“Was sollen wir tun?” – Adventliche Impulse
Früchte der Buße sind gefragt, Früchte des Umdenkens um der Menschen, um Gottes und seiner Schöpfung willen
Predigttext: Lukas 3, 1-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017) (1) Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, (2) Als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste. (3) Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, (4) Wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40, 3-5): „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! (5) Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. (6) Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“ (7) Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiß gemacht, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? (8) Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. (9) Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. (10) Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? (11) Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. (12) Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? (13) Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr als euch vorgeschrieben ist! (14) Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen, was sollen wir denn tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und laßt euch genügen an eurem Sold!
Wende
Thema des dritten Sonntags im Advent ist Johannes der Täufer, Sohn des Priesters Zacharias und dessen Ehefrau Elisabeth. Der Engel Gabriel, der Zacharias im Tempel zu Jerusalem die Geburt des Sohnes ankündigte, wird ein halbes Jahr später in Nazareth einer jungen Frau, Maria, erscheinen und ihr die Geburt eines Sohnes ankündigen. Beide Söhne haben vielversprechende Namen. Johannes bedeutet „Gott ist gnädig (kommt heilsam auf die Menschen zu), Jesus bedeutet „Gott hilft, rettet, heilt“. Nach kirchlicher Tradition wird der Geburtstag Johannes des Täufers mit der Sommersonnenwende, der Geburtstag Jesu mit der Wintersonnenwende verbunden. Welch eine Symbolik! Wende in eine gute Zukunft. Die Mitte der Nacht ist der Anfang eines neuen Tages. Johannes und Jesus bleiben bis zuletzt in enger Beziehung. Jesus lässt sich von Johannes taufen. Dabei öffnet sich der Himmel, und der Heilige Geist fährt auf Jesus herab, und eine Stimme kommt aus dem Himmel: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“.
An Johannes erinnerte uns heute bereits das Sonntagsevangelium: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“, mit dieser Frage sandte Johannes seine Jünger zu Jesus von Nazareth. Johannes wird zum Wegbereiter Jesu. In seiner Predigt bezieht sich Johannes auf die prophetischen Worte aus dem Jesajabuch (Jesaja 40, 3-5): „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen“. Dann schlägt Johannes in seiner Predigt ungewohnt harte Töne an, sie ist ein einziger Bußruf, ein eindringlicher Ruf zur Besinnung und Umkehr. Johannes warnt vor falscher Sicherheit. Die Berufung auf die nationale und religiöse Herkunft hilft nicht wirklich. Nur durch konsequente Änderungsbereitschaft im individuellen und gesellschaftlichen Bereich können sie dem zukünftigen Zorn entrinnen.
Was tun?
„Früchte der Buße“ sollen sie bringen. Die Taufe im fließenden Wasser des Jordans soll Zeichen der Bereitschaft dafür sein. „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“, Aufbruch, Neuwerden, Bewegung zu Gott hin: „Dein Reich komme“. Betroffenheit klingt in der Frage der Hörenden an: „Was sollen wir tun?“. Mit dieser Frage sind sie bereits auf einem guten Weg. Da ist zunächst die große Zahl der Hörenden, ihnen antwortet Johannes, dass sie helfen sollen, wo es nötig ist. Dem einen fehlt es an Kleidung, dem anderen an Nahrung. Tätige Nächstenliebe ist gefragt. Es gibt Notwendigkeiten, die zu jeder Zeit die gleichen sind, und dann sind es die besonderen Herausforderungen einer jeden Zeit. Armut, Hunger, Gerechtigkeit, Menschenrechte, fürsorglicher Umgang mit der Schöpfung, Frieden sind die großen Aufgaben in unserer Zeit, werden sie im dritten Jahrtausend gelöst? Die Antwort des Johannes an die Zöllner: „Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist“, ist heute mehr als aktuell, auch wenn es nicht mehr die Zöllner im damaligen Sinn gibt. Nicht mehr haben, beanspruchen zu wollen, als was uns zusteht. Den anderen Menschen nicht übervorteilen.
Die Weisungen des Johannes können auch heute als ethische Impulse verstanden und aufgenommen werden: Früchte der Buße sind gefragt, des Umdenkens, um der Menschen willen, um Gottes und seiner Schöpfung willen. „Tut niemandem Gewalt oder Unrecht“, rät Johannes den Soldaten. Heute haben Gewalt und Unrecht globale erschreckende Ausmaße, ihre Potentiale sind beängstigend. „Selig, die Frieden machen“, so beglückwünscht Jesus von Nazareth, dem Johannes den Weg bereitet – die Menschen, die auf Gewalt verzichten, die für das Recht des anderen Menschen eintreten und dafür arbeiten, dass Gottes Wille, der uns wohltun will, auf dieser Welt geschieht. „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“, so beten wir auch heute.
Wohin sich wenden?
