Die Bekehrung des Paulus
Immer wieder hat Paulus von seiner wunderbaren Bekehrung erzählt. So auch hier: Früher verfolgte er die neu entstehenden christlichen Gemeinden. Er schimpfte auf ihren Gründer und lästerte über ihren Glauben. Aber dann hatte er eine großartige Vision, die ihn überwältigte. Er begegnete dem Auferstandenen Jesus. Von da an wurde alles anders. Er wurde zu einem glühenden Anhänger der christlichen Botschaft und einem treuen Nachfolger seines neuen Herrn. Aus einem Saulus wurde ein Paulus.
Seine frühere feindselige Einstellung versuchte er nachträglich zu entschuldigen: „Ich habe es unwissend getan, im Unglauben.“ Ja, es stimmt. Er hatte es gut gemeint, als er bei der Steinigung des Stephanus dabei war und bei diesem grausamen und unmenschlichen Ritual den Tätern die langen Kleider verwahrte, damit sie besser ihr schreckliches Tun bewerkstelligen konnten. Nachträglich schämte er sich dafür. Zu Recht. Gut gemeint ist nicht immer gut getan. Vielleicht ist ihm selber aufgefallen und Gott hat ihn in seinem Gewissen darin bestärkt, dass da etwas in seiner Glaubenshaltung nicht in Ordnung war, wenn damit so schreckliche Dinge wie die Steinigung eines offensichtlich harmlosen und unschuldigen Menschen einhergingen, wenn das Ergebnis so schändlich ist. „An den Früchten sollt ihr sie erkennen“. Dieses Jesus-Wort ist ein guter Maßstab für die Beurteilung jeden Glaubens, mag er noch so edle und hehre Wahrheiten vertreten. Daran muss sich jede Religion, jede Weltanschauung messen lassen: Wie sehen die Früchte aus? Welche Ergebnisse bringen sie hervor? Wirken sie sich segensreich auf die Menschen aus oder sind sie eine Plage?
Neuer Weg zum Glauben
Paulus ist immer froh und dankbar gewesen, dass ihm mit seinem Erlebnis vor Damaskus eine neue Perspektive für sein Leben eröffnet wurde. Mehr noch: Ihm wurden damit eine ganze Reihe von Erkenntnissen geschenkt, die ihm halfen, die Welt zu deuten, innere Zusammenhänge zu erklären, auf die Fragen nach Ziel und Sinn des Lebens gültige und überzeugende Antworten zu geben. In unserem Briefabschnitt sticht ein Satz hervor, der als Grundlage für das christliche Glaubensverständnis gelten kann: „Das ist gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen.“ Das Evangelium für den heutigen Sonntag erzählt das Gleichnis vom verlorenen Sohn und entfaltet die Botschaft von der Rettung des Menschen aus Gottesferne, aus Fremde und Entfremdung, in einem wunderschönen, herzerwärmenden Bild. Der Vater schließt den verlorenen Sohn liebevoll in seine Arme. Die Versöhnung, die im Herzen des Vaters ihren Anfang nahm, hat ihr Ziel gefunden. So ist unser Gott. Der Psalmbeter fasst diese Erkenntnis in ein wunderbares, deutendes Wort: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.“ (Psalm 103,8)
Jesus hat unseren Stand als Sünder ja weiter gefasst als es der Volksmund vermuten lässt. Er sieht hinter den Fehlern, die wir machen, den Versäumnissen, derer wir schuldig wurden, die letzte, große Not unserer menschlichen Existenz: Alte Ausleger haben es als negatives Programm des Bösen definiert: „Sünde, Hölle, Tod und Teufel.“ Mit diesen Mächten wird keiner von uns fertig. Da geht es weniger um persönliche Schuld als um unausweichliches Schicksal, dem wir ausgeliefert sind, jedenfalls was die menschlichen Möglichkeiten angeht. Aber diesen Zustand hat Gott verändert. Darum spricht Paulus vom Glauben an das ewige Leben, das in Jesus Christus begründet ist. Dieser Glaube ist Grundlage seines Lebens, darin begründet er sein Vertrauen, seine Zuversicht, seine Hoffnung. Darin ist er seinen ihm anvertrauten Menschen ein Vorbild. Er möchte, dass sie das gleiche Lebensglück, dieselbe Erfüllung finden, wie er selbst.
Auch wenn Paulus uns ein Vorbild im Glauben ist, so geht doch jeder seinen eigenen Weg, um das Lebensziel zu finden, das für ihn bestimmt ist. Eine Bekehrung zu erleben wie Paulus, ist und bleibt eine Ausnahme. Und wenn wir uns die Frage stellen: „Wie bin ich selber zum Glauben gekommen?“, dann möchte ich mit einer Zeile aus einem der schönen Paul-Gerhardt-Lieder antworten: „Er hat viel tausend Weisen zu retten aus dem Tod…“. Mit jedem von uns hat Gott seine eigene, spezielle Geschichte, mit jedem von uns geht er seinen individuellen Weg. Vielleicht ist es ein Wort aus der Bibel, dem Gesangbuch oder einer Predigt, die uns den entscheidenden Impuls gibt, den Gottesweg einzuschlagen. Oder es ist der segensreiche, ständige Einfluss der Mutter, die uns den Weg weist. Zuweilen predigt ein schicksalhaftes Ereignis besser als Worte, worauf es ankommt. Und oft arbeitet, unbemerkt von der Umwelt, Gottes Geist an unserer Persönlichkeit und lehrt uns göttliches Denken.
Bei einigen blüht die Blume des Glaubens in herrlichen, bunten Farben. Bei manchen wachsen die Bäume des Glaubens gleichsam in den Himmel, so wie bei Paulus. Das gefällt unserem Herrn sicherlich, dient es doch seiner Ehre. Bei manchem fristet der Glaube ein klägliches Dasein, er gleicht einer Blume, die zuwenig Wasser bekommt. Aber unser Herr hat auch daran seine Freude, lobt er doch ausdrücklich den kleinen, schwachen Glauben. Das ist ein großer Trost für unser zuweilen zaghaftes Gemüt und verzagtes Herz. Manchmal sind die Strecken, die wir zu überwinden haben, steinig. Da seufzen wir: „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben“. Aber oft strahlt auch die Sonne, der Himmel lacht und uns geht das Herz über, weil wir Gottes Ruf verstanden haben und frohgemut den Weg gehen, der für uns vorgesehen ist und zum Ziel bringt.