Was bleibt?

Sind wir an diesem Weihnachtsfest reicher geworden oder ärmer?

Predigttext: 2.Korinther 8,9
Kirche / Ort: Markuskirche / Heidelberg
Datum: 26.12.2013
Kirchenjahr: Christfest (2)
Autor/in: Pfarrerin Sabine Hannak

Predigttext: 2.Korinther 8,9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Denn  ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

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Die Weihnachtsfeierlichkeiten liegen hinter uns. Wir stehen an der Schwelle zum Alltag: Morgen öffnen die Geschäfte, und für viele unter uns beginnt die Arbeit wieder. Auf dieser Schwelle zum Alltag dürfen wir nun noch einmal innehalten. Wir dürfen zurückschauen, resümieren was gut war, was nicht so gut was, wir dürfen unseren Blick aber auch nach vorne wenden und fragen: „Was bleibt nun von diesem Weihnachtsfest?“. Wir ziehen Bilanz: Sind wir reicher geworden, oder ärmer?

Schauen wir zunächst zurück: Wahrscheinlich haben die meisten von uns einen beleuchteten Tannenbaum zuhause stehen, die Weihnachtsgeschichte in der Übersetzung von Martin Luther klingt uns noch nach: „Es begab sich aber zu der Zeit…“, die Wohnung ist weihnachtlich geschmückt und vielleicht duftet es immer noch nach dem Festtagsessen. Dennoch haben wir unsre Festlichkeiten sicherlich sehr unterschiedlich verbracht. Die einen im Kreis der Familie, die anderen mit Freunden, wieder andere allein. Die einen waren zufrieden damit, wie es war, die anderen sind traurig oder enttäuscht. Die einen feierten voller Harmonie und Freude, bei anderen überschatteten unerfüllte Erwartungen, Streit oder Unfriede das Fest. Bei den einen wurden vielen Geschenken geöffnet, die anderen legten mehr Wert auf hochklassige Musik, wieder andere legten den Schwerpunkt auf gutes Essen und Trinken. Die einen waren in mehreren Gottesdiensten, die anderen kommen heute zum ersten Mal während der Festtage in die Kirche. Doch auch, wenn wir Unterschiedliches erlebt haben: Wir ziehen heute Bilanz: Was war gut, was nicht so gut? Was bleibt uns für den nun kommenden Alltag? Sind wir reicher geworden, oder ärmer? Der Apostel Paulus hilft uns dabei, uns einer Antwort darauf anzunähern. Er schreibt an die Gemeinde von Korinth:

„(…) ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet“. (Falls möglich Krippe mit Jesuskind zur Kanzel holen, hochheben und den Text noch einmal lesen.)

Gott selbst kommt zu uns. Der allmächtige, barmherzige, Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Herrscher über die Heerscharen, der König über alle Mächte und Gewalten, der Herr über Leben und Tod kommt in unsre Welt . Er sucht sich unter allen möglichen Ankunftsorten den ärmsten aus: einen alten, zugigen, von einem Ochsen besiedelten Stall. Gott kommt in unsre Welt, und er sucht sich unter allen möglichen Müttern eine der ärmlichsten aus: ein unbekanntes Mädchen ohne berühmten Stammbaum, unverheiratet,  mit einem Schreiner verlobt. Gott kommt in unsre Welt und unter allen möglichen Ankunftsarten wählt er den der Geburt. Er wird ganz Mensch  in einem kleinen Baby abseits allen Reichtums. Gott kommt in unsre Welt und unter allen möglichen Erstgratulanten holt er sich die ärmlichsten herbei: Hirten, die ihre Nächte ohne Dach über dem Kopf auf dem Feld verbringen, mittellos, von der Gesellschaft verachtet.