Gibt es unter uns heute Predigerinnen und Prediger, denen die Menschen so zuströmen wie damals Johannes dem Täufer, ihnen zuhören und nach Weisung für ihren Lebensalltag, im persönlichen und öffentlichen Lebensbereich, fragen? In der Person des Johannes des Täufers begegnet uns eine der besonderen Gestalten der Bibel. Johannes steht am Ende der Reihe der biblischen Propheten, er weist gleichsam vom Alten zum Neuen Bund, vom Ersten zum Zweiten Testament, er weiß sich als Wegbereiter für den kommenden Gerechten und Helfer gesandt, „der Heil und Leben mit sich bringt“.
Auf dem berühmten Isenheimer Altar des Matthias Grünewald mit der Darstellung der Kreuzigung Jesu ist rechts neben dem Kreuz in auffallender Größe Johannes der Täufer zu sehen. In seiner linken Hand hält Johannes die aufgeschlagene Bibel. Mit seiner rechten Hand zeigt er mit dem übergroß gemalten Zeigefinger auf den Gekreuzigten. Über den ausgestreckten Arm des Johannes schrieb der Künstler in lateinischer Sprache Worte aus dem Johannesevangelium („Illum oportet crescere, me autem minui“), Martin Luther übersetzte: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“. Damit ist die Art und Weise der Beziehung zwischen Johannes und Jesus anschaulich umschrieben.
Johannes behält seine Bedeutung. Wir brauchen seinen aufrüttelnden Bußruf der täglichen Besinnung und Bereitschaft, uns zum Guten zu verändern, sein ernsthaftes Fragen („Bist du es, der da kommen soll…“), seine ethischen Impulse („Tut niemandem Gewalt oder Unrecht…“) und sein überzeugtes Hindeuten auf den Retter der Welt. „Christ, der Retter ist da“, werden wir an Weihnachten singen. Bleiben wir Johannes dem Täufer verbunden und offen für seine Predigt, so bereiten wir uns täglich neu auf Jesu Kommen, seinen „Advent“, vor, bereiten Ihm den Weg und stärken einander in der Gewissheit, dass er auch zu uns kommt. Bitten wir darum mit Worten eines Adventsliedes (EG 12,4): „Sei willkommen, o mein Heil! Dir, Hosianna, o mein Teil! Richte du auch eine Bahn dir in meinem Herzen an“.
Eine Predigt, die sich eng an den Text hält und sehr schön die beiden wesentlichen Aspekte in den Mittelpunkt stellt: Johannes, der Bußprediger und Ankündiger des kommenden Gottesreiches. Es ist gut und hilfreich, wenn die Gemeinde daran erinnert wird, wie eng Johannes und Jesus miteinander verbunden sind. Nicht nur, dass sie gleichaltrig waren und über ihre Mütter verwandt, sondern auch in ihrem Auftrag, dem bleibenden heilsgeschichtlichen Handeln Gottes zu entsprechen: Verheißung und Erfüllung, der Weg vom Alten zum Neuen Bund, vom Gesetz zum Evangelium. In der Predigt ist es gut in Worte gefasst: „Johannes steht am Ende der Reihe der biblischen Propheten, er weist gleichsam vom Alten zum Neuen Bund, vom Ersten zum Zweiten Testament, er weiß sich als Wegbereiter für den kommenden Gerechten und Helfer gesandt, „der Heil und Leben mit sich bringt“. Für dieses geistliche Verstehen ist auch die kirchliche Tradition hilfreich. So erinnert der Prediger an die Geburtstage der beiden. „Nach kirchlicher Tradition wird der Geburtstag Johannes des Täufers mit der Sommersonnenwende, der Geburtstag Jesu mit der Wintersonnenwende verbunden. Welch eine Symbolik!“ Und nicht fehlen darf natürlich der Hinweis auf den berühmten Isenheimer Altar. Ein Bild, auf dem die innere Verbindung, die geistliche Beziehung der Beiden zueinander in genialer Weise dargestellt ist. Es entspricht nicht der historischen Wirklichkeit, weil Johannes bereits hingerichtet war als Jesus am Kreuz starb, aber es spricht eine wichtige geistliche Wahrheit aus.
Sehr gefällt mir, wie die Bußpredigt des Johannes mit seinen „ethischen“ Forderungen aktualisiert wird. Zeitnah und modern, aber zum Glück nicht mit modischen, parteipolitischen und ideologischen Versatzstücken garniert. Diese sprachliche Zurückhaltung ist vorbildlich und eine Wohltat für die Gemeinde. „Tätige Nächstenliebe ist gefragt. Es gibt Notwendigkeiten, die zu jeder Zeit die gleichen sind, und dann sind es die besonderen Herausforderungen einer jeden Zeit. Armut, Hunger, Gerechtigkeit, Menschenrechte, fürsorglicher Umgang mit der Schöpfung, Frieden sind die großen Aufgaben in unserer Zeit.“ Das kann jeder unterschreiben.
Eine erfrischend kurze Predigt, in der aber alles Notwendige gesagt ist und von der Gemeinde sicher mit Zustimmung und Dankbarkeit gehört wird.