbeispiel entgegensetzen. Da fällt mir Abrahams Fürbitte für Sodom zu, der Alternativtext der erneuerten Perikopenreihe.

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