„..obwohl er reich ist, wurde er doch arm…“

Gott kommt in unsre Welt und wird arm: arm in jeglicher Hinsicht. Arm an Macht, arm an Ansehen, arm an finanziellen Mitteln. Er begibt sich zu uns hinab, ganz tief beugt er sich. Warum tut er das? Warum rauscht er nicht hernieder im einem flammenden Streitwagen, umgeben von flammenden Engeln und begleitet von königlichen Fanfaren? Vor einigen Wochen habe ich mit meinen Konfirmandinnen und Konfirmanden einen Versuch gestartet: Einer musste sich auf den Boden legen und die anderen hatten die Aufgabe, ihm Schritt für Schritt zu erklären, wie er von der liegenden in eine stehende Position kommen könne. Bei denjenigen, die sich da wirklich darauf eingelassen hatten, war das eine echte Herausforderung, denn der am Boden Liegende durfte keine Eigeninitiative ergreifen. Wenn einer zu ihm nur sagte, „setz dich erst und dann stell dich“, funktionierte das nicht, denn jede kleinste Bewegung musste erst beschrieben werden. Überlegen auch Sie einmal: Wie setzt man sich aus der Rückenlage eigentlich hin? Welche einzelne Bewegung muss auf die nächste folgen?  Und welche vielen kleinen Abläufe braucht es, bis man dann endlich steht?

Manche der Stehenden scheiterten an der Aufgabe. Aber dann passierte etwas Bemerkenswertes. Zwei Mädchen legten sich neben den Liegenden und probierten selbst aus, welches der nächste Bewegungsschritt  sein muss. Aus ihrer übergeordneten, stehenden Position begaben sie sich hinab an die Seite des Hilfsbedürftigen. Sie versetzten sich in seine Lage, um ihn aus dieser Lage zu befreien. Oder in anderen Worten: sie wurden selbst arm, um dem Armen aufzuhelfen. Genau das geschah in der Heiligen Nacht. Nicht dass Gott es nötig gehabt hätte, sich zu uns hinab zu bewegen. Nein, wir sind es, die es nötig hatten und immer noch haben. Denn wir sind doch diejenigen, die auf dem Boden liegen und nicht weiter wissen. Wir sind es, die Hilfe brauchen. Hilfe, diesen, unseren Gott als denjenigen kennenzulernen, der er wirklich ist. Das können wir nur,  wenn er nicht unnahbar und befehlend von oben kommandiert. Wir können es nur, wenn er uns ganz nahe rückt. So nah, wie unsre Konfirmandinnen dem auf dem Boden liegenden. Denn erst, wenn Gott alle Macht und allen Reichtum abgelegt hat, begreifen wir, wie selbstlos, wie aufopferungsbereit, wie ausgefüllt von Liebe dieser, unser Gott ist. Erst angesichts seiner Zerbrechlichkeit und Schwäche wird uns deutlich, wie nahe er uns kommen möchte. Erst angesichts seiner Armut  erkennen wir,  welcher Reichtum in seinem Kommen liegt.

„(…) ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

Das ist der Grund, warum Gott nicht hernieder rauscht mit großem Getöse. Das ist der Grund, warum er sich arm und klein macht: Gott möchte, dass wir ihn kennenlernen als den, der er ist: ein Gott der Liebe. Nun ziehen Sie selbst ihre Bilanz: Was war gut, was nicht so gut? Was bleibt uns für den nun kommenden Alltag? Sind wir reicher geworden, oder ärmer?

 

 

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Ein Kommentar zu “Was bleibt?

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Sehr einfühlsam spricht Pfarrerin Hannak zu Beginn über die wohl sehr unterschiedlichen Weihnachtsfeiern der Gottesdienstteilnehmenden. Einfühlsam und warmherzig formuliert sie dann, dass Gott bei Jesu Geburt auch unglaublich einfühlsam war. Gott kommt nicht mit Prunk und Macht. Originell formulirt sie, dass Gott sich von allen möglichen Ankunftsorten den ärmsten in einem Stall aussucht, um uns nahe zu sein. Sehr originell ist dann auch das Beispiel mit den einfühlsmen und solidarischen Konfirmandinnen. Die Nähe Gottes zu Weihnachten wird sehr anrührend und überzeugend den Hörern nahegebracht. Eine schöne, originell formulierte und warmherzige Predigt.

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