(Kurzpredigt)
Das finde ich mal einen befreienden Gedanken. Was sollen wir machen mit dem ganzen Unkraut in unserem Leben? Mit all den Versäumnissen, mit den Fehlern, den Ungenauigkeiten, den Enttäuschungen: Wachsen lassen!
Seien wir barmherzig mit dem Unkraut. Jesus ist zuversichtlich, dass all das Unkraut den guten Pflanzen noch genügend Raum lässt. Vielmehr fürchtet er, dass eine große Säuberungsaktion auf dem Acker auch alles Gute und Fruchtbare mit vernichten könnte. Darum: Lasst es wachsen. Seien wir barmherzig mit dem Unkraut. Die ganzen Unzulänglichkeiten. Wie viele Missverständnisse konnten in diesem Jahr entstehen, weil wir so vieles nur auf Distanz regeln konnten. Jeder bewegt sich in seiner eigenen Blase aus Informationen und Meinungen und Deutungen. Gereiztheiten haben um sich gegriffen und auch Menschen, die eigentlich ein freundliches Naturell haben, fahren schon mal aus der Haut. Die grundlegende Veränderung der Lebensgewohnheiten im zurückliegenden Jahr hat einfach viel Unkraut mit sich gebracht.
Das Unkraut, Corona und all diese Folgen werden hier nicht als Gottes Strafe oder so etwas gedeutet. Das Unkraut ist von einem Feind eingesät. Es gehört nicht dazu. Es ist nicht Gottes Wille. Aber es ist nun einmal da. Und wir müssen damit irgendwie umgehen. Jesus empfiehlt: Wachsen lassen. Nicht pingelig alles Übel ausreißen wollen, sondern konzentrieren wir uns darauf, dem Guten Raum zu lassen. Es wird wachsen und Frucht bringen.
Wenn wir immer nur auf das schauen, was nicht gut läuft, dann hat uns das Unkraut voll im Griff und wir übersehen die guten Pflanzen. Man könnte sich natürlich ständig aufregen: über die Schwierigkeiten, im Frühjahr einen Impftermin zu buchen, über manches Hin und Her, über wiederholte Einschränkungen oder über jene, die sich den Wegen entziehen, die von den meisten für richtig gehalten werden. Aber Jesus hat schon die Ernte im Blick. Und da kommt es doch darauf an, dass etwas Gutes gewachsen ist. Darauf will er unser Augenmerk lenken. Das braucht Barmherzigkeit mit dem Unkraut im Leben und Zuversicht in den Weizen. Gott wird mit dem Unkraut schon fertig werden. Er wird sich auch um mein Unkraut kümmern, dass davon am Ende nichts übrig bleibt und dafür der Weizen in die Scheune gesammelt werden kann.
Für das Neue Jahr kann das bedeuten: Stärken wir unsere Kommunikation. Das, was wir in den letzten zwei Jahren ein bisschen verlernt haben, braucht unsere Aufmerksamkeit. Aufeinander hören, einander verstehen, und einander mit guten Worten stärken und wohlwollend begleiten. Das kann unser Auftrag im neuen Jahr werden. Vorwürfe, besserwisserische Ratschläge und üble Nachrede hingegen unterlassen wir, obwohl sie im Internet doch so leicht von der Hand gehen.
Die Masken, die wir tragen, schützen uns vor den Viren. Das ist gut so. Denn das Unkraut soll ja den Weizen nicht ersticken. Aber wir tragen vielfach auch eine weitere unsichtbare Maske, mit der wir uns voneinander abgrenzen. Vielleicht gelingt es, im nächsten Jahr diese Maske abzulegen, dass wir uns einander zuwenden in aller Unterschiedlichkeit, und über unsere Sorgen und Hoffnungen miteinander ins Gespräch kommen.
Jeder von uns hat blinde Flecken, hat Ängste, hat Fehler und Macken. So manches Unkraut wuchert in uns, von dem wir hoffen, dass es im Himmel einmal keine Rolle mehr spielt. Wir Christen haben aber einen gemeinsamen Grund unserer Hoffnung: diese Hoffnung haben wir gerade erst gefeiert und besungen am Weihnachtsfest. Das macht uns zu einer starken Hoffnungsgemeinschaft. Damit können wir kräftiger Weizen sein, ganz egal, welches Unkraut noch mit uns wächst. Wir finden Mut für uns selbst und für andere, Mut der uns trägt im Neuen Jahr. Denn Christus ist dein Licht und mein Licht. Dieses Licht besiegt unsere Schatten und alles Dunkel. Wir wachsen im Licht Christi, und wir tragen es weiter in die Welt.