Vor zwei Wochen feierten wir das Pfingstfest, es erinnerte uns an die große mitreißende Geistkraft Gottes, ein Feuer sollte in uns wie damals in Jerusalem entzündet werden und uns begeistern für Gott, unsere Kirche und unseren Glauben. Am vorigen Sonntag bedachten wird die „Trinität“, das Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes: Gott Vater in der Einheit mit dem Sohn und dem Heiligen Geist. Und heute dieser schwer verdauliche Bibeltext aus dem Jeremiabuch!
War alles nur ein Strohfeuer? Oder ein Wind, der den Weizen wie Samenkörner in unser Herz gelegt hat? Brauchen wir einen Hammerschlag? Hören wir auf die falschen Ratgeber? Würde Gott auch unseren Glauben hinwegfegen?
Es geht zunächst nicht um uns, es geht um den Propheten Jeremia, seine Zeit in und mit Gottes auserwähltem Volk Israel. Jeremia, der vor über zweieinhalb Jahrtausenden in Juda auftrat, war kein Erfolgsprediger. Mit seiner Botschaft stieß er zu seinen Lebzeiten meist auf Ablehnung. Jeremia, der sich mit seinem Volk innigst verbunden fühlte, gelang es nicht, dieses Volk zu überzeugen, dass er Gottes Wahrheit aussprach. Der Prophet galt nichts in seinem Land. Er konnte nicht vermitteln, was Gottes Wort in der aktuellen geschichtlichen Stunde und Situation bedeutete: ein Wort für und nicht gegen sie.
Jeremia stellte dem Volk im Namen Gottes schwere Zeiten in Aussicht, wenn es sich nicht endlich auf die Gebote Gottes besinnt und danach handelt. Wer hört das schon gerne? Das Volk hörte viel lieber auf Propheten, die Wohlergehen und gute Zeiten verkündigten. Wenn sie sich dabei noch auf ihre Träume beriefen, schenkte man ihrer Botschaft um so mehr Beachtung, weil man Träume auch als eine Weise der Offenbarung Gottes verstehen konnte.
Demgegenüber stieß Jeremia immer mehr auf Ablehnung in den eigenen Reihen, erntete Spott, sogar Schläge und wurde zu Kerkerhaft verurteilt. In seinem Heimatort Anatot gab es von seinen eigenen Mitbürgern Morddrohungen gegen ihn.
Wenn doch die wahren von den falschen Propheten so einfach zu unterscheiden wären! Aber die Unterscheidung zwischen wahr und falsch, zwischen Sein und Schein, war nie leicht und eindeutig, wie wir am Beispiel Jeremias von Anatot sehen können. Ein halbes Jahrtausend später stellte Pilatus Jesus von Nazareth die Frage: „Was ist Wahrheit?“ (Johannes 18,38)
Der Predigttext stellt jede und jeden von uns vor die Frage: Habe ich meine eigenen Wunschgedanken und Träume verwechselt mit dem, was Gott mir sagen möchte? Es ist gut und ganz im Sinne Jeremias, wenn wir so kritisch uns selbst und auch andere fragen. Hat nicht der zeitgenössische Schriftsteller Arnim Juhre recht, wenn er mahnt: „Sing nicht so schnell dein Glaubenslied, sing nicht so laut, so grell …” Und bei Jeremia hören wir Gott sagen: „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?” In dieser rhetorischen Frage höre ich: Gott lässt sich von uns Menschen nicht vereinnahmen. Wie oft wird aber sein Name für Interessen gebraucht, die mit Gott nichts zu tun haben.
Die Macht des Wortes Gottes stellt der Prophet seinem Volk bildhaft vor Augen, und er warnt das Volk vor der Missachtung Gottes und seiner Gebote, weil sie bittere Folgen haben wird. Wer, ob Jerusalemer damals oder Heidelberger heute, traut dem Wort Gottes und seinen Geboten schon diese Macht und Auswirkungen zu? Und doch wissen wir um die Macht der menschlichen Worte, wie sie aufbauen, aber auch zerstören können.
Das Wort Gottes, so hören wir bei Jeremia, kann wie ein Feuer sein und wie ein Hammer, der die Kraft hat, sogar Felsen zu zerschlagen. Also kann es uns/ mich aus der Kälte herausholen, wärmen und begeistern wie ein Pfingstfeuer. Gottes Wort kann aus jeglicher Versteinerung befreien. Es kann genauso das Falsche in mir verbrennen und Mauern, die ich mir errichtet habe, die mich vom Guten abtrennen, zertrümmern.
Lernen möchte ich von Jeremia: Unsere Geschichte im Großen wie im Kleinen ist nicht nur Schicksal und von vornherein planmäßig festgelegt, sondern veränderbar. Gott gibt die Chance dazu. Ein Mensch kann sich zum Guten hin ändern. Besinnung und Umdenken sind möglich. Aber es kann auch ein Zuspät geben.
Ich lerne: Trösten im Sinne Jeremias bedeutete nicht, nach Art der falschen Propheten billigen Optimismus zu versprühen, „es wird schon nicht alles so schlimm sein“. Die Wahrheit der prophetischen Botschaft entscheidet sich wie die Wahrheit, die wir für unser Leben erkannt haben, eben nicht an der Stärke des Beifalls und dem Zustrom des Publikums.
Aber wenn wir heute keine unmittelbaren Weisungen von Gott erhalten, keine „Stimme aus den Wolken” hören, und Gott durch unsere Gefühle oder in unseren Träumen nicht zu uns gesprochen hat, so hören wir in der Bibel eine tiefe Weisheit durch die Jahrtausende, elementare Wahrheiten die immer noch gelten. Gottes Wort ist nicht alt geworden.
Gibt es auch für unsere Zeit eine Lehre aus dem Geschehen damals? Von Jörg Zink stammen die Worte: „Es ist kaum auszudenken, was es für die Menschheit, auch für die Menschen in unserem Land, bedeuten könnte, wenn die Christen die Probleme dieser Zeit mit neuen, offenen Augen anschauten und dann sagten: Im Namen Gottes. Wir gehen einen anderen, einen neuen Weg. Wir lassen unsere Gewohnheiten, unsere Ansprüche … hinter uns und gehen, vielleicht ärmer, aber von Hoffnung getragen und vom Geist Gottes geführt, in eine offene Zukunft”. Hier klingt wieder der pfingstliche Geist Gottes an. Diese Geisteskraft lässt uns ernst nehmen, was uns im Alten / Ersten Testament überliefert und im Neuen / Zweiten Testament gelehrt wird.
Jeremia, jener Außenseiter unter den Propheten, macht uns Mut, angesichts unserer vielfältigen, oft bedrängenden und unsicheren Lebenssituationen auf Gottes Wort immer wieder neu zu hören und seiner Wahrheit auch für unser Leben im persönlichen und öffentlichen Bereich zu vertrauen. Im Wochenspruch (Lukas 10,16), der uns durch diese Woche begleiten möchte, spricht Jesus von Nazareth zu seinen Jüngern: „Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich“. Wie nahe stand ihm der Prophet Jeremia von Anatot! Gott segne unser Hören und gib uns Ohren für Deine Wahrheit